Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion vom 06.02.2024
1. Der Kreis Borken befürwortet
und unterstützt die Initiierung und Ausweitung von "Power Purchase
Agreements" (PPAs) im Kreisgebiet im Sinne einer wachsenden dezentralen
und klimaneutralen, sicheren und preisgünstigen Stromproduktion für die
Eigenversorgung insbesondere der regionalen Wirtschaft (zu PPAs siehe Anhang
"Hintergrundinformationen").
2. Die Kreisverwaltung bittet dafür die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Borken (WFG), Unternehmen und lokale Betreiber von Anlagen zur Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien anzusprechen und ihre Vernetzung zu unterstützen, um relevante Informationen zu PPAs im Kreis Borken zu vermitteln. Dabei sollen auch die hiesigen Stadtwerke, weitere lokale Akteure und Unternehmen einbezogen werden, damit sie die Potenziale von PPAs im Kreisgebiet gezielt aufgreifen können. Zudem sollen bestehende regulatorische Einschränkungen für die Ausweitung von PPAs eruiert und gegebenenfalls deren Abbau gegenüber Bund und Land gefordert werden.
Sachdarstellung:
Ausgangslage
Die an der
Weltspitze liegenden Strompreise in Deutschland sind eine große Belastung für
die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auch im Kreis Borken. Und obwohl die
Grenzkosten für regenerative Energien, insbesondere Windstrom, erheblich unter
den Marktpreisen liegen, gehen diese infolge des für die Preisbestimmung an den
Börsen angewandte Merit-Order-Verfahren nicht in die jeweilige
Strompreisbildung ein. Denn hier bestimmt die jeweils zur Stromerzeugung
kommende teure Primärenergie, im Regelfall Erdgas, den Börsenpreis. Hinzu
kommen die hohen Netznutzungsentgelte.
PPAs sind sowohl für Erzeuger als auch für ihre Kunden
vorteilhaft
PPAs bieten in diesem Kontext alternative
marktwirtschaftliche und unternehmerische Möglichkeiten, denn durch die Vereinbarung von PPAs kann die regionale
Wirtschaft unmittelbar von den niedrigen Grenzkosten und dadurch günstigeren
Strompreisen profitieren. So liegt das Zuschlagsergebnis von
Windenergieausschreibungen der Bundesnetzagentur derzeit bei rund 7 Cent/kWh
garantiertem Abnahmepreis und spiegelt damit die Grenzkosten solcher Anlagen
wider. Hingegen ist der Börsen-Terminmarktpreis für die kommenden Jahre doppelt
so hoch.
Durch diesen Spread entstehen
Gestaltungsspielräume für PPAs - sowohl für die Produzenten als auch die
Abnehmer - und damit Chancen, den individuellen Strompreis deutlich zu
verbessern. Durch PPAs werden also für beide Seiten wirtschaftlich vorteilhafte
Konditionen sowie langfristige Planungen ermöglicht.
Vorteilhafte Situation im Kreis Borken
Der Kreis Borken ist aufgrund der vielen
bereits existierenden dezentralen Produktionskapazitäten für Erneuerbare
Energie ganz besonders für PPAs prädestiniert. So werden heute bilanziell
bereits 100 % des zurzeit im Kreis benötigten Stroms regenerativ und dezentral
erzeugt, insbesondere durch Photovoltaik-, Windenergie- und Biogasanlagen.
Bis spätestens 2040 möchte der
Kreis Borken zudem rechnerisch klimaneutral sein und bereitet sich darauf
zielgerichtet und strukturiert vor: Basis für dieses Ziel sind im Rahmen des
Kreisentwicklungsstrategie "Kompass 2035" definierte
"Routen" und daran angelehnt konkrete "Maßnahmensteckbriefe"
aus dem Klimaschutzkonzept für den Kreis Borken. Auch das "Smart Region
Konzept für den Kreis Borken" enthält konkrete "Schwerpunktthemen und
Maßnahmen" für die lokale effiziente Energieproduktion und -versorgung,
die mit der PPA-Strategie verbunden werden können.
Pilotregion für PPAs im Kreis Borken
Aufgrund des großen Potentials
für zusätzliche dezentrale Erneuerbare-Energieproduktion im Kreis Borken bietet
sich die herausragende Möglichkeit, insbesondere mithilfe von PPAs einen
regionalen Strommarkt, der vor allem aus Windenergie-, Biomasse- und
Photovoltaikanlagen gespeist wird, zum Vorteil für die heimische Wirtschaft und
mittelbar auch der Bürgerinnen und Bürger aufzubauen, und damit die bestehende
Versorgung um regionale Erneuerbare Energien zu ergänzen.
Vor diesem Hintergrund und zur
Planung und Umsetzung weiterer Pilotprojekte von PPAs im Kreis Borken sollen
die interessierten Unternehmen der Region durch die Begleitung der
Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit weiteren relevanten Akteuren vernetzt und
dadurch Schritt für Schritt geeignete Aktivitäten unterstützt werden. Im Rahmen
des Prozesses sollen potenziell ergänzende Handlungsinstrumente in den Blick
genommen sowie geprüft werden, ob bereits existierende Netzwerkmodelle, wie
beispielsweise der Energie-Pool Reken e.V., sinnvolle Kooperationsformen auch
für die ganze Region sein können.
Außerdem wird es durch die
intendierte ganzheitliche Betrachtung von PPAs möglich, dass die zukünftig zu
erwartenden Förderprogramme von Land, Bund und EU sowie die Chancen weiterentwickelter
dezentraler Strommarktdesigns und -regularien zielgerichteter und mit
strategisch erarbeiteten Know-How-Vorteilen im Vergleich zu anderen Regionen
genutzt werden können.
Ziel ist, die Unternehmen und
die Bevölkerung im Westmünsterland langfristig und verlässlich mit preiswerter
regionaler Energie zu versorgen: durch die erfolgreiche Energie-Transformation
vor allem mittelständischer Unternehmen und die Schaffung von
Wettbewerbsvorteilen durch die Versorgung mit preisgünstigem dezentral erzeugtem
Strom zur Eigenversorgung. Zudem eröffnen sich durch PPAs Möglichkeiten zur
unmittelbaren Nutzung von Windkraftanlagen, Solarenergie und
Blockheizkraftwerken inklusive Wärmeproduktion, sowie von Speichertechnologien,
Wasserstoff-Elektrolyseuren, E-Fuels u.a. Eine besondere Rolle übernehmen die
regionalen Biogasanlagen, denn sie können sogenannte "Dunkelflauten"
flexibel ausgleichen.
Hintergrundinformationen
-> Was sind
Power Purchase Agreements (PPA)?
Quelle EnBW:
"Power-Purchase-Agreement (kurz: “PPA”), bedeutet „Stromkaufvereinbarung“
und ist im aktuellen energiewirtschaftlichen Kontext ein langfristiger
Stromliefervertrag. Grundsätzlich sind PPAs technologieneutral – sie regeln den
Verkauf von Strom zwischen zwei Parteien. Das Vertragsverhältnis kann entweder
zwischen Energieerzeugern und Energiehändlern, zwischen Energieerzeugern und
Endverbrauchern oder zwischen Energiehändlern und Endverbrauchern geschlossen
werden.
In der aktuellen
öffentlichen Diskussion wird über PPAs von erneuerbaren Energien Anlagen
(EE-Anlagen) gesprochen. (...) Vertraglich zugrundeliegende Strommengen werden
demnach nicht durch konventionelle Kraftwerke, sondern durch EE-Anlagen
erzeugt."
Quelle:
wikipedia.de: "(...) Im Rahmen der Energiewende sind PPA ein wichtiges
Instrument, um Kraftwerke im Bereich der Erneuerbaren Energien unabhängig vom
Erneuerbare-Energien-Gesetz zu finanzieren und zu betreiben sowie Abnehmer
langfristig mit Grünstrom zu versorgen (...)
In einem PPA
werden alle kommerziellen Bedingungen für den Stromverkauf zwischen den beiden
Parteien (...) festgelegt. (...) Im Falle der dezentralen Stromerzeugung (bei
dem aus der Erzeugungsanlage ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes direkt
an den Abnehmer geliefert wird) haben sich die kommerziellen PPAs als eine
Variante entwickelt, die z. B. Unternehmen ermöglicht, Strom direkt vom
Erzeuger und nicht vom Versorgungsunternehmen zu kaufen. Dieser Ansatz
erleichtert die Finanzierung von dezentralen Erzeugungsanlagen wie Photovoltaik
und Windkraftanlagen. (...)"
Detaillierte
Informationen zu PPAs:
https://www.interconnector.de/wissen/power-purchase-agreement-ppa/
Aktuelle
Vorschläge der EU-Kommission für ein weiterentwickeltes Strommarktdesign
insbesondere durch die PPAs eröffnen zeitnahe Perspektiven zur dezentralen
Stromversorgung mit stabilen und preisgünstigen Strompreisen. PPAs erfordern
eine digitale Steuerung und ggfls. spezialisierte Dienstleister, die sowohl für
die Verteilung und Abrechnung für den "eigenen" Strom als auch für
den eventuell nötigen Zukauf sowie für den Verkauf von Überschussmengen
verantwortlich sind.
Der dringend
notwendige zügige Ausbau "smarter" Stromnetze muss zudem die
regionale Energieversorgung so gestalten, dass das heute oft überlastete
Stromnetz zukünftig größere Kapazitäten bewältigen kann, damit die Wirtschaft
in die Lage versetzt wird, auf der Basis von PPAs selbst preisgünstigen Strom
zu produzieren, zu verwenden und zu vermarkten.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Markus Schulte
Thomas Nünning
Kevin Schneider