Betreff
Sicherstellung der Aufgabenerfüllung der Leitstelle des Kreises Borken bei Ausfall
Vorlage
0184/2018/KREIS
Art
Beschlussvorlage

Der Ausschuss für Sicherheit und Ordnung nimmt den Sachstandsbericht zur Kenntnis.   


Sachdarstellung:

Nach § 28 (1) BHKG müssen Maßnahmen ergriffen werden, durch die eine Aufgabenerfüllung der Leitstelle auch bei Ausfall sichergestellt wird. Hieraus ergibt sich für die Leitstelle des Kreises Borken ein Bedarf an Redundanz.

2015 wurde von der Firma IDH-consult Ingenieurbüro Drägert & Harmeling GmbH eine Expertise zur Vernetzung der Leitstellen der Kreise Borken, Coesfeld und Steinfurt sowie der Einsatzzentrale Bocholt zur gegenseitigen Redundanz erstellt. Diese Expertise wurde im Herbst 2016 fertiggestellt.

Betrachtet wurden als mögliche Ausfallszenarien:

1.    Technischer Ausfall einer Leitstelle bspw. durch Wassereinbruch, Feuer etc.

2.    Geplanter organisatorischer Ausfall einer Leitstelle bspw. Im Zuge einen Evakuierung durch Bombenfund

3.    Ungeplanter organisatorischer Ausfall einer Leitstelle bspw. Räumung durch Feuer

Untersucht wurden als Handlungsalternativen:

1.    Vernetzte Leitstellen: Die Draht-/Funkabfragesysteme werden technisch nicht miteinander vernetzt. Hier wird vom jeweiligen Einsatzleitsystem ein Replikationsserver mit Datensynchronisation in einem Redundanzstandort integriert.

2.    Errichtung Virtueller Leitstellen: Die Draht-/Funkabfragesysteme werden technisch miteinander vernetzt. Die jeweiligen Einsatzleitsysteme werden auf ein gemeinsames System migriert. D.h. alle Einsatzleitsystemarbeitsplätze arbeiten auf einem aktiven Serversystem; in den anderen Standorten läuft ein passives Serversystem mit Datensynchronisation zum aktiven Serversystem.

3.    Errichtung Virtueller Leitstellen im Regionalverbund: Identisch zu 2. Variante, jedoch erfolgt die Migration nach dem Systemkonzept „Regionalverbund“ des Herstellers CKS Systeme. Das beinhaltet, dass alle Serversysteme in den Kreisleitstellen im aktiven Betrieb sind und automatisch die relevanten Daten nach einem technischen Regelwerk synchronisieren.

Die drei Handlungsalternativen wurden mit Blick auf die möglichen Ausfallszenarien für folgende unterschiedliche Konstellationen betrachtet:

a)    Vernetzung der Kreisleitstellen Borken, Coesfeld und Steinfurt. Die Einsatzzentrale Bocholt ist hierbei an der Kreisleitstelle Borken angebunden.

b)    Vernetzung der Kreisleitstelle Borken und der Leitstelle Bocholt sowie Vernetzung der Kreisleitstellen Coesfeld und Steinfurt.

Betrachtet und wurden die Kriterien:

1.    Dauer für eine technische Umsetzung / Realisierung des Redundanzkonzeptes

2.    Notwendiges Investitionsvolumen

3.    Schulungsaufwände für das Personal

4.    Zeitdauer bis zur möglichen Übernahme des Leitstellenbetriebes bei Ausfall einer Leitstelle. Die drei unterschiedlichen Ausfallszenarien wurden dabei getrennt betrachtet

5.    Grad der interkommunale Zusammenarbeit

6.    Ergänzendem Nebenkriterien wie Potenzial für sogenannten „Grenzbereichsbetrachtungen“, d.h. Bearbeitung von Notrufen per Handy aus dem Nachbarkreis (Basisstation eigener Kreis)

Die Kriterien wurden für die unterschiedlichen Konstellationen und Handlungsalternativen in eine Entscheidungsmatrix gebracht.

Die Expertise trifft für die Leitstelle des Kreises Borken sowie für die Einsatzzentrale Bocholt, auch vor dem Hintergrund der bereits getätigten Investitionen in die Leitstellentechnik, die eindeutige Empfehlung zum Aufbau einer gemeinsamen virtuellen Leitstelle. Da der Regionalverbund gegenüber der empfohlenen Alternative eine etwas höhere Ausfallsicherheit im Bereich des Einsatzleitsystems beinhaltet, wird zudem empfohlen im Falle des Zustandekommens und Etablierung eines Regionalverbundes der Leitstellen der Kreise Coesfeld und Steinfurt, sich in diesen später zusätzlich zu integrieren.

Das Gutachten betrachtet und bewertet vorrangig die technische Machbarkeit der Redundanz-Varianten. Die organisatorischen, finanziellen und auch politischen Aspekte der Redundanz-Varianten unterstreichen die Empfehlung des Gutachters und lassen die Zusammenarbeit mit der Einsatzzentrale als „gesetzt“ erscheinen.

Für die Zusammenarbeit mit der Einsatzzentrale in Bocholt sprechen weiterhin:

-          Das benötigte Investitionsvolumen für die Realisierung der empfohlenen Variante unterscheidet sich insbesondere für den Kreis Borken erheblich von der Alternativ-Lösung „Regionalverbund“

-          Einheitliche Alarm- und Ausrückeordnung (besonders wichtig: Stichwörter)

-          Einheitliche Philosophie und Ablauf in der Einsatzbearbeitung (beim Tagesgeschäft und auch in Sonderlagen)

-          Einheitliche Rahmenbedingungen (z.B. Rufkreise, Funkskizzen) im Funkverkehr durch die gemeinsame / einheitliche TTB (technisch taktische Betriebsstelle)

-          Einheitliche Schreibweise beschleunigen z.B. das Lokalisieren von Ortsangaben (unterschiedliche Schreibweisen Straße, Str. Strasse ergeben im Leitstellensystem unterschiedliche Treffer)

-          Örtliche Nähe des Krisenstabes und der Einsatzleitung

-          Das Handling mit dem gewohnten System wirkt insbesondere in angespannten Krisenlagen psychologisch positiv und unterstützt die Qualität bei der Einsatzbearbeitung

-          Ständiger Austausch von Kollegen mit der jeweils anderen Organisation und gemeinsame Arbeitskreise zu Gewährleistung einer einheitlichen Arbeitsweise

Um die Umsetzung der Empfehlungen zu ermöglichen, wurde in den vergangenen Jahren mit der Stadt Bocholt sowie den beiden Kreisen Steinfurt und Coesfeld Investitionen in neue Technik jeweils abgestimmt getätigt. Die Kernkomponenten des Leitstellensystems (Draht- und Funkabfragesystem (DFS) sowie das Einsatzleitsystem (ELS) mit dem Schwerpunkt Disposition sind identisch geblieben.

Der Kreis Borken benötigt, um die Redundanz für die Einsatzzentrale in Bocholt vollständig übernehmen zu können, derzeit keine zusätzlichen Investitionen. Die bereits jetzt vorhandenen Überlaufplätze, die z.B. bei Unwetterlagen (Stürme wie Kyrill, Fredericke, Hochwasser) besetzt werden, entsprechen zwar keinem vollausgestattetem Arbeitsplatz, reichen für eine Redundanz der Einsatzzentrale aber vorübergehend aus. Die dv-technische Vollausstattung für den Redundanzfall wird beim Leitstellenneubau im Ergänzungsgebäude berücksichtigt.

Damit die Einsatzzentrale Bocholt die Aufgaben der Leitstelle des Kreises Borken übernehmen könnte, wären noch folgende Investitionen notwendig:

a)    Möblierung incl. Technik für 4 voll ausgestatte Notrufabfrageplätze

b)    Lizenzen für 4 zusätzliche User

c)    Erweiterung der Telefonanlage

d)    Zentrale Komponenten (IT-Vernetzung, Firewall)

Nach den Kostenschätzungen des Beratungsunternehmens ist hierfür mit einem Investitionsaufwand von ca. 160.000 Euro zu rechnen (Grundlage 2015, Preissteigerungen und Veränderungen sind nicht berücksichtigt)).

Während der Kreis Borken die Ausstattung für den Redundanzfall auch für besondere Lagen benötigt und nutzen kann, ist dies in Bocholt größenbedingt so nicht gegeben. Hier müssen die bezifferten Investitionen ausschließlich für die Redundanz der Leitstelle des Kreises getätigt werden. Aus diesem Grunde ist eine Kostenbeteiligung des Kreises vorgesehen.

Bevor die Stadt Bocholt bzw. der Kreis Borken Investitionen tätigt, welche überwiegend bzw. ausschließlich für die Leistellenredundanz der anderen Verwaltung notwendig ist, ist eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kreis Borken und der Stadt Bocholt zur gegenseitigen Realisierung der Ausfallsicherheit der Leitstelle als rechtliche Absicherung erforderlich.

Die politischen Gremien werden bezüglich der Kooperationsvereinbarung und der Investitionen rechtzeitig informiert und beteiligt.