(1)
Die Fördersumme
2022 wird auch für das Jahr 2023 übernommen.
(2) Es wird eine Tarifsteigerung in Höhe von 3,5 %
berücksichtigt. Sobald eine Tarifsteigerung verbindlich feststeht, erfolgt eine
entsprechende Anpassung.
(3) Der Antrag der Träger der Schuldnerberatung, sich
personell zur Bewältigung des aktuell hohen krisenbedingten Beratungsaufkommens
zu verstärken, wird für das Haushaltsjahr 2023 dem Grunde nach befürwortet.
Vorrangig soll eine Refinanzierung der dafür notwendigen Mittel unter Nutzung
des „Stärkungspakts NRW“ erfolgen.
(4) Die Verwaltung wird beauftragt, die dazu notwendige
Abstimmung mit den Trägern der Schuldnerberatung herbeizuführen und die
Thematik für die weitere politische Beratung aufzubereiten.
Rechtsgrundlage:
SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, § 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 und § 16a Nr.2
SGB XII - Sozialhilfe
Sachdarstellung:
1. Ausgangslage
In der Sitzung vom 25.09.2018 hat der
damalige Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit einer Anpassung der
Systematik zur Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen im Kreis Borken ab
2019 einstimmig zugestimmt (vgl. Vorlage Nr. 0228/2018/KREIS).
Anlass für die Anpassung der
Finanzierung war das Erfordernis, den kreisweiten Förderbedarf zu ermitteln und
diesen bedarfsgerecht auf die einzelnen Beratungsträger/-regionen verteilen zu
können. Die Eckpunkte der Finanzierungssystematik lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
(1) Ermittlung
der Fördersumme:
§ Grundlage war der für 2019 politisch beschlossene
Förderbetrag von 310.000 €, der zu diesem Zeitpunkt von allen Beteiligten als
auskömmlich bewertet wurde.
§ Künftig wird bei der Anpassung der Gesamtfördersumme
und bei der Verteilung der Fördermittel auf die Träger die
Verschuldungssituation einbezogen. Dazu wird die Anzahl der verschuldeten
Personen im Kreis herangezogen (lt. SchuldnerAtlas - Creditreform).
§ Die Verteilung der Fördersumme auf die Beratungsträger
erfolgt nach dem Anteil der verschuldeten Personen je Region.
(2) Gültigkeit:
§ Die aktuelle Fördersumme sowie die kreisinterne
Verteilung werden für drei Jahre festgeschrieben.
§ Es erfolgt eine jährliche Anpassung der
Gesamtfördersumme innerhalb des Festschreibungszeitraumes bei Tarifsteigerungen
im TVöD.
(3) Beratungsträger:
§ Die Träger bewerkstelligen mit Hilfe des Zuschusses
die Schuldnerberatung in ihrer Region. Eine Verpflichtung, Personal in einer
fixen Größenordnung vorzuhalten, besteht nicht.
§ Die Träger weisen die Höhe der entstehenden
Aufwendungen jährlich nach (Verwendungsnachweis). Der Eigenanteil des
jeweiligen Trägers beträgt mindestens 10%.
§ Die Beratungsarbeit sowie die statistische
Datenerfassung und -lieferung erfolgt auf Grundlage gemeinsam erarbeiteter Qualitätskriterien.
§ Es findet ein jährliches Austauschtreffen mit den
Beratungsträgern statt zur Beurteilung der Entwicklung in der
Schuldnerberatung, u.a. unter Beachtung der statistischen Auswertungen der
Fallzahlen.
2. Entwicklung
und aktueller Sachstand
2.1 Verschuldungssituation
im Münsterland
Eine Übersicht der Schuldnerquoten im Münsterland
zeigt nachfolgende Entwicklung.
Staatliche Hilfsprogramme, pandemie-bedingte
Einschränkungen der Konsummöglichkeiten sowie Konsumverzicht und
Ausgabenvorsicht der Verbraucherinnen und Verbraucher hatten die Zahl der
Überschuldungsfälle in Deutschland auf einen neuen Tiefstand gedrückt. Dies
zeigte bereits der SchuldnerAtlas 2021.
2022 ist die Zahl überschuldeter
Verbraucher in Deutschland nochmal um 270.000 Fälle zurückgegangen – im
Münsterland um 6.600 Fälle. Die Überschuldungsquote sinkt damit in Deutschland
erneut um fast einen halben Punkt auf 8,48 und für das Münsterland auf 7,01%.
Damit liegt das Münsterland weiterhin deutlich unter den Werten für NRW und
Deutschland.
Bewertung und Ausblick lt. „SchuldnerAtlas Münsterland
2022“ vom 15.11.2022:
Die vorliegenden positiven
Überschuldungsdaten für die Jahre 2021/2022 dürfen nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die deutsche Gesellschaft auch aus der Perspektive der
Überschuldungsforschung vor einer „Zeitenwende“ steht.
§ Nicht nur Deutschland sieht
sich innerhalb kürzester Zeit mit zwei großen und historisch einmaligen Krisen
konfrontiert: Der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die
Ukraine. In Verknüpfung führen beide zu einer dramatischen Belastung der
finanziellen Möglichkeiten der deutschen Bevölkerung. So setzen galoppierende
Energiepreise private Haushalte zunehmend unter finanziellen Druck, da sie die
explodierenden Kosten für Heizen, Warmwasser und Strom (sowie Mobilität) kaum
noch werden bezahlen können.
§ Zugleich ist der Anteil
derjenigen Verbraucher in Deutschland, die regelmäßig etwas (an)sparen konnten,
von 70 Prozent im Jahr 2020 auf mittlerweile nur noch 50 Prozent gesunken.
Dabei gerät auch zunehmend die Mitte der Gesellschaft unter Druck.
§ Aber auch weitere Überschuldungsrisiken
zeigen sich in Folge der Energiepreiskrise, die die finanziellen
Handlungsspielräume der Verbraucher verkleinern: Banken und Sparkassen in
Deutschland haben ihre Zinsen für Dispo und Überziehung angezogen und die
Verbraucher nutzen wieder vermehrt Ratenkredite, die die
Überschuldungsgefährdung der Nutzer deutlich ansteigen lässt.
Trotz des
aktuell positiven Trends ist daher zu erwarten, dass die Überschuldungszahlen
in den nächsten Monaten deutlich steigen werden.
2.2 Verschuldungssituation
im Kreis Borken
Die Beratungsstellen melden dem Kreis quartalsweise
statistische Daten zu den Beratungsfällen. Die Entwicklung stellt sich wie
folgt dar:
Auf Grundlage der vorliegenden Daten ist in 2022 im
Vergleich zum Jahresende 2021 ( insges. 1.267 lfd. Beratungsfälle) eine Steigerung von rd. 11% erkennbar.
3. Förderung
der Schuldnerberatungsstellen
Wie bereits unter Pkt. 1 dargelegt
basiert die Finanzierungssystematik der Förderung auf der
Verschuldungssituation. Die Verschuldungssituation ergibt sich aus dem jährlich
erscheinenden SchuldnerAtlas der Creditreform. Steigende Schuldnerquoten führen
damit zu einer Erhöhung der Förderung.
3.1 Förderung
2022 (vgl. Sitzungsvorlage 0278/2021/KREIS, Sitzung vom 09.09.2021)
In 2021 ist die Schuldnerquote im Kreis Borken
gesunken. Dies hätte eigentlich eine Reduzierung der Fördersumme 2022 zur Folge
gehabt (kreisweit rd. 25.000 €).
- Angesicht der Erwartung, dass die
Verschuldungssituation in 2022 anziehen wird (lt. SchuldnerAtlas 2021), wurde
die Reduzierung nicht umgesetzt, sondern die Fördersumme aus 2021 auch für das
Jahr 2022 übernommen.
- Gleichwohl wurde die Tariferhöhung TVöD zum 01.04.2022
von 1,8% berücksichtigt und die Fördersumme entsprechend angepasst.
- Insgesamt betrug die Förderung 2022 damit 330.763,52
€.
3.2 Förderung
2023
3.2.1
“reguläre“ Förderung
Beratungsbedarf/Schuldnerquote:
Wie unter Pkt. 2 dargestellt ist die Schuldnerquote im
Kreis Borken weiterhin gesunken, so dass eigentlich erneut eine Reduzierung der
Fördersumme anstehen würde.
- Lt. aktueller Bewertung lt. SchuldnerAtlas ist davon
auszugehen, dass sich die wirtschaftliche Lage der Verbraucher aufgrund der
aktuellen Herausforderungen und Unsicherheiten wieder verschlechtern wird und
die Überschuldungszahlen in den nächsten Monaten deutlich ansteigen.
- Vor diesem Hintergrund wird auch für 2023 empfohlen,
die Reduzierung nicht umzusetzen und die Fördersumme aus 2022 auch für das Jahr
2023 zu übernehmen.
Tarifsteigerungen TVöD:
Im Januar 2023 sind neue Verhandlungsrunden gestartet.
Lt. ver.di wird eine Erhöhung um 10,5% gefordert. Ein Angebot der
Arbeitgeberseite liegt bisher nicht vor.
- Unter Berücksichtigung der im Angesicht der hohen
Inflationsrate schwierigen Tarifrunden erscheint es angemessen, in Anlehnung an
die Haushaltsplanungen des Kreises Borken zunächst eine Tarifsteigerung von 3,5
% zu berücksichtigen.
- Auf Grundlage der Fördersumme 2022 würde der
Förderbetrag 2023 somit um 11.576,72 € auf 342.340,24 € steigen.
Im Haushaltsplanentwurf 2023 sind im Budget 01 für die
Zuwendungen an die Schuldnerberatungsstellen bisher vorgesehen:
Produkt 01.01.01 |
252.000 € |
Produkt 01.04.01 |
84.000 € |
Summe: |
336.000 € |
Die noch fehlenden Mittel von ca. 6.500
€ werden über die Änderungsliste Berücksichtigung finden. Ein Mittelbedarf
aufgrund von Tarifsteigerungen, die über das zunächst kalkulierte Maß von 3,5 %
hinausgehen, wird im Zuge der Haushaltsausführung 2023 betrachtet und
abgewickelt werden müssen.
3.2.2
Bedarf für eine zusätzliche Förderung/Antrag der Träger der Schuldnerberatung
Austausch mit den Trägern der Schuldnerberatung:
Am 21.12.2022 hat ein Austausch mit den Trägern der
Schuldnerberatung stattgefunden.
§ Die Träger haben in diesem Austausch verdeutlicht,
dass die Situation in den Beratungsstellen sehr angespannt sei. Mit der
vorgeschlagenen Fördersumme von 342.340,24 € sei der eigentlich notwendige
Personalbedarf nicht zu finanzieren und somit das aktuelle und zu erwartende
Beratungsaufkommen nicht zu bewerkstelligen. Es komme bereits jetzt zu langen
Wartelisten und die Bearbeitungsdauer habe sich deutlich verlängert. So sei die
tägliche Arbeit insbesondere durch die extrem gestiegenen Telefonanfragen kaum
mehr zu absolvieren.
Die Situation ist in einer Stellungnahme der
Beratungsträger vom 05.01.2023 nochmals ausführlich dargestellt (Anlage).
§ Seitens der Träger wurde daraufhin beantragt, zeitlich
befristet für 24 Monate eine zusätzliche Förderung im Umfang von 0,5 Stelle pro
Region zu bewilligen. Dies würde eine sinnvolle Entlastung in der derzeitigen
Situation darstellen und dabei helfen, die Beratungskräfte bei der Bewältigung
der Mehrarbeit zu unterstützen. Der Antrag ist ebenfalls in der Anlage
dargestellt. Die finanziellen Auswirkungen wären – bezogen auf ein volles
Kalenderjahr – mit 150.796,84 € zu beziffern.
Bewertung:
Der Vorschlag der Beratungsträger, sich angesichts des
hohen krisenbedingten Beratungsbedarfs personell zu verstärken, wird seitens
der Verwaltung dem Grunde nach befürwortet. Mit den Beratungsträgern ist
verabredet, dass mit Blick auf die schon avisierten finanziellen Unterstützungsangebote
von Bund und Land für die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur vorrangig
diese Mittel zur Bedarfsdeckung genutzt werden sollen.
Als Refinanzierung könnten Mittel aus dem
„Stärkungspakt NRW – gemeinsam gegen Armut“ dienen, den das Land NRW ergänzend
zu den Entlastungsprogrammen des Bundes aufgelegt hat. Das MAGS NRW hat
dem Kreis Borken 301.760 Euro für das Haushaltsjahr 2023 zum
Ausgleich für krisenbedingt anfallende Mehrausgaben zur Aufrechterhaltung des
Betriebs von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur, der Anpassung an den
erhöhten Bedarf und einer zunehmenden Inanspruchnahme von Beratungs- und
Hilfsangeboten bewilligt.
- Mit dem „Stärkungspakt NRW“ sollen u.a.
Beratungsstellen der sozialen Infrastruktur in den Kommunen finanziell unterstützt
werden. Dafür stehen insgesamt 150 Mio. € zur Verfügung.
- Die Fördersumme soll anhand der Anzahl der Menschen,
die Mindestsicherungsleistungen erhalten, verteilt werden. Dabei ist eine
Aufteilung von 20%/Kreis zu 80%/Gemeinden vorgesehen.
- Die Inanspruchnahme ist befristet bis zum Ende des
Jahres 2023. Daher soll die beantragte Zusatzförderung der
Schuldnerberatungsstellen auch auf 12 Monate befristet werden. Angesicht der
derzeitigen Dynamik in der Beratungssituation erscheint eine Befristung auch unabhängig
vom „Stärkungspakt NRW“ angemessen zu sein.
-
Weitere Details
zu den konkreten Rahmenbedingungen für einen fördermittelkonformen Einsatz der
Landesmittel sind noch zu prüfen. Ggf. müssen auch noch weitere Absprachen mit
den Trägern der Schuldnerberatung erfolgen, um eine Nutzung der Landesmittel zu
ermöglichen.
3.2.3
Zwischenfazit:
Für 2023 würde sich demnach zunächst folgende
Förderung der Schuldnerberatung ergeben.
Die Fördersumme soll wie folgt auf die Träger verteilt
werden:
Die Rahmenbedingungen für eine
Zusatzförderung aus dem „Stärkungspakt NRW“ müssen – wie oben erläutert – mit
den Trägern der Schuldnerberatung noch weiter ausgelotet werden. Weitere
Informationen und Details – insbesondere das Ergebnis des weiteren Austausches
mit den Trägern der Schuldnerberatung – werden im Zuge der weiteren Beratungsfolge
bekannt gegeben.
Entscheidungsalternative(n):
Nein
Finanzielle Auswirkungen:
Ja
Klimafolgenabschätzung:
Klimafolgen, die sich aus dem Beschluss ergeben, sind nicht
zu erwarten / sind nicht ersichtlich.