Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration nimmt die
Ausführungen zur zweiten Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung für den Kreis
Borken zur Kenntnis.
Rechtsgrundlage:
§ 7 Alten- und Pflegegesetz NRW (APG NRW)
Sachdarstellung:
Zweite Fortschreibung der
Pflegebedarfsplanung 2021
a) Hintergrund
Nach § 7 des Alten- und Pflegegesetzes NRW (APG NRW) sind die Kreise und
kreisfreien Städte verpflichtet, regelmäßig eine Bestandsaufnahme der
pflegerischen Angebotsstruktur vorzunehmen und künftige örtliche Bedarfe
festzustellen.
Dieser Verpflichtung kam der Kreis Borken erstmalig im Jahr 2015 nach.
Der Kreistag beschloss die erste Pflegebedarfsplanung für den Kreis Borken am
10.12.2015 und erklärte sie für nicht verbindlich. Bei einer nicht
verbindlichen Planung ist die Pflegebedarfsplanung alle zwei Jahre zu
aktualisieren. Die erste Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung wurde dem
Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Kreises Borken im Entwurf im
November 2017 vorgestellt. Anschließend erfolgte ein umfangreicher
Beteiligungsprozess, in den die Verwaltung und die Politik in den Städten und
Gemeinden, in der Pflege tätige Institutionen im Kreis Borken, die Kommunale Konferenz
Alter und Pflege sowie die Nachbarkreise eingebunden wurden. Am 11.10.2018
beschloss der Kreistag die erste Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung 2017
einschließlich der aus dem Beteiligungsprozess entwickelten
Handlungsempfehlungen als nicht verbindliche Planung.
Ursprünglich war die zweite Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung für
das Jahr 2020 geplant. Die dafür vorgesehene Beteiligung verschiedener
Akteurinnen und Akteure konnte aufgrund der Corona-Pandemie jedoch nicht
erfolgen. Aus diesem Grund wurde entschieden, die zweite Fortschreibung der
Pflegebedarfsplanung auf das Jahr 2021 zu verschieben und im Jahr 2020 einen
weiteren Update-Bericht zu erstellen.
Für die zweite Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung wurden das
Grundgerüst und der Inhalt der bisherigen Planungen im Wesentlichen
beibehalten, fortgeschrieben und angepasst. Auf Sozialraumebene werden kurz-
und mittelfristige Bedarfe betrachtet, damit die Städte und Gemeinden
frühzeitig wissen, wo und in welchem Umfang mittelfristig ein Bedarf an
vollstationären Plätzen und an Plätzen in ambulanten Wohngemeinschaften
entstehen wird. So fällt es ihnen leichter, auf Investorenanfragen zu reagieren
und rechtzeitig für ihre Stadt oder Gemeinde zu planen. Auf Kreisebene wird
zusätzlich auch der langfristige Bedarf untersucht. Neben den Bestandsdaten und dem Platzbedarf werden der Bedarf an
Pflegekräften sowie die Umsetzung der Handlungsempfehlungen erläutert.
Für die zweite Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung wurden die in
2015 durch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI)
aus Essen festgelegten Parameter der fünf verschiedenen Szenarien zur
Berechnung der Anzahl der Pflegebedürftigen in den verschiedenen
Versorgungsformen wissenschaftlich evaluiert. Für die Evaluation wurde erneut
das RWI beauftragt. Im Ergebnis wurden geringe Anpassungen der bisherigen
Parameter vorgenommen.
Grundlage der Pflegebedarfsplanung bilden hauptsächlich die Daten aus
der Pflegestatistik 2019 sowie die aktuellsten Daten zum Bevölkerungsstand der
Städte und Gemeinden des Kreises Borken, die Gemeindemodellrechnungen für
2021-2050 auf kommunaler Ebene sowie die Bevölkerungsvorausberechnungen für
2021-2050 für den Kreis Borken. Der Einbezug der Daten der Pflegestatistik 2019
sowie der aktuellen Bevölkerungsprognosen hat zu deutlich abweichenden
Ergebnissen geführt.
b) Wesentliche Ergebnisse
der 2. Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung
Der Entwurf der 2. Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung wird allen
Ausschussmitgliedern mit den Sitzungsunterlagen zur Verfügung gestellt (vgl.
Anlagen). Die wesentlichen Ergebnisse werden in der Sitzung präsentiert.
Bedarfsanalyse für den Kreis Borken
Im Kreis Borken sind große Veränderungen der Altersstruktur der
Bevölkerung bis zum Jahr 2036 zu erwarten. Während im Jahr 2021 der Anteil der
Bevölkerung über 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung bei 19,5% liegt, wird für
2036 prognostiziert, dass 28,2% der Gesamtbevölkerung im Kreis Borken älter als
65 Jahre sind. Der Anteil der Bevölkerung über 80 Jahre steigt von 2021 bis
2036 von 6,2% auf 7,2%.
Die Veränderungen der Altersstruktur haben einen Anstieg der Anzahl der
Pflegebedürftigen zur Folge. Bis 2036 steigt die Anzahl der Pflegebedürftigen
um insgesamt 3.574 Personen an, von denen voraussichtlich 833 Personen
vollstationär und 152 Personen in ambulanten Wohngemeinschaften betreut werden.
Die aktuelle Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung zeigt, dass der
Kreis Borken bis 2024 insgesamt mit einem Überangebot von 335 Plätzen sehr gut
aufgestellt ist, wenn die geplanten Einrichtungen rechtzeitig fertiggestellt
werden. Bis 2029 werden kreisweit 88 und bis 2036 370 zusätzliche Plätze
benötigt. Zudem besteht kreisweit ein Bedarf an zusätzlichen solitären
Kurzzeitpflegeplätzen.
Bedarfsanalyse für die sechs Sozialräume
Betrachtet man die Bedarfe in den sechs Sozialräumen des Kreises Borken,
wird deutlich, dass große Unterschiede zwischen den einzelnen Sozialräumen
bestehen. Bedarfe für zusätzliche Pflegeplätze zeigen sich vermehrt im
Südkreis. Der Nordkreis ist deutlich besser aufgestellt.
Sowohl im Sozialraum Heek, Legden, Schöppingen als auch im Sozialraum
Gescher, Stadtlohn, Südlohn, Velen gibt es sowohl kurz- als auch mittelfristig
ein Überangebot an vollstationären Plätzen bzw. an Plätzen in ambulanten Wohngemeinschaften.
Kurzfristig ist auch die Versorgung im Sozialraum Ahaus, Vreden gesichert.
Mittelfristig bis 2029 besteht ein Bedarf von 18 zusätzlichen Plätzen. Im
Sozialraum Gronau besteht aktuell ein Bedarf von 20 zusätzlichen Plätzen, der
aber voraussichtlich bis 2024 durch die Fertigstellung der Pflegeeinrichtung
„Weiße Dame“ gedeckt werden kann. Mittelfristig bis 2029 gibt es in dem
Sozialraum weiterhin ein Überangebot von 15 Plätzen.
Der Bedarf von aktuell 23 zusätzlichen Plätzen im Sozialraum Borken,
Heiden, Raesfeld, Reken kann voraussichtlich durch die für 2022 geplante
Fertigstellung des „Altenheims Borken“ kurzfristig gedeckt werden.
Mittelfristig bis 2029 ergibt sich jedoch erneut ein Bedarf von 47 zusätzlichen
Plätzen in vollstationären Einrichtungen oder in ambulanten Wohngemeinschaften.
Im Sozialraum Bocholt, Isselburg, Rhede besteht sowohl kurz- als auch
mittelfristig ein hoher Bedarf an zusätzlichen Plätzen. Trotz der für 2024
geplanten Fertigstellung der Seniorenresidenz am Hammersengelände in Bocholt
werden im Jahr 2024 noch 28 zusätzliche Plätze und im Jahr 2029 bereits 140
zusätzliche Plätze benötigt. Weitere Pflegeeinrichtungen sind in diesem
Sozialraum daher dringend notwendig.
Personal in der Pflege im Kreis Borken
Mit der zusätzlichen Anzahl an Pflegebedürftigen und dem zusätzlichen
Bedarf an Plätzen steigt auch der Bedarf an Personal in der Pflege im Kreis
Borken. Bis zum Jahr 2036 werden insgesamt voraussichtlich 1.214 Kräfte in
Vollzeitäquivalenz – davon 487 Fachkräfte – benötigt. Diese Zahlen
berücksichtigen noch nicht den Ersatz für Arbeitskräfte, die den Pflegesektor
verlassen werden.
Die bereits ergriffenen Initiativen zur Fach- und Arbeitskräftesicherung
auf Landes- und Bundesebene werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen,
um den Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften kurz- und mittelfristig zu decken.
Das Ergreifen weiterer Maßnahmen scheint in jedem Fall unabdingbar zu sein, um
das Personal kurz-, mittel- und langfristig nicht zum limitierenden Faktor in
der Pflege werden zu lassen. Die Möglichkeiten der Kreisverwaltung Borken sind
jedoch begrenzt. Der Kreis Borken wird den Fach- und Arbeitskräftemangel im
Pflegesektor nicht lösen können.
c) Weiterer
Verfahrensablauf
Nach Vorstellung des Entwurfs der Pflegebedarfsplanung im Ausschuss für
Soziales, Gesundheit und Integration am 17.05.2022 haben alle Fraktionen die
Gelegenheit, den Bericht zu beraten.
Darüber hinaus ist geplant, den Entwurf der Pflegebedarfsplanung mit der
Möglichkeit zur Stellungnahme an die kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die
„AG Wohlfahrtsverbände“ und die Nachbarkreise zu versenden und ihn in den
Sozialausschüssen der Städte und Gemeinden sowie in der Kommunalen Konferenz
Alter und Pflege (KKAP) vorzustellen, um auch den dortigen Mitgliedern
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren im Kreis (Politik, Kommunen,
KKAP, Wohlfahrtsverbände etc.) sollen aus dem Entwurf der 2. Fortschreibung der
Pflegebedarfsplanung in den nächsten Monaten neue Handlungsempfehlungen
erarbeitet werden, bevor der Kreistag die 2. Fortschreibung der
Pflegebedarfsplanung für den Kreis Borken beschließt und dabei auch eine
Entscheidung hinsichtlich der Verbindlichkeit der Pflegebedarfsplanung trifft.
Entscheidungsalternative(n):
Nein
Finanzielle Auswirkungen:
Nein
Klimafolgenabschätzung:
Klimafolgen, die sich aus dem Beschluss ergeben, sind nicht
zu erwarten / sind nicht ersichtlich..