Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen v. 02.09.2021
1. Der
Kreis Borken bekennt sich zu seiner Verantwortung, Menschen zu helfen, die
durch Krieg, Verfolgung und andere Notlagen ihre Heimat verlassen haben und in
Deutschland Zuflucht suchen. Er unterstützt daher die überparteiliche
Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“ und erklärt sich selbst zum
„Sicheren Hafen“.
2. Der Kreis Borken erklärt sich dazu bereit, zusätzlich zu den bisherigen Zusagen des Bundes, Menschen aufzunehmen und teilt dies den zuständigen Behörden auf Bundes- und Landesebene mit. Vor allem besonders schutzbedürftige Menschen, beispielsweise unbegleitete Kinder, Schwangere, alleinreisende Frauen, Alleinerziehende, Kranke und schwer Traumatisierte brauchen besonders unsere Hilfe und Unterstützung.
3. Der Kreis Borken als kommunaler Jugendhilfeträger setzt sich insbesondere für geflüchtete minderjährige Kinder und Jugendliche ein. Er fordert das Land Nordrhein-Westfalen und das Innenministerium der Bundesrepublik Deutschland auf, die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen kurzfristig zu sichern, damit Kinder und Jugendliche im Rahmen einer Kontingentlösung aufgenommen werden können. Der Kreis Borken ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um insbesondere Kinder und Jugendliche aus den griechischen Flüchtlingslagern, insbesondere vom Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, eine menschen-würdige Betreuung und Förderung zu gewährleisten.
4. Der Kreis Borken appelliert an die Bundesregierung, sich nachdrücklich und verstärkt für die Bekämpfung der Fluchtursachen sowie für die Rettung von schutzsuchenden Menschen einzusetzen. Zudem fordert der Kreis Borken die Bundesregierung dazu auf, unverzügliche Hilfe zu leisten und dafür zu sorgen, dass jenseits der Konsensfindung auf europäischer Ebene Menschen aus griechischen Lagern nach Deutschland evakuiert werden.
Sachdarstellung:
In Afghanistan entwickelt sich eine humanitäre und menschliche Tragödie.
Ortskräfte, die vor den Übergriffen der Taliban flüchten müssen, müssen wir in
Deutschland eine Perspektive bieten. Nach der Machtübernahme der Taliban werden
aktuell Menschen aus Afghanistan ausgeflogen. Darunter sind auch viele
sogenannte Ortskräfte. Die
Ortshelfer*innen in Afghanistan haben sich seit 2001 solidarisch gezeigt mit
ihrer Unterstützung der deutschen Sicherheitskräfte. Nun ist es
selbstverständlich, dass wir uns mit ihnen solidarisch zeigen und ihnen
unbürokratisch unsere Hilfe anbieten. Im Münsterland ist hier die Stadt Münster
mutig vorangegangen und hat ihre klare Bereitschaft signalisiert, zusätzliche
afghanische Ortskräfte aufzunehmen, die der Notsituation in ihrem Heimatland
entkommen können. Auch der Kreis Borken muss ihnen eine Perspektive bieten und
seine klare Bereitschaft erklären, zusätzliche afghanische Ortskräfte
aufzunehmen, die der Notsituation in ihrem Heimatland entkommen können.
Neben der Situation in Afghanistan erreichen uns seit Jahren immer
wieder Berichte von Flüchtlingen, die bei dem Versuch, an die Küsten Europas zu
gelangen, auf dem Mittelmeer ihr nasses Grab finden. Der größtenteils privat
organisierten Seenotrettung wird - trotz zehntausender Ertrunkener – zynisch
unterstellt, sie betreibe das Geschäft krimineller Schleuser. Obwohl die
Seenotrettung ein unbestrittenes Gebot der Schifffahrt darstellt, wird dieses,
weil es sich bei den zu Rettenden um Flüchtlinge handelt, infrage gestellt.
Humanität und Solidarität sind in Zeiten von Corona oft benutzte
Begriffe. Wir sind solidarisch mit den Menschen aus Risikogruppen und gehen
beispielsweise für sie einkaufen. Wir sind froh, dass wir „Glück gehabt“ haben
in der Corona-Krise bzw. den Infektionswellen und würden uns dafür gerne auf
die Schulter klopfen – lassen es zugunsten der Einhaltung der Hygieneregeln
aber lieber. Was bedeuten aber „Glück haben“, Solidarität und Humanität für uns
in Bezug auf Menschen, die auf der Flucht sind; 20.000 Menschen, die an den
europäischen Außengrenzen in Flüchtlingslagern leben, die eigentlich nur für
3.000 Menschen Platz bieten? Diese Menschen haben einen Wasserhahn pro 1.000
Bewohner*innen. Sie haben keine Möglichkeit, Social Distancing und
Abstandsregel einzuhalten.
Auch die Lage an der griechisch-türkischen Grenze bleibt
angespannt. Auf der türkischen Seite im
Grenzgebiet harren derzeit mehr als 10.000 Menschen unter elenden Zuständen
aus. In den griechischen Flüchtlingslagern, insbesondere im Flüchtlingslager
Moria auf der Insel Lesbos, ist die Lage schlicht katastrophal und
menschenunwürdig. Es fehlt insbesondere an medizinischer Hilfe und hygienischer
Grundversorgung. Das von Europa im März zugesagte Kontingent 1600 minderjährige
und unbegleitete Flüchtlinge aus Griechenland zu evakuieren ist von einer
Umsetzung weit entfernt.
Mehr als 5.000 Menschen sind seit 2018 auf der Flucht im Mittelmeer
ertrunken. Die Dunkelziffer ist nach Berichten neutraler Beobachter wohl noch
deutlich höher. Die zivilgesellschaftliche parteiunabhängige Initiative
SEEBRÜCKE protestiert bereits seit langem gegen das Sterben von Menschen im
Mittelmeer und der Kriminalisierung von Seenotrettern. Seit der Gründung der
SEEBRÜCKE im Juli 2018 haben sich aktuell 267 Städte, Gemeinden und Kreise zu
„Sicheren Häfen“ erklärt. Sie stellen sich gegen die Abschottungspolitik
Europas und leisten selbst einen Beitrag, um mehr Menschen ein sicheres
Ankommen zu ermöglichen.
Angesichts der weltweiten Corona-Pandemie begreifen wir es als unsere
humanitäre Pflicht, die sich zuspitzende Katastrophe in den griechischen
Flüchtlingslagern abzuwenden. Ein Virus unterscheidet nicht nach Hautfarbe,
Religion oder Geschlecht. Die Corona-Pandemie macht deutlich, dass wir Menschen
alle auf die gleiche Weise verletzlich sind – und doch entscheiden die
Lebensumstände über unsere Gefährdung. Auf der griechischen Insel Lesbos sind
die Menschen der Pandemie schutzlos aus-geliefert. Schutzmaßnahmen, die auf dem
europäischen Festland getroffen werden, sind dort schlicht unmöglich.
Immer noch weigern sich eine große Anzahl europäischer Länder, aus
Seenot gerettete Menschen aufzunehmen. Schon das Einlaufen in einen Hafen ist
stets mit großen Konflikten verbunden. Solange kaum an den Fluchtursachen
gearbeitet wird, kann es keine Lösung für diese Problematik geben. Seit der
Gründung im Juni 2018 haben sich 267 Kommunen mit der SEEBRÜCKE solidarisch
erklärt. Wir wollen daher, dass sich auch der Kreis Borken bereiterklärt, eine bestimmte
Anzahl von Flüchtlingen über den „Königsteiner Schlüssel" hinaus
aufzunehmen. Die menschliche Katastrophe in Afghanistan wie auch im Mittelmeer
darf nicht weitergehen.
Hier dürfen wir nicht tatenlos zusehen!
Diese Entwicklung widerspricht grundsätzlich den Werten unseres
Zusammenlebens in der europäischen Gemeinschaft, welche von Menschlichkeit und
Unterstützung geprägt sein sollte. Dieser Antrag soll daher auch ein deutliches
Signal für eine humanitäre Flüchtlingspolitik setzen. Über die Erklärung eines
Beitritts zum Bündnis Sichere Häfen sollen auch konkrete Maßnahmen ergriffen
werden. Mit der Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlingslagern und
insbesondere von der Insel Lesbos soll Menschen praktisch geholfen, die
europäische Partnerschaft unterstrichen sowie die europäische Idee von
Mitmenschlichkeit und Solidarität sichtbar verwirklicht werden. Denn humanitäre
und christliche Werte, das Völkerrecht, Seerecht und das Grundgesetz
Bundesrepublik sagen eines: Es darf keine Abschreckung mit Todesfolgen geben!
Menschen, deren Leben bedroht ist, müssen gerettet werden!
Mit freundlichen Grüßen
Jens Steiner
Daniela Kersting
Daniel Leuders
Monika Logermann