Die Darstellung alternativer werterhaltender Verwendungsmöglichkeiten
des Erlöses bei einer möglichen Veräußerung des RWE-Aktienbestandes wird zur
Kenntnis genommen. Die Vorbereitung einer Entscheidung zum Umgang mit den RWE-Aktien
wird unterstützt durch die Interfraktionelle Arbeitsgruppe Verwaltungsentwicklung.
.
Rechtsgrundlage:
§ 26 Abs. 1 lit. k) Kreisordnung NRW
§ 3 der Richtlinien für Kapitalanlagen des Kreises Borken
Sachdarstellung:
1.
Ausgangssituation
Der Kreistag bekräftige zuletzt mit Beschluss vom 10.03.2022
(Sitzungsvorlage Nr. 0066/2022/KREIS), dass der Kreis Borken bis auf Weiteres
seinen RWE-Aktienbestand beibehält. Der Kreistag sollte sich erneut mit dem
weiteren Umgang mit den RWE-Aktien befassen, sobald der Aktienkurs an fünf
aufeinanderfolgenden Handelstagen den Wert von 30 Euro/Aktie unter- oder den
Wert von 50 Euro/Aktie überschreitet. Schon am 25.06.2020 beschloss der
Kreistag zusätzlich, die RWE-Dividende ab dem Haushaltsjahr 2021 zur Förderung
des Klimaschutzes einzusetzen.
Zudem wurde die Kreisverwaltung am 16.03.2023 beauftragt, zum zweiten
Halbjahr 2023 alternative werterhaltende Verwendungsmöglichkeiten bei einer
möglichen Veräußerung des RWE-Aktienbestandes aufzubereiten. Dabei sollen auch
mögliche Investitionen in eine eigene regenerative Energieerzeugung (z.B.
PV-Anlagen, Windkraftanlagen) in den Blick genommen werden.
Der Kreis Borken besitzt seit längerem 318.714 Aktien der RWE AG. Die
RWE AG setzt in der Stromproduktion als größtes Kerngeschäft zunehmend auf die
Energiequellen Wind und Sonne. Mit einer umfassenden Investitions- und
Wachstumsstrategie zielt die RWE AG auf einen Ausbau ihrer regenerativen
Erzeugungskapazität bis 2030 international auf mehr als 50 Gigawatt. Dafür
investiert die RWE AG im Zeitraum von 2021 bis 2030 mehr als 50 Mrd. Euro in
den Bereichen Offshore- und Onshore-Wind, Solar, Wasserkraft, Wasserstoff,
Speichern, Biomasse und Gas. Begleitet wird diese Wachstumsstrategie vom
Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die Braunkohleförderung und -verstromung
soll nach Verständigung mit Bund und Land NRW 2030 beendet werden. Mit dem
Kernkraftwerk Emsland bei Lingen hat die RWE AG am 15. April 2023 das letzte
Kernkraftwerk außer Betrieb genommen. Bis 2040 will die RWE AG klimaneutral
werden.
Die RWE AG hatte laut Depotauszug der Sparkasse Westmünsterland zum
31.12.2022 einen Aktienkurs von 41,39 Euro/Aktie. Bilanziert wurde die
RWE-Aktie im Jahresabschluss des Kreises Borken zum 31.12.2022 mit 37,50
Euro/Aktie, d.h. mit einem Bilanzwert von fast 12,0 Mio. Euro. Derzeit hat die
RWE-Aktie einen Börsenwert von 37,66 Euro/Aktie. Aktuelle
Analysteneinschätzungen bewerten das Unternehmen derzeit mit der Kategorie
„Kaufen (Buy)“. Das durchschnittlich erwartete Kursziel liegt bei rund 52,00 Euro/Aktie,
also deutlich über den aktuellen Börsenkurs.
Die RWE AG hat für 2022 eine Dividende in Höhe von 0,90 Euro/Aktie
ausgeschüttet. Bei einem im Jahresabschluss 2022 bilanzierten Wert von 37,50
Euro/Aktie bedeutet das eine Dividendenrendite von 2,4 Prozent. Für 2023 sind
1,00 Euro/Aktie als Dividende vorgesehen. In den kommenden Jahren erwarten die
Analysten auf Grund von erwarteten Gewinnsteigerungen bei der RWE auch weiter
steigende Dividenden.
Auf Grund der weiter konsequenten Ausrichtung des Geschäftsmodells auf
regenerative Energieerzeugungen, der erwarteten Dividendenentwicklung von 1,00
Euro/Aktie als Untergrenze und des prognostizierten erheblichen
Kurssteigerungspotenzials bleibt die RWE-Aktie nach gegenwärtiger Einschätzung
eine gute Finanzanlage.
2.
Alternative Verwendungsmöglichkeiten
Bei einer möglichen Veräußerung des RWE-Aktienbestandes ist zu
berücksichtigen, dass sich die Geld- und Kapitalmarktverhältnisse stark
geändert haben, seitdem die Europäische Zentralbank als Reaktion auf die hohe
Inflation ihre Leitzinsen seit Mitte 2022 in kurzen Abständen mehrfach bis auf
jetzt 4,5 Prozent angehoben hat. Für alternative werterhaltende
Verwendungsmöglichkeiten eines etwaigen Verkaufserlöses aus einem
(Teil-)Verkaufs des RWE-Aktienpaketes können vor diesem Hintergrund derzeit
folgende Hinweise gegeben werden:
2.1 Tagesgeld-/Termingeldanlage
Der Kreis Borken erhält seit dem 14.09.2022 für Tagesgeld auf seinen Geschäftskonten wieder Zinserträge. Aktuell
hält der Kreis Borken keine Termingeldanlagen, da die Zinssätze beispielsweise
von einlagengesicherten Geldinstituten für kurzfristige Geldanlagen sich noch
unterhalb der Tagesgeldanlagen bewegen. Nach einem Marktüberblick einer
Wertpapiervermittlungsgesellschaft vom 12.10.2023 werden derzeit Tagesgeldanlagen
ab 2 Mio. Euro Mindestanlage für 3,7 Prozent p.a. angeboten. Kündigungsgeld mit
einer Kündigungsfrist von 30 Tagen erzielt einen Zinssatz in Höhe von 3,9
Prozent p.a. Termingeldanlageangebote liegen derzeit beispielsweise bei ca.
3,9 Prozent p.a. für die Anlage von 1,0 Mio. Euro für zwei Monate oder 4,0
Prozent p.a. für die Anlage von 1,0 Mio. Euro für 11 Monate.
2.2 Örtliche Stiftung/Gemeinnützige
Gesellschaft
Ein Veräußerungserlös könnte in eine (zu gründende) örtlichen Stiftung eingebracht werden. Das Land NRW hat aber in
einem vergleichbaren Fall nach § 100 Abs. 3 GO NRW dieses als rechtlich
bedenklich angesehen. Allerdings besteht eine weitere Möglichkeit darin, einen
etwaigen Verkaufserlös nicht in eine neue Stiftung, sondern in eine neue gemeinnützige
GmbH einzulegen mit der Maßgabe, dass die Kapitalerträge für
gemeinwohlorientierte Aufgaben des Kreises Borken z.B. in den Bereichen
Gesundheit, Kultur, Sport, Umwelt/Klima oder Bildung eingesetzt werden. Noch zu
klären wäre, inwieweit Teile eines Verkaufserlöses in eine bestehende Stiftung,
beispielsweise Sparkassenstiftung für den Kreis Borken, eingelegt werden
können. So hat der Kreis Borken schon im Jahr 2012 einen Anteil von 940.000
Euro des seinerzeitigen Ausschüttungsbetrags der Sparkasse Westmünsterland zur
Förderung gemeinnütziger Zwecke im Kreisgebiet dem Stiftungsvermögen der
Sparkassenstiftung für den Kreis Borken zugeführt. Der Verkaufserlös aus einem
etwaigen RWE-Aktienverkauf würde in diesem Fall nach kommunalrechtlichen oder
sparkassenrechtlichen Anlagerichtlinien angelegt. Allerdings bleibt es für eine
gGmbH eine Daueraufgabe, das Vermögen hinreichend Ertrag bringend für den
gemeinnützigen Gesellschaftszweck anzulegen.
2.3 kvw-Versorgungsfonds Klassik und Chance
Ein etwaiger Verkaufserlös könnte grundsätzlich auch in den kvw-Versorgungsfonds zur Absicherung
der Pensionsrückstellungen eingelegt werden. In der Richtlinie für Kapitalanlagen
des Kreises Borken hat der Kreistag bereits das Ziel festgelegt, mit
langfristigen Kapitalanlagen rechtzeitig für bereits eingegangene
Verpflichtungen, die erst künftig liquiditätswirksam werden, eine
Finanzvorsorge zu treffen. Damit soll auch eine Verstetigung der
Haushaltsbelastungen im Zeitablauf erreicht und ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit
geleistet werden. Der Kreis Borken legt insbesondere Kapital an für die
nachhaltige Finanzierung zukünftiger Verpflichtungen aus der Beamtenversorgung.
In den kvw-Versorgungsfonds
Klassik hat der Kreis Borken mittlerweile ca. 73,2 Mio. Euro eingezahlt.
Der aktuelle Wert zum 20.10.2023 beläuft sich auf ca. 78,6 Mio. Euro. Die
durchschnittliche Wertentwicklung in den letzten zehn Jahren beläuft sich auf
ca. 2,4 Prozent. In den kvw-Versorgungsfonds
Chance zahlt der Kreis Borken erst seit 2022 ein. Die Einzahlungshöhe
beträgt derzeit 9,3 Mio. Euro. Der aktuelle Wert zum 20.10.2023 beläuft sich
demgegenüber auf 9,2 Mio. Euro, da der Einstieg in diesen Vermögensfonds in
einem herausfordernden Jahr für Kapitalanleger (z.B. russischer Angriffskrieg
gegen die Ukraine, Inflation, Energiekrise) erfolgte. Ende 2022 deckten die
beiden kvw-Versorgungsfonds mit 79,6 Mio. Euro liquiditätsmäßig 39,5 Prozent
der bilanzierten Pensions- und Beihilfeverpflichtungen gegenüber aktiven
Beamten und Versorgungsempfängern ab. Da für Einlagen in den
kvw-Versorgungsfonds keine Ausgabeaufschläge und deutlich geringere laufende
Kosten anfallen, sind diese gegenüber anderen Kapitalfonds kostenmäßig
günstiger.
2.4 Investitionen in regenerative
Energieerzeugungen
Der Kreis Borken unterhält bereits eigene Photovoltaikanlagen
(PV-Anlagen) auf der (ehemaligen) Hans-Christian-Andersen-Schule in Ahaus und
der Brüder Grimm-Schule in Gescher. Im Bau ist eine weitere PV-Anlage auf der
neuen Dreifachsporthalle am Berufskolleg Bocholt-West. Weitere eigene
PV-Anlagen auf drei kreiseigenen Parkflächen werden gegenwärtig näher
betrachtet und sollen voraussichtlich 2025 realisiert werden. Darüber hinaus
sind kreiseigene Dachflächen an Dritte für PV-Anlagen verpachtet.
Derzeit stellt der Kreis Borken mit der kreiseigenen
Entsorgungsgesellschaft Westmünsterland GmbH (egw) Überlegungen an, die
ehemalige Siedlungsabfalldeponie Borken-Hoxfeld, die sich nach Abschluss der
Oberflächenabdichtung in der sogenannten Nachsorgephase befindet, mit
weiteren PV-Anlagen auszustatten. Wer letztlich als Investor und Betreiber
fungieren würde und wie die darauf aufbauenden finanziellen und steuerlichen
Verflechtungen ausgestaltet werden, muss dann im Weiteren zwischen Kreis und
egw geklärt werden. Bereits im Jahr 2021 hat die egw auf dem Plateau dieser
Deponie eine PV-Anlage mit einer Leistung von 750 kWp errichtet. Die
Erfahrungen mit dieser speziell für die Deponie angepassten Anlage
(Befestigung, Erosionsschutz, Abstände zu Deponieeinrichtungen u.a.) sind
durchweg positiv.
Bei einer möglichen weiteren Belegung des Deponieplateaus sowie der
Südflanke der Deponie könnte eine PV-Anlage mit einer Leistung von rund 12 MW
errichtet werden. Die vorsichtig prognostizierten Baukosten liegen bei rund
11,4 Mio. Euro (ca. 950 € je kWp). Dazu kommen Nebenkosten wie beispielsweise
für den Ausgleich des landschaftsrechtlichen Eingriffs. Voraussetzung für die Anlagengröße ist
insbesondere eine positive Netzverträglichkeitsprüfung durch Westnetz.
Aufgrund der geplanten Größenordnung der PV-Anlage ist eine Direktvermarktung
verpflichtend. Damit die PV-Anlage über den Abschreibungszeitraum von 20 Jahren
gesichert wirtschaftlich bleibt, soll diese über das EEG im Marktprämienmodell vergütet
werden. Erste vorsichtige Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zeigen auf Basis der
geschätzten Baukosten und prognostizierten Energieerlöse eine Gesamtkapitalrendite
auf gesicherter EEG-Basis bei aller Behutsamkeit von rund 3 Prozent.
Die Vorplanungen der PV-Anlage wurden auch dazu genutzt, die Vorgaben
einer Windkraftanlage auf dem Deponiegelände abzuschätzen. Eine klare Aussage
für eine Zulässigkeit einer Windkraftanlage kann zum jetzigen Zeitpunkt noch
nicht getroffen werden.
2.5 Sonstige investive Zwecke des Kreises
Borken
Bei einem etwaigen Verkauf des RWE-Aktienpaketes könnte der
Verkaufserlös auch für eigene investive
Zwecke des Kreises Borken im Hochbau (z.B. Nachfolgelösung für den
Berufskollegstandort Stadtlohn, ca. 8,5 Mio. Euro) eingesetzt werden. Dadurch
könnte auf ansonsten - je nach Liquiditätslage im Kreishaushalt - erforderliche
Kreditaufnahmen verzichtet werden. Beispielsweise liegt der vergünstigte
Zinssatz bei dem - zuletzt vom Kreis Borken beanspruchten - Kreditprogramm
NRW.BANK.Kommunal Invest für ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung bei
derzeit 3,14 Prozent (10.11.2023).
3.
Vorschlag der
Kreisverwaltung zum weiteren Vorgehen
Zum weiteren Umgang mit dem
RWE-Aktienbestand soll die Interfraktionelle Arbeitsgruppe Verwaltungsentwicklung
die Vorbereitung einer Entscheidung in der Folge unterstützen. Dabei sollen
insbesondere bei einer möglichen Veräußerung die Art und Weise, der Zeitpunkt
und der weitere Verwendungszweck (z.B. anteilig für den kvw-Versorgungsfonds,
PV-Anlagen auf der Deponie Borken-Hoxfeld oder sonstige investive Zwecke)
vorberaten und dann dem Kreistag zur Entscheidung vorgelegt werden.
Entscheidungsalternative(n):
·
Der Kreis Borken behält bis auf Weiteres seinen
RWE-Bestand. Der Kreistag sollte sich erneut mit dem weiteren Umgang mit den
RWE-Aktien befassen, sobald der Aktienkurs an fünf aufeinanderfolgenden
Handelstagen den Wert von 30 Euro/Aktie unter- oder den Wert von 50 Euro/Aktie
überschreitet.
·
Der Kreistag legt eine andere Aktienkursunter- und
-obergrenze fest, bei deren Überschreitung sich der Kreistag erneut mit dem
Umgang mit den RWE-Aktien befassen soll.
·
Der Landrat wird beauftragt, den Aktienbestand des
Kreises Borken an der RWE AG zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt zu
veräußern. Die Kreisverwaltung wird beauftragt, die Nutzung des Verkaufserlöses
zu konkretisieren.
Finanzielle Auswirkungen: Ja
Nein
Höhe der
finanziellen Auswirkungen: €
Im Kreishaushalt
2024 sind RWE-Dividendenerträge von ca. 238 T-Euro eingeplant, die für
Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen.
Auch in den Folgejahren sind bislang RWE-Dividendenerträge
einkalkuliert.
Klimafolgenabschätzung:
Siehe Sachdarstellung.