Betreff
Power Purchase Agreements (PPAs) im Kreis Borken;
Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion vom 06.02.2024
Vorlage
0047/2024/KREIS
Art
Antrag CDU und FDP

1. Der Kreis Borken befürwortet und unterstützt die Initiierung und Ausweitung von "Power Purchase Agreements" (PPAs) im Kreisgebiet im Sinne einer wachsenden dezentralen und klimaneutralen, sicheren und preisgünstigen Stromproduktion für die Eigenversorgung insbesondere der regionalen Wirtschaft (zu PPAs siehe Anhang "Hintergrundinformationen").

2. Die Kreisverwaltung bittet dafür die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Borken (WFG), Unternehmen und lokale Betreiber von Anlagen zur Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien anzusprechen und ihre Vernetzung zu unterstützen, um relevante Informationen zu PPAs im Kreis Borken zu vermitteln. Dabei sollen auch die hiesigen Stadtwerke, weitere lokale Akteure und Unternehmen einbezogen werden, damit sie die Potenziale von PPAs im Kreisgebiet gezielt aufgreifen können. Zudem sollen bestehende regulatorische Einschränkungen für die Ausweitung von PPAs eruiert und gegebenenfalls deren Abbau gegenüber Bund und Land gefordert werden.


 

 

 

Sachdarstellung:

Ausgangslage

Die an der Weltspitze liegenden Strompreise in Deutschland sind eine große Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auch im Kreis Borken. Und obwohl die Grenzkosten für regenerative Energien, insbesondere Windstrom, erheblich unter den Marktpreisen liegen, gehen diese infolge des für die Preisbestimmung an den Börsen angewandte Merit-Order-Verfahren nicht in die jeweilige Strompreisbildung ein. Denn hier bestimmt die jeweils zur Stromerzeugung kommende teure Primärenergie, im Regelfall Erdgas, den Börsenpreis. Hinzu kommen die hohen Netznutzungsentgelte.

PPAs sind sowohl für Erzeuger als auch für ihre Kunden vorteilhaft

PPAs bieten in diesem Kontext alternative marktwirtschaftliche und unternehmerische Möglichkeiten, denn durch die Vereinbarung von PPAs kann die regionale Wirtschaft unmittelbar von den niedrigen Grenzkosten und dadurch günstigeren Strompreisen profitieren. So liegt das Zuschlagsergebnis von Windenergieausschreibungen der Bundesnetzagentur derzeit bei rund 7 Cent/kWh garantiertem Abnahmepreis und spiegelt damit die Grenzkosten solcher Anlagen wider. Hingegen ist der Börsen-Terminmarktpreis für die kommenden Jahre doppelt so hoch.

Durch diesen Spread entstehen Gestaltungsspielräume für PPAs - sowohl für die Produzenten als auch die Abnehmer - und damit Chancen, den individuellen Strompreis deutlich zu verbessern. Durch PPAs werden also für beide Seiten wirtschaftlich vorteilhafte Konditionen sowie langfristige Planungen ermöglicht.

Vorteilhafte Situation im Kreis Borken

Der Kreis Borken ist aufgrund der vielen bereits existierenden dezentralen Produktionskapazitäten für Erneuerbare Energie ganz besonders für PPAs prädestiniert. So werden heute bilanziell bereits 100 % des zurzeit im Kreis benötigten Stroms regenerativ und dezentral erzeugt, insbesondere durch Photovoltaik-, Windenergie- und Biogasanlagen.

Bis spätestens 2040 möchte der Kreis Borken zudem rechnerisch klimaneutral sein und bereitet sich darauf zielgerichtet und strukturiert vor: Basis für dieses Ziel sind im Rahmen des Kreisentwicklungsstrategie "Kompass 2035" definierte "Routen" und daran angelehnt konkrete "Maßnahmensteckbriefe" aus dem Klimaschutzkonzept für den Kreis Borken. Auch das "Smart Region Konzept für den Kreis Borken" enthält konkrete "Schwerpunktthemen und Maßnahmen" für die lokale effiziente Energieproduktion und -versorgung, die mit der PPA-Strategie verbunden werden können.

Pilotregion für PPAs im Kreis Borken

Aufgrund des großen Potentials für zusätzliche dezentrale Erneuerbare-Energieproduktion im Kreis Borken bietet sich die herausragende Möglichkeit, insbesondere mithilfe von PPAs einen regionalen Strommarkt, der vor allem aus Windenergie-, Biomasse- und Photovoltaikanlagen gespeist wird, zum Vorteil für die heimische Wirtschaft und mittelbar auch der Bürgerinnen und Bürger aufzubauen, und damit die bestehende Versorgung um regionale Erneuerbare Energien zu ergänzen.

Vor diesem Hintergrund und zur Planung und Umsetzung weiterer Pilotprojekte von PPAs im Kreis Borken sollen die interessierten Unternehmen der Region durch die Begleitung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit weiteren relevanten Akteuren vernetzt und dadurch Schritt für Schritt geeignete Aktivitäten unterstützt werden. Im Rahmen des Prozesses sollen potenziell ergänzende Handlungsinstrumente in den Blick genommen sowie geprüft werden, ob bereits existierende Netzwerkmodelle, wie beispielsweise der Energie-Pool Reken e.V., sinnvolle Kooperationsformen auch für die ganze Region sein können.

Außerdem wird es durch die intendierte ganzheitliche Betrachtung von PPAs möglich, dass die zukünftig zu erwartenden Förderprogramme von Land, Bund und EU sowie die Chancen weiterentwickelter dezentraler Strommarktdesigns und -regularien zielgerichteter und mit strategisch erarbeiteten Know-How-Vorteilen im Vergleich zu anderen Regionen genutzt werden können.

Ziel ist, die Unternehmen und die Bevölkerung im Westmünsterland langfristig und verlässlich mit preiswerter regionaler Energie zu versorgen: durch die erfolgreiche Energie-Transformation vor allem mittelständischer Unternehmen und die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch die Versorgung mit preisgünstigem dezentral erzeugtem Strom zur Eigenversorgung. Zudem eröffnen sich durch PPAs Möglichkeiten zur unmittelbaren Nutzung von Windkraftanlagen, Solarenergie und Blockheizkraftwerken inklusive Wärmeproduktion, sowie von Speichertechnologien, Wasserstoff-Elektrolyseuren, E-Fuels u.a. Eine besondere Rolle übernehmen die regionalen Biogasanlagen, denn sie können sogenannte "Dunkelflauten" flexibel ausgleichen.

Hintergrundinformationen

-> Was sind Power Purchase Agreements (PPA)?

Quelle EnBW: "Power-Purchase-Agreement (kurz: “PPA”), bedeutet „Stromkaufvereinbarung“ und ist im aktuellen energiewirtschaftlichen Kontext ein langfristiger Stromliefervertrag. Grundsätzlich sind PPAs technologieneutral – sie regeln den Verkauf von Strom zwischen zwei Parteien. Das Vertragsverhältnis kann entweder zwischen Energieerzeugern und Energiehändlern, zwischen Energieerzeugern und Endverbrauchern oder zwischen Energiehändlern und Endverbrauchern geschlossen werden.

In der aktuellen öffentlichen Diskussion wird über PPAs von erneuerbaren Energien Anlagen (EE-Anlagen) gesprochen. (...) Vertraglich zugrundeliegende Strommengen werden demnach nicht durch konventionelle Kraftwerke, sondern durch EE-Anlagen erzeugt."

Quelle: wikipedia.de: "(...) Im Rahmen der Energiewende sind PPA ein wichtiges Instrument, um Kraftwerke im Bereich der Erneuerbaren Energien unabhängig vom Erneuerbare-Energien-Gesetz zu finanzieren und zu betreiben sowie Abnehmer langfristig mit Grünstrom zu versorgen (...)

In einem PPA werden alle kommerziellen Bedingungen für den Stromverkauf zwischen den beiden Parteien (...) festgelegt. (...) Im Falle der dezentralen Stromerzeugung (bei dem aus der Erzeugungsanlage ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes direkt an den Abnehmer geliefert wird) haben sich die kommerziellen PPAs als eine Variante entwickelt, die z. B. Unternehmen ermöglicht, Strom direkt vom Erzeuger und nicht vom Versorgungsunternehmen zu kaufen. Dieser Ansatz erleichtert die Finanzierung von dezentralen Erzeugungsanlagen wie Photovoltaik und Windkraftanlagen. (...)"

Detaillierte Informationen zu PPAs: https://www.interconnector.de/wissen/power-purchase-agreement-ppa/

Aktuelle Vorschläge der EU-Kommission für ein weiterentwickeltes Strommarktdesign insbesondere durch die PPAs eröffnen zeitnahe Perspektiven zur dezentralen Stromversorgung mit stabilen und preisgünstigen Strompreisen. PPAs erfordern eine digitale Steuerung und ggfls. spezialisierte Dienstleister, die sowohl für die Verteilung und Abrechnung für den "eigenen" Strom als auch für den eventuell nötigen Zukauf sowie für den Verkauf von Überschussmengen verantwortlich sind.

Der dringend notwendige zügige Ausbau "smarter" Stromnetze muss zudem die regionale Energieversorgung so gestalten, dass das heute oft überlastete Stromnetz zukünftig größere Kapazitäten bewältigen kann, damit die Wirtschaft in die Lage versetzt wird, auf der Basis von PPAs selbst preisgünstigen Strom zu produzieren, zu verwenden und zu vermarkten.


  


Mit freundlichen Grüßen

gez.

Markus Schulte

Thomas Nünning

Kevin Schneider