Betreff
Finanzierung der Schuldnerberatung im Kreis Borken - aktueller Sachstand
Vorlage
0039/2023/KREIS
Art
Beschlussvorlage

(1)  Die Fördersumme 2022 wird auch für das Jahr 2023 übernommen.

(2)    Es wird eine Tarifsteigerung in Höhe von 3,5 % berücksichtigt. Sobald eine Tarifsteigerung verbindlich feststeht, erfolgt eine entsprechende Anpassung.

(3)    Der Antrag der Träger der Schuldnerberatung, sich personell zur Bewältigung des aktuell hohen krisenbedingten Beratungsaufkommens zu verstärken, wird für das Haushaltsjahr 2023 dem Grunde nach befürwortet. Vorrangig soll eine Refinanzierung der dafür notwendigen Mittel unter Nutzung des „Stärkungspakts NRW“ erfolgen.

(4)    Die Verwaltung wird beauftragt, die dazu notwendige Abstimmung mit den Trägern der Schuldnerberatung herbeizuführen und die Thematik für die weitere politische Beratung aufzubereiten.


Rechtsgrundlage:

SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, § 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 und § 16a Nr.2

SGB XII - Sozialhilfe

 

Sachdarstellung:

 

1.       Ausgangslage

In der Sitzung vom 25.09.2018 hat der damalige Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit einer Anpassung der Systematik zur Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen im Kreis Borken ab 2019 einstimmig zugestimmt (vgl. Vorlage Nr. 0228/2018/KREIS).

Anlass für die Anpassung der Finanzierung war das Erfordernis, den kreisweiten Förderbedarf zu ermitteln und diesen bedarfsgerecht auf die einzelnen Beratungsträger/-regionen verteilen zu können. Die Eckpunkte der Finanzierungssystematik lassen sich wie folgt zusammenfassen:

(1)    Ermittlung der Fördersumme:

§  Grundlage war der für 2019 politisch beschlossene Förderbetrag von 310.000 €, der zu diesem Zeitpunkt von allen Beteiligten als auskömmlich bewertet wurde.

§  Künftig wird bei der Anpassung der Gesamtfördersumme und bei der Verteilung der Fördermittel auf die Träger die Verschuldungssituation einbezogen. Dazu wird die Anzahl der verschuldeten Personen im Kreis herangezogen (lt. SchuldnerAtlas - Creditreform).

§  Die Verteilung der Fördersumme auf die Beratungsträger erfolgt nach dem Anteil der verschuldeten Personen je Region.

(2)    Gültigkeit:

§  Die aktuelle Fördersumme sowie die kreisinterne Verteilung werden für drei Jahre festgeschrieben.

§  Es erfolgt eine jährliche Anpassung der Gesamtfördersumme innerhalb des Festschreibungszeitraumes bei Tarifsteigerungen im TVöD.

(3)    Beratungsträger:

§  Die Träger bewerkstelligen mit Hilfe des Zuschusses die Schuldnerberatung in ihrer Region. Eine Verpflichtung, Personal in einer fixen Größenordnung vorzuhalten, besteht nicht.

§  Die Träger weisen die Höhe der entstehenden Aufwendungen jährlich nach (Verwendungsnachweis). Der Eigenanteil des jeweiligen Trägers beträgt mindestens 10%.

§  Die Beratungsarbeit sowie die statistische Datenerfassung und -lieferung erfolgt auf Grundlage gemeinsam erarbeiteter Qualitätskriterien.

§  Es findet ein jährliches Austauschtreffen mit den Beratungsträgern statt zur Beurteilung der Entwicklung in der Schuldnerberatung, u.a. unter Beachtung der statistischen Auswertungen der Fallzahlen.

2.       Entwicklung und aktueller Sachstand

2.1     Verschuldungssituation im Münsterland

Eine Übersicht der Schuldnerquoten im Münsterland zeigt nachfolgende Entwicklung.

Staatliche Hilfsprogramme, pandemie-bedingte Einschränkungen der Konsummöglichkeiten sowie Konsumverzicht und Ausgabenvorsicht der Verbraucherinnen und Verbraucher hatten die Zahl der Überschuldungsfälle in Deutschland auf einen neuen Tiefstand gedrückt. Dies zeigte bereits der SchuldnerAtlas 2021.

2022 ist die Zahl überschuldeter Verbraucher in Deutschland nochmal um 270.000 Fälle zurückgegangen – im Münsterland um 6.600 Fälle. Die Überschuldungsquote sinkt damit in Deutschland erneut um fast einen halben Punkt auf 8,48 und für das Münsterland auf 7,01%. Damit liegt das Münsterland weiterhin deutlich unter den Werten für NRW und Deutschland.

Bewertung und Ausblick lt. „SchuldnerAtlas Münsterland 2022“ vom 15.11.2022:

Die vorliegenden positiven Überschuldungsdaten für die Jahre 2021/2022 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Gesellschaft auch aus der Perspektive der Überschuldungsforschung vor einer „Zeitenwende“ steht.

§  Nicht nur Deutschland sieht sich innerhalb kürzester Zeit mit zwei großen und historisch einmaligen Krisen konfrontiert: Der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In Verknüpfung führen beide zu einer dramatischen Belastung der finanziellen Möglichkeiten der deutschen Bevölkerung. So setzen galoppierende Energiepreise private Haushalte zunehmend unter finanziellen Druck, da sie die explodierenden Kosten für Heizen, Warmwasser und Strom (sowie Mobilität) kaum noch werden bezahlen können.

§  Zugleich ist der Anteil derjenigen Verbraucher in Deutschland, die regelmäßig etwas (an)sparen konnten, von 70 Prozent im Jahr 2020 auf mittlerweile nur noch 50 Prozent gesunken. Dabei gerät auch zunehmend die Mitte der Gesellschaft unter Druck.

§  Aber auch weitere Überschuldungsrisiken zeigen sich in Folge der Energiepreiskrise, die die finanziellen Handlungsspielräume der Verbraucher verkleinern: Banken und Sparkassen in Deutschland haben ihre Zinsen für Dispo und Überziehung angezogen und die Verbraucher nutzen wieder vermehrt Ratenkredite, die die Überschuldungsgefährdung der Nutzer deutlich ansteigen lässt.

Trotz des aktuell positiven Trends ist daher zu erwarten, dass die Überschuldungszahlen in den nächsten Monaten deutlich steigen werden.

2.2     Verschuldungssituation im Kreis Borken

Die Beratungsstellen melden dem Kreis quartalsweise statistische Daten zu den Beratungsfällen. Die Entwicklung stellt sich wie folgt dar:

Auf Grundlage der vorliegenden Daten ist in 2022 im Vergleich zum Jahresende 2021 ( insges. 1.267 lfd. Beratungsfälle) eine Steigerung von rd. 11% erkennbar.

3.       Förderung der Schuldnerberatungsstellen

Wie bereits unter Pkt. 1 dargelegt basiert die Finanzierungssystematik der Förderung auf der Verschuldungssituation. Die Verschuldungssituation ergibt sich aus dem jährlich erscheinenden SchuldnerAtlas der Creditreform. Steigende Schuldnerquoten führen damit zu einer Erhöhung der Förderung.

3.1     Förderung 2022 (vgl. Sitzungsvorlage 0278/2021/KREIS, Sitzung vom 09.09.2021)

In 2021 ist die Schuldnerquote im Kreis Borken gesunken. Dies hätte eigentlich eine Reduzierung der Fördersumme 2022 zur Folge gehabt (kreisweit rd. 25.000 €).

-      Angesicht der Erwartung, dass die Verschuldungssituation in 2022 anziehen wird (lt. SchuldnerAtlas 2021), wurde die Reduzierung nicht umgesetzt, sondern die Fördersumme aus 2021 auch für das Jahr 2022 übernommen.

-      Gleichwohl wurde die Tariferhöhung TVöD zum 01.04.2022 von 1,8% berücksichtigt und die Fördersumme entsprechend angepasst.

-      Insgesamt betrug die Förderung 2022 damit 330.763,52 €.

3.2     Förderung 2023

3.2.1 “reguläre“ Förderung

Beratungsbedarf/Schuldnerquote:

Wie unter Pkt. 2 dargestellt ist die Schuldnerquote im Kreis Borken weiterhin gesunken, so dass eigentlich erneut eine Reduzierung der Fördersumme anstehen würde.

-      Lt. aktueller Bewertung lt. SchuldnerAtlas ist davon auszugehen, dass sich die wirtschaftliche Lage der Verbraucher aufgrund der aktuellen Herausforderungen und Unsicherheiten wieder verschlechtern wird und die Überschuldungszahlen in den nächsten Monaten deutlich ansteigen.

-      Vor diesem Hintergrund wird auch für 2023 empfohlen, die Reduzierung nicht umzusetzen und die Fördersumme aus 2022 auch für das Jahr 2023 zu übernehmen.

Tarifsteigerungen TVöD:

Im Januar 2023 sind neue Verhandlungsrunden gestartet. Lt. ver.di wird eine Erhöhung um 10,5% gefordert. Ein Angebot der Arbeitgeberseite liegt bisher nicht vor.

-      Unter Berücksichtigung der im Angesicht der hohen Inflationsrate schwierigen Tarifrunden erscheint es angemessen, in Anlehnung an die Haushaltsplanungen des Kreises Borken zunächst eine Tarifsteigerung von 3,5 % zu berücksichtigen.

-      Auf Grundlage der Fördersumme 2022 würde der Förderbetrag 2023 somit um 11.576,72 € auf 342.340,24 € steigen.

Im Haushaltsplanentwurf 2023 sind im Budget 01 für die Zuwendungen an die Schuldnerberatungsstellen bisher vorgesehen:

Produkt 01.01.01

252.000 €

Produkt 01.04.01

84.000 €

Summe:

336.000 €

Die noch fehlenden Mittel von ca. 6.500 € werden über die Änderungsliste Berücksichtigung finden. Ein Mittelbedarf aufgrund von Tarifsteigerungen, die über das zunächst kalkulierte Maß von 3,5 % hinausgehen, wird im Zuge der Haushaltsausführung 2023 betrachtet und abgewickelt werden müssen.

 

 

3.2.2 Bedarf für eine zusätzliche Förderung/Antrag der Träger der Schuldnerberatung

Austausch mit den Trägern der Schuldnerberatung:

Am 21.12.2022 hat ein Austausch mit den Trägern der Schuldnerberatung stattgefunden.

§  Die Träger haben in diesem Austausch verdeutlicht, dass die Situation in den Beratungsstellen sehr angespannt sei. Mit der vorgeschlagenen Fördersumme von 342.340,24 € sei der eigentlich notwendige Personalbedarf nicht zu finanzieren und somit das aktuelle und zu erwartende Beratungsaufkommen nicht zu bewerkstelligen. Es komme bereits jetzt zu langen Wartelisten und die Bearbeitungsdauer habe sich deutlich verlängert. So sei die tägliche Arbeit insbesondere durch die extrem gestiegenen Telefonanfragen kaum mehr zu absolvieren.

Die Situation ist in einer Stellungnahme der Beratungsträger vom 05.01.2023 nochmals ausführlich dargestellt (Anlage).

§  Seitens der Träger wurde daraufhin beantragt, zeitlich befristet für 24 Monate eine zusätzliche Förderung im Umfang von 0,5 Stelle pro Region zu bewilligen. Dies würde eine sinnvolle Entlastung in der derzeitigen Situation darstellen und dabei helfen, die Beratungskräfte bei der Bewältigung der Mehrarbeit zu unterstützen. Der Antrag ist ebenfalls in der Anlage dargestellt. Die finanziellen Auswirkungen wären – bezogen auf ein volles Kalenderjahr – mit 150.796,84 € zu beziffern.

Bewertung:

Der Vorschlag der Beratungsträger, sich angesichts des hohen krisenbedingten Beratungsbedarfs personell zu verstärken, wird seitens der Verwaltung dem Grunde nach befürwortet. Mit den Beratungsträgern ist verabredet, dass mit Blick auf die schon avisierten finanziellen Unterstützungsangebote von Bund und Land für die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur vorrangig diese Mittel zur Bedarfsdeckung genutzt werden sollen.

Als Refinanzierung könnten Mittel aus dem „Stärkungspakt NRW – gemeinsam gegen Armut“ dienen, den das Land NRW ergänzend zu den Entlastungsprogrammen des Bundes aufgelegt hat. Das MAGS NRW hat dem Kreis Borken 301.760 Euro für das Haushaltsjahr 2023 zum Ausgleich für krisenbedingt anfallende Mehrausgaben zur Aufrechterhaltung des Betriebs von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur, der Anpassung an den erhöhten Bedarf und einer zunehmenden Inanspruchnahme von Beratungs- und Hilfsangeboten bewilligt.

-      Mit dem „Stärkungspakt NRW“ sollen u.a. Beratungsstellen der sozialen Infrastruktur in den Kommunen finanziell unterstützt werden. Dafür stehen insgesamt 150 Mio. € zur Verfügung.

-      Die Fördersumme soll anhand der Anzahl der Menschen, die Mindestsicherungsleistungen erhalten, verteilt werden. Dabei ist eine Aufteilung von 20%/Kreis zu 80%/Gemeinden vorgesehen.

-      Die Inanspruchnahme ist befristet bis zum Ende des Jahres 2023. Daher soll die beantragte Zusatzförderung der Schuldnerberatungsstellen auch auf 12 Monate befristet werden. Angesicht der derzeitigen Dynamik in der Beratungssituation erscheint eine Befristung auch unabhängig vom „Stärkungspakt NRW“ angemessen zu sein.

-      Weitere Details zu den konkreten Rahmenbedingungen für einen fördermittelkonformen Einsatz der Landesmittel sind noch zu prüfen. Ggf. müssen auch noch weitere Absprachen mit den Trägern der Schuldnerberatung erfolgen, um eine Nutzung der Landesmittel zu ermöglichen.

3.2.3 Zwischenfazit:

Für 2023 würde sich demnach zunächst folgende Förderung der Schuldnerberatung ergeben.

Die Fördersumme soll wie folgt auf die Träger verteilt werden:

Die Rahmenbedingungen für eine Zusatzförderung aus dem „Stärkungspakt NRW“ müssen – wie oben erläutert – mit den Trägern der Schuldnerberatung noch weiter ausgelotet werden. Weitere Informationen und Details – insbesondere das Ergebnis des weiteren Austausches mit den Trägern der Schuldnerberatung – werden im Zuge der weiteren Beratungsfolge bekannt gegeben.

Entscheidungsalternative(n):

Nein


Finanzielle Auswirkungen:            

Ja


  


Klimafolgenabschätzung:

Klimafolgen, die sich aus dem Beschluss ergeben, sind nicht zu erwarten / sind nicht ersichtlich.