Betreff
Weiterer Umgang mit den RWE-Aktien
Vorlage
0357/2023/KREIS
Art
Beschlussvorlage

Die Darstellung alternativer werterhaltender Verwendungsmöglichkeiten des Erlöses bei einer möglichen Veräußerung des RWE-Aktienbestandes wird zur Kenntnis genommen. Die Vorbereitung einer Entscheidung zum Umgang mit den RWE-Aktien wird unterstützt durch die Interfraktionelle Arbeitsgruppe Verwaltungs­entwicklung.

.


Rechtsgrundlage:

§ 26 Abs. 1 lit. k) Kreisordnung NRW

§ 3 der Richtlinien für Kapitalanlagen des Kreises Borken

Sachdarstellung:

1.      Ausgangssituation

Der Kreistag bekräftige zuletzt mit Beschluss vom 10.03.2022 (Sitzungsvorlage Nr. 0066/2022/KREIS), dass der Kreis Borken bis auf Weiteres seinen RWE-Aktienbestand beibehält. Der Kreistag sollte sich erneut mit dem weiteren Umgang mit den RWE-Aktien befassen, sobald der Aktienkurs an fünf aufeinanderfolgenden Handelstagen den Wert von 30 Euro/Aktie unter- oder den Wert von 50 Euro/Aktie überschreitet. Schon am 25.06.2020 beschloss der Kreistag zusätzlich, die RWE-Dividende ab dem Haushaltsjahr 2021 zur Förderung des Klimaschutzes einzusetzen.

Zudem wurde die Kreisverwaltung am 16.03.2023 beauftragt, zum zweiten Halbjahr 2023 alternative werterhaltende Verwendungsmöglichkeiten bei einer möglichen Veräußerung des RWE-Aktienbestandes aufzubereiten. Dabei sollen auch mögliche Investitionen in eine eigene regenerative Energieerzeugung (z.B. PV-Anlagen, Windkraftanlagen) in den Blick genommen werden.

Der Kreis Borken besitzt seit längerem 318.714 Aktien der RWE AG. Die RWE AG setzt in der Stromproduktion als größtes Kerngeschäft zunehmend auf die Energiequellen Wind und Sonne. Mit einer umfassenden Investitions- und Wachstumsstrategie zielt die RWE AG auf einen Ausbau ihrer regenerativen Erzeugungskapazität bis 2030 international auf mehr als 50 Gigawatt. Dafür investiert die RWE AG im Zeitraum von 2021 bis 2030 mehr als 50 Mrd. Euro in den Bereichen Offshore- und Onshore-Wind, Solar, Wasserkraft, Wasserstoff, Speichern, Biomasse und Gas. Begleitet wird diese Wachstumsstrategie vom Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die Braunkohleförderung und -verstromung soll nach Verständigung mit Bund und Land NRW 2030 beendet werden. Mit dem Kernkraftwerk Emsland bei Lingen hat die RWE AG am 15. April 2023 das letzte Kernkraftwerk außer Betrieb genommen. Bis 2040 will die RWE AG klimaneutral werden.

Die RWE AG hatte laut Depotauszug der Sparkasse Westmünsterland zum 31.12.2022 einen Aktienkurs von 41,39 Euro/Aktie. Bilanziert wurde die RWE-Aktie im Jahresabschluss des Kreises Borken zum 31.12.2022 mit 37,50 Euro/Aktie, d.h. mit einem Bilanzwert von fast 12,0 Mio. Euro. Derzeit hat die RWE-Aktie einen Börsenwert von 37,66 Euro/Aktie. Aktuelle Analysteneinschätzungen bewerten das Unternehmen derzeit mit der Kategorie „Kaufen (Buy)“. Das durchschnittlich erwartete Kursziel liegt bei rund 52,00 Euro/Aktie, also deutlich über den aktuellen Börsenkurs.

Die RWE AG hat für 2022 eine Dividende in Höhe von 0,90 Euro/Aktie ausgeschüttet. Bei einem im Jahresabschluss 2022 bilanzierten Wert von 37,50 Euro/Aktie bedeutet das eine Dividendenrendite von 2,4 Prozent. Für 2023 sind 1,00 Euro/Aktie als Dividende vorgesehen. In den kommenden Jahren erwarten die Analysten auf Grund von erwarteten Gewinnsteigerungen bei der RWE auch weiter steigende Dividenden.

Auf Grund der weiter konsequenten Ausrichtung des Geschäftsmodells auf regenerative Energieerzeugungen, der erwarteten Dividendenentwicklung von 1,00 Euro/Aktie als Untergrenze und des prognostizierten erheblichen Kurssteigerungspotenzials bleibt die RWE-Aktie nach gegenwärtiger Einschätzung eine gute Finanzanlage.

2.      Alternative Verwendungsmöglichkeiten

Bei einer möglichen Veräußerung des RWE-Aktienbestandes ist zu berücksichtigen, dass sich die Geld- und Kapitalmarktverhältnisse stark geändert haben, seitdem die Europäische Zentralbank als Reaktion auf die hohe Inflation ihre Leitzinsen seit Mitte 2022 in kurzen Abständen mehrfach bis auf jetzt 4,5 Prozent angehoben hat. Für alternative werterhaltende Verwendungsmöglichkeiten eines etwaigen Verkaufserlöses aus einem (Teil-)Verkaufs des RWE-Aktienpaketes können vor diesem Hintergrund derzeit folgende Hinweise gegeben werden:

2.1       Tagesgeld-/Termingeldanlage

Der Kreis Borken erhält seit dem 14.09.2022 für Tagesgeld auf seinen Geschäftskonten wieder Zinserträge. Aktuell hält der Kreis Borken keine Termingeldanlagen, da die Zinssätze beispielsweise von einlagengesicherten Geldinstituten für kurzfristige Geldanlagen sich noch unterhalb der Tagesgeldanlagen bewegen. Nach einem Marktüberblick einer Wertpapiervermittlungsgesellschaft vom 12.10.2023 werden derzeit Tagesgeldanlagen ab 2 Mio. Euro Mindestanlage für 3,7 Prozent p.a. angeboten. Kündigungsgeld mit einer Kündigungsfrist von 30 Tagen erzielt einen Zinssatz in Höhe von 3,9 Prozent p.a. Termingeldanlageangebote liegen derzeit beispiels­weise bei ca. 3,9 Prozent p.a. für die Anlage von 1,0 Mio. Euro für zwei Monate oder 4,0 Prozent p.a. für die Anlage von 1,0 Mio. Euro für 11 Monate.

2.2       Örtliche Stiftung/Gemeinnützige Gesellschaft

Ein Veräußerungserlös könnte in eine (zu gründende) örtlichen Stiftung eingebracht werden. Das Land NRW hat aber in einem vergleichbaren Fall nach § 100 Abs. 3 GO NRW dieses als rechtlich bedenklich angesehen. Allerdings besteht eine weitere Möglichkeit darin, einen etwaigen Verkaufserlös nicht in eine neue Stiftung, sondern in eine neue gemeinnützige GmbH einzulegen mit der Maßgabe, dass die Kapitalerträge für gemeinwohlorientierte Aufgaben des Kreises Borken z.B. in den Bereichen Gesundheit, Kultur, Sport, Umwelt/Klima oder Bildung eingesetzt werden. Noch zu klären wäre, inwieweit Teile eines Verkaufserlöses in eine bestehende Stiftung, beispielsweise Sparkassenstiftung für den Kreis Borken, eingelegt werden können. So hat der Kreis Borken schon im Jahr 2012 einen Anteil von 940.000 Euro des seinerzeitigen Ausschüttungsbetrags der Sparkasse Westmünsterland zur Förderung gemeinnütziger Zwecke im Kreisgebiet dem Stiftungs­vermögen der Sparkassenstiftung für den Kreis Borken zugeführt. Der Verkaufserlös aus einem etwaigen RWE-Aktienverkauf würde in diesem Fall nach kommunalrechtlichen oder sparkassenrechtlichen Anlagerichtlinien angelegt. Allerdings bleibt es für eine gGmbH eine Daueraufgabe, das Vermögen hinreichend Ertrag bringend für den gemeinnützigen Gesellschaftszweck anzulegen.

2.3       kvw-Versorgungsfonds Klassik und Chance

Ein etwaiger Verkaufserlös könnte grundsätzlich auch in den kvw-Versorgungsfonds zur Absicherung der Pensionsrückstellungen eingelegt werden. In der Richtlinie für Kapital­anlagen des Kreises Borken hat der Kreistag bereits das Ziel festgelegt, mit langfristigen Kapitalanlagen rechtzeitig für bereits eingegangene Verpflichtungen, die erst künftig liquiditätswirksam werden, eine Finanzvorsorge zu treffen. Damit soll auch eine Verstetigung der Haushaltsbelastungen im Zeitablauf erreicht und ein Beitrag zur Generationen­gerechtigkeit geleistet werden. Der Kreis Borken legt insbesondere Kapital an für die nachhaltige Finanzierung zukünftiger Verpflichtungen aus der Beamtenversorgung.

In den kvw-Versorgungsfonds Klassik hat der Kreis Borken mittlerweile ca. 73,2 Mio. Euro eingezahlt. Der aktuelle Wert zum 20.10.2023 beläuft sich auf ca. 78,6 Mio. Euro. Die durchschnittliche Wertentwicklung in den letzten zehn Jahren beläuft sich auf ca. 2,4 Prozent. In den kvw-Versorgungsfonds Chance zahlt der Kreis Borken erst seit 2022 ein. Die Einzahlungshöhe beträgt derzeit 9,3 Mio. Euro. Der aktuelle Wert zum 20.10.2023 beläuft sich demgegenüber auf 9,2 Mio. Euro, da der Einstieg in diesen Vermögensfonds in einem herausfordernden Jahr für Kapitalanleger (z.B. russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine, Inflation, Energiekrise) erfolgte. Ende 2022 deckten die beiden kvw-Versorgungsfonds mit 79,6 Mio. Euro liquiditätsmäßig 39,5 Prozent der bilanzierten Pensions- und Beihilfeverpflichtungen gegenüber aktiven Beamten und Versorgungs­empfängern ab. Da für Einlagen in den kvw-Versorgungsfonds keine Ausgabeaufschläge und deutlich geringere laufende Kosten anfallen, sind diese gegenüber anderen Kapitalfonds kostenmäßig günstiger.

2.4       Investitionen in regenerative Energieerzeugungen

Der Kreis Borken unterhält bereits eigene Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf der (ehemaligen) Hans-Christian-Andersen-Schule in Ahaus und der Brüder Grimm-Schule in Gescher. Im Bau ist eine weitere PV-Anlage auf der neuen Dreifachsporthalle am Berufskolleg Bocholt-West. Weitere eigene PV-Anlagen auf drei kreiseigenen Parkflächen werden gegenwärtig näher betrachtet und sollen voraussichtlich 2025 realisiert werden. Darüber hinaus sind kreiseigene Dachflächen an Dritte für PV-Anlagen verpachtet.

Derzeit stellt der Kreis Borken mit der kreiseigenen Entsorgungsgesellschaft West­münsterland GmbH (egw) Überlegungen an, die ehemalige Siedlungsabfalldeponie Borken-Hoxfeld, die sich nach Abschluss der Oberflächenabdichtung in der sogenannten Nach­sorge­phase befindet, mit weiteren PV-Anlagen auszustatten. Wer letztlich als Investor und Betreiber fungieren würde und wie die darauf aufbauenden finanziellen und steuerlichen Verflechtungen ausgestaltet werden, muss dann im Weiteren zwischen Kreis und egw geklärt werden. Bereits im Jahr 2021 hat die egw auf dem Plateau dieser Deponie eine PV-Anlage mit einer Leistung von 750 kWp errichtet. Die Erfahrungen mit dieser speziell für die Deponie angepassten Anlage (Befestigung, Erosionsschutz, Abstände zu Deponie­einrichtungen u.a.) sind durchweg positiv.

Bei einer möglichen weiteren Belegung des Deponieplateaus sowie der Südflanke der Deponie könnte eine PV-Anlage mit einer Leistung von rund 12 MW errichtet werden. Die vorsichtig prognostizierten Baukosten liegen bei rund 11,4 Mio. Euro (ca. 950 € je kWp). Dazu kommen Nebenkosten wie beispielsweise für den Ausgleich des landschaftsrechtlichen Eingriffs.  Voraussetzung für die Anlagengröße ist insbesondere eine positive Netzverträg­lich­­­keitsprüfung durch Westnetz. Aufgrund der geplanten Größenordnung der PV-Anlage ist eine Direktvermarktung verpflichtend. Damit die PV-Anlage über den Abschreibungszeitraum von 20 Jahren gesichert wirtschaftlich bleibt, soll diese über das EEG im Marktprämienmodell vergütet werden. Erste vorsichtige Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zeigen auf Basis der geschätzten Baukosten und prognostizierten Energieerlöse eine Gesamtkapital­rendite auf gesicherter EEG-Basis bei aller Behutsamkeit von rund 3 Prozent.

Die Vorplanungen der PV-Anlage wurden auch dazu genutzt, die Vorgaben einer Windkraftanlage auf dem Deponiegelände abzuschätzen. Eine klare Aussage für eine Zulässigkeit einer Windkraftanlage kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden.

2.5       Sonstige investive Zwecke des Kreises Borken

Bei einem etwaigen Verkauf des RWE-Aktienpaketes könnte der Verkaufserlös auch für eigene investive Zwecke des Kreises Borken im Hochbau (z.B. Nachfolgelösung für den Berufskollegstandort Stadtlohn, ca. 8,5 Mio. Euro) eingesetzt werden. Dadurch könnte auf ansonsten - je nach Liquiditätslage im Kreishaushalt - erforderliche Kreditaufnahmen verzichtet werden. Beispielsweise liegt der vergünstigte Zinssatz bei dem - zuletzt vom Kreis Borken beanspruchten - Kreditprogramm NRW.BANK.Kommunal Invest für ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung bei derzeit 3,14 Prozent (10.11.2023).

3.      Vorschlag der Kreisverwaltung zum weiteren Vorgehen

Zum weiteren Umgang mit dem RWE-Aktienbestand soll die Interfraktionelle Arbeitsgruppe Verwaltungs­entwicklung die Vorbereitung einer Entscheidung in der Folge unterstützen. Dabei sollen insbesondere bei einer möglichen Veräußerung die Art und Weise, der Zeitpunkt und der weitere Verwendungszweck (z.B. anteilig für den kvw-Versorgungsfonds, PV-Anlagen auf der Deponie Borken-Hoxfeld oder sonstige investive Zwecke) vorberaten und dann dem Kreistag zur Entscheidung vorgelegt werden.

 

Entscheidungsalternative(n):

·        Der Kreis Borken behält bis auf Weiteres seinen RWE-Bestand. Der Kreistag sollte sich erneut mit dem weiteren Umgang mit den RWE-Aktien befassen, sobald der Aktienkurs an fünf aufeinanderfolgenden Handelstagen den Wert von 30 Euro/Aktie unter- oder den Wert von 50 Euro/Aktie überschreitet.

·        Der Kreistag legt eine andere Aktienkursunter- und -obergrenze fest, bei deren Überschreitung sich der Kreistag erneut mit dem Umgang mit den RWE-Aktien befassen soll.

·        Der Landrat wird beauftragt, den Aktienbestand des Kreises Borken an der RWE AG zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt zu veräußern. Die Kreisverwaltung wird beauftragt, die Nutzung des Verkaufserlöses zu konkretisieren.

 

 


Finanzielle Auswirkungen:             Ja   Nein

Höhe der finanziellen Auswirkungen:                                                                           

Im Kreishaushalt 2024 sind RWE-Dividendenerträge von ca. 238 T-Euro eingeplant, die für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Auch in den Folgejahren sind bislang RWE-Dividendenerträge einkalkuliert.

 


  


Klimafolgenabschätzung:

Siehe Sachdarstellung.