Der Jugendhilfeausschuss nimmt
den Zwischenbericht zur Umsetzung der Maßnahme zur Erfassung und
Weiterentwicklung bestehender Handlungsansätze zum Schutz vor sexualisierter
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zur Kenntnis.
Rechtsgrundlage:
§ 1 Abs. 3 Punkt 3 SGB VIII Recht auf Erziehung,
Elternverantwortung, Jugendhilfe
Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)
JHA Beschluss vom 04.02.2020
Sachdarstellung:
1.
Ausgangslage
Mit Verabschiedung des Maßnahmenprogrammes
2020 beauftragte der JHA die Verwaltung des Jugendamtes damit, die bestehenden
Handlungsansätze zum Schutz vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und
Jugendliche zu erfassen sowie resultierend daraus, aufzuzeigen, welche
Maßnahmen zur Weiterentwicklung der bestehenden Handlungsansätze und -strukturen als erforderlich
angesehen werden.
2.
Methodisches
Vorgehen
Zur Bearbeitung
der Maßnahme wurde eine kleine Arbeitsgruppe gebildet, der jeweils 2
Vertreter*innen aus den Arbeitsgemeinschaften „Tagesbetreuung“, „Jugendarbeit“
und „Hilfen für junge Menschen und Familien“ angehören. Weiterhin gehören eine
Vertreterin des Fachbereichs Jugend und Familie sowie der Geschäftsführer des
Kreisdekanats Borken der Arbeitsgruppe an.
Die Leitung der Arbeitsgruppe nimmt die Jugendhilfeplanerin des Kreises
wahr.
In einem ersten
Schritt wurde erarbeitet, welche Informationen erforderlich sind, um die
bestehenden Handlungsansätze in den verschiedenen Leistungsfeldern der
Jugendhilfe zu erfassen. D.h. es wurden bereichsbezogene als auch bereichsübergreifende
Fragestellungen erarbeitet.
Anschließend
wurden diese dann in allen 3 Arbeitsgemeinschaften bearbeitet. Diese
Fragestellungen berücksichtigten die spezifischen Voraussetzungen, die in den
jeweiligen Tätigkeitsfeldern zu beachten sind wie z.B. das Alter der
Zielgruppe, die strukturellen Rahmenbedingungen des Handlungsfeldes wie die
räumlichen Gegebenheiten, die personelle Besetzung u.a.m. Darüber hinaus war es
auch von Interesse, die trägerbezogenen Maßnahmen zur Erhöhung des Schutzes von
jungen Menschen in den Blick zu nehmen.
In den Sitzungen
der Arbeitsgemeinschaften zur Jugendhilfeplanung wurden die Fragen erörtert,
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Handlungsansätzen ermittelt sowie
weitere Fragen, die sich den Fachkräften stellen und Unterstützungsbedarfe
formuliert.
Die Ergebnisse der
Beratungen wurden wieder in die kleine Arbeitsgruppe zurückgekoppelt.
3. Präventionsrelevante Aspekte in den verschiedenen
Handlungsfeldern
In jedem
Handlungsfeld der Jugendhilfe gilt es mit Blick auf die Entwicklung und
Vorhaltung von Präventionsansätzen spezifische Besonderheiten zu beachten.
Diese beziehen sich sowohl auf die Besonderheiten der Zielgruppe, die
räumlich-sächlichen Voraussetzungen, die Rahmenbedingungen unter denen das
Angebot vorgehalten wird als auch auf die personelle Ausstattung.
Zu benennen sind folgende Aspekte, die in
den Präventionsansätzen zu berücksichtigen sind:
·
Alter
und Entwicklungsstand des Kindes/Jugendlichen und damit einhergehend
unterschiedliche Fähigkeiten des jungen Menschen sich mitzuteilen
·
Entwicklungsstand
des Kindes/Jugendlichen und damit einhergehende Ausdrucksformen und Entwicklung
der Sexualität (kindliche Sexualität, Jugendsexualität)
·
Häufigkeit
der Kontakte der haupt-/ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen zu den
Kindern/Jugendlichen (z.B. tägliche vs. sporadische Kontakte)
·
Zugangs-/Kontaktmöglichkeiten
zu Eltern
·
Personalausstattung
in den Einrichtungen und Diensten (z.B. Mitarbeiter*innen, die alleine oder
temporär alleine in Einrichtungen/Diensten arbeiten)
·
Machtstrukturen,
die Abhängigkeiten zwischen Erwachsenen und jungen Menschen beinhalten
·
Körperliche
Nähe (z.B. beim Sport, in Ferienfreizeiten, in stationären Einrichtungen der
Erziehungshilfe)
4.
Zentrale
Fragestellungen
Für den Leistungsbereich der „Tagesbetreuung
von Kindern“ (AG I) waren
insbesondere folgende Fragestellungen von Relevanz:
·
Wie
sehen die trägerbezogenen Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt aus?
·
Wer
verfügt über ein sexualpädagogisches Konzept?
·
Wie
und von wem werden vereinbarte Ansätze/Konzepte überprüft und weiterentwickelt?
·
Welche
Aufgaben übernehmen die Fachberatungen im Zuge des Krisenmanagements?
Für den Leistungsbereich der „Jugendarbeit“ (AG II) war eine separate Betrachtung der Bedingungen von offener
und verbandlicher Jugendarbeit erforderlich. Beide Bereiche unterscheiden sich
hinsichtlich der strukturellen Rahmenbedingungen sehr voneinander. So ist die
Jugendarbeit in Verbänden und Vereinen geprägt vom Einsatz ehrenamtlicher
Mitarbeiter*innen, während in der offenen Kinder- und Jugendarbeit
hauptamtliche Personalstrukturen zu verzeichnen sind. Als relevante
Fragestellungen wurden ermittelt:
·
Welche
präventiven Angebote werden von den Jugendwerken als Träger der Offenen Kinder-
und Jugendarbeit vorgehalten?
·
Wie
werden die Auflagen überprüft? Wer ist dafür verantwortlich?
·
Wie
sehen die präventiven Ansätze in den Jugendvereinen und -verbänden aus?
(Katholische und
Evangelische Jugend, Jugendrotkreuz, Sportjugend, Naturschutzjugend,
Musikerjugend…)
·
Wie
überprüfen die örtlichen Jugendvereine und –verbände, ob Auflagen / Absprachen,
die zur Prävention von sexuellem Missbrauch vereinbart wurden auch eingehalten
werden? Wer ist dafür verantwortlich?
Bezogen auf den Leistungsbereich „Hilfen für junge Menschen und Familien in
Belastungs-, Krisen- und Notsituationen“ (AG III) wurden insbesondere
folgende Fragen erörtert:
·
Welche
Träger von ambulanten/stationären Hilfen und/oder von Jugendsozialarbeit
verfügen über eigene Konzepte zur Prävention von sexuellem Missbrauch?
·
Welche
Träger von stationären Einrichtungen haben spezialisierte Kompetenzen im Umgang
mit Kindern/Jugendlichen, die sexuell missbraucht wurden?
·
Welche
Beratung wird von wem in stationären Einrichtungen vorgehalten?
·
Welche
Träger halten im Bereich „Sexualpädagogik“ eigene Angebote vor?
·
Welche
Träger von Beratungsdiensten halten Angebote vor, die sowohl von Eltern als
auch von Fachkräften (auch aus den
Bereichen außerhalb von Erziehungshilfen wie Tagesbetreuung, Jugendarbeit) in
Anspruch genommen werden können?
5.
Vorläufige
Ergebnisse
Tagesbetreuung von
Kindern
Die Träger der Tageseinrichtungen sind fachlich sehr unterschiedlich
aufgestellt. Es ist ein breites Spektrum unterschiedlicher Präventionsmaßnahmen
(Erarbeitung von Institutionellen Schutzkonzepten, Fortbildungen,
Sexualpädagogische Konzepte…) zu verzeichnen.
Während einige Träger schon Schutzkonzepte erarbeitet haben, befinden
sich andere Träger noch in der Bearbeitungsphase und verfügen noch nicht über
ein eigenes Schutzkonzept.
Dachverbände haben in der Regel ein übergeordnetes Konzept (z.B. Kath.
Kirche, Evangeli-sche Kirche, AWO, DRK) deren Umsetzung bzw. Konkretisierung
für alle dem Dachverband zugehörigen Träger verbindlich ist.
Bei den Elterninitiativen, die dem DPWV als Dachverband angeschlossen
sind, wird vom Dachverband auf Ortsebene Beratung und Fortbildung angeboten.
Der Dachverband kann den örtlichen Trägern allerdings keine Vorgaben machen.
Die Frage danach, wie eine Überprüfung der Konzepte aussieht und
erfolgt, konnte von kei-nem Träger beantwortet werden.
Die Aufgaben der Fachberatungen im Kontext der Entwicklung und
Unterstützung von Prä-ventionsmaßnahmen variiert sehr stark.
Jugendarbeit
Bezogen auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) ist
festzustellen, dass einzelne Träger über Schutzkonzepte verfügen.
Präventionsschulungen werden von den Trägern durchgeführt.
Die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, die bei einem Jugendwerk beschäftigt
sind, nehmen - sofern die katholische Kirche Mitglied des Jugendwerkes ist – an
den Präventionsschulungen des Bistums für Mitarbeiter*innen der Offenen Kinder-
und Jugendarbeit teil.
Einzelne Einrichtungen bieten sexualpädagogische Angebote für
Kinder/Jugendliche an. Dazu zählen auch Medienprojekte, die in Kooperation mit
Schulen durchgeführt werden und Kinder /Jugendliche vor sexualisierter Gewalt
ausgehend von den digitalen Medien schützen sollen.
Als Problem wird es von hauptamtlichen Mitarbeiter*innen in der offen
Kinder- und Jugend-arbeit angesehen, dass die Mitarbeiter*innen oftmals allein
ohne Kolleg*innen arbeiten und dass sie vielerorts auch aufgrund der räumlichen
Bedingungen nicht alles sehen und beobachten
können. Letzteres bezog sich auch darauf, dass die sexuellen Übergriffe
unter Gleichaltrigen ebenfalls als Themenfeld im Kontext der Prävention
sexualisierter Gewalt benannt wurden.
Aufgeworfen wurde in der AG II auch die Frage, wie sich
Mitarbeiter*innen, die allein in der Einrichtung arbeiten, selber vor möglichen
sexuellen Übergriffen und/oder falschen Anschul-digen schützen können.
In den Jugendverbänden sind oftmals auf Ebene der Dachverbände
Schutzkonzepte vorhan-den (z.B.: Sportjugend NRW, Jugendrotkreuz
Westfalen-Lippe, Diözesanverbände im Bistum Münster, Evangelische Jugend im
Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken).
Analog der für einzelne Dachverbände im Bereich der Tageseinrichtungen
für Kinder zu ver-zeichnenden Rahmenbedingungen, können auch die Dachverbände
der Jugendverbände die Ortsverbände nicht zur Einhaltung der Konzepte
verpflichten.
Vor Ort oder auf Kreisebene verfügen Vereine und Verbände teils über
Standards bei der Ausbildung von Gruppenleiter*innen/Übungsleiter*innen.
Selbstverpflichtungserklärungen, Ehrenkodizes und Handreichungen sind weitere
Ansätze zur Stärkung der Prävention.
Die Sicherstellung der Weitergabe vereinbarter Standards, wenn es zu
Personalwechseln kommt, wurde ebenfalls als bedeutsam für die Prävention
angesehen.
Hilfen für junge
Menschen und Familien in Belastungs-, Krisen- und Notsituationen
Auch bei den Trägern von ambulanten und stationären Hilfen, von
Beratungsangeboten sowie von Angeboten der Jugendsozialarbeit ist ein sehr
heterogenes Bild bezüglich der vorhandenen Präventionsansätze zu verzeichnen.
So gibt es Träger, die bereits über individuelle Schutzkonzepte speziell
bezogen auf ihre Hilfe (z.B. stationäre Einrichtung) verfügen, die eigene
Schutzbeauftragte benannt haben und Träger, die sich noch in der
Erarbeitungsphase eines Schutzkonzeptes befinden.
Fortbildungen zum Thema „Umgang mit von sexualisierter Gewalt
betroffenen Kin-dern/Jugendlichen “ werden i.d.R. von allen Trägern angeboten.
Sexualpädagogische Angebote werden von einigen Trägern vorgehalten.
Da Mitarbeiter*innen von Diensten und Einrichtungen der Erziehungshilfe
oftmals mit trau-matisierten Kindern arbeiten, verfügen etliche Träger auch
über Mitarbeiter*innen mit spezifi-schen Qualifikationen. (z.B.
Traumatherapeutische Ausbildung)
Die Bedeutung der Erörterung von Beobachtungen/Verdachtsmomenten im Team
wurde als ein wesentlicher Aspekt angesehen, um frühzeitig Gefährdungen zu
erkennen.
Neben der Organisation von Schutzmaßnahmen wurde die Förderung einer
reflektierten Hal-tung der Mitarbeiter*innen zum Umgang mit der Thematik als
erforderlich angesehen.
6.
Weiteres Vorgehen
Die bisherige fachliche Erörterung des
Themas in allen drei Planungsbereichen hat gezeigt, dass der Fokus der
Träger/Fachkräfte auf die Wahrnehmung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung
(§ 8a SGB VIII) gerichtet ist. Hier gibt es verbindliche gesetzliche Vorgaben
zu den von freien Trägern als auch vom öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu
veranlassenden Maßnahmen.
So erfolgte in den
Erörterungen in allen drei Arbeitsgemeinschaften immer wieder ein Wechsel vom
Thema „Prävention“ hin zum Thema „Umgang mit einer vermuteten
Kindeswohlgefährdung“. Dies zeigte, dass das Thema „Prävention“ von vielen
Trägern noch nicht bzw. noch nicht umfassend in den Blick genommen wird, da die
qualifizierte Sicherstellung der mit dem Schutzauftrag verbundenen Aufgaben
nach wie vor Priorität besitzt. Die Entwicklung von Konzepten,
Qualitätsstandards und internen Leitfäden/Verfahrensabläufen bezogen auf die Intervention bei (vermuteter) oder beobachteter sexualisierter Gewalt bildet bei
den meisten Trägern den Schwerpunkt der Aufgabenwahrnehmung im Rahmen des
Kinderschutzes. Die Entwicklung von Konzepten und Qualitätsstandards bezogen
auf die Prävention von sexualisierter
Gewalt nimmt demgegenüber bei den meisten Trägern eine nachrangige Stellung
ein bzw. befindet sich noch in den Anfängen.
Deutlich wurde
auch, dass bezogen auf die explizite Einschätzung von Gefährdungen junger
Menschen durch die Ausübung sexualisierter Gewalt große Unsicherheiten bei den
Fachkräften zu verzeichnen sind und von diesen auch Qualifizierungsbedarfe
formuliert wurden.
Die
Auseinandersetzung mit und die Entwicklung von Maßnahmen/Strukturen zur
Erhöhung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt stellt sich deshalb als eine
Aufgabe, die in den nächsten Jahren verstärkt anzugehen ist.
Perspektivisch bedarf es aus
jugendhilfeplanerischer Sicht vor allem folgender Maßnahmen:
·
Entwicklung
und Implementierung von (institutionellen) Schutzkonzepten bei allen Trägern
·
Benennung
der wesentlichen sowie der verpflichtend in ein Schutzkonzept aufzunehmenden
Aspekte auf der strukturellen Ebene als auch bezogen auf das pädagogische
Handeln
·
Verbindliche
Verankerung und Überprüfung vorhandener Schutzmaßnahmen und
–konzepte der Dachverbände auch auf Ortsebene
·
Sicherstellung
niedrigschwelliger Zugänge zu Beratungsmöglichkeiten für junge Menschen,
Personensorgeberechtigte und Fachkräfte
·
Überprüfung
der vorhandenen sexualpädagogischen Ansätze (Trägerebene und Einrichtungsebene)
·
(Weiter-)entwicklung
sexualpädagogischer Konzepte und Ansätze
·
Qualifizierung
der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen.