Betreff
Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen dem Kreis Recklinghausen und dem Kreis Borken für eine interkommunale Zusammenarbeit in der Entsorgung von Bioabfällen und Krankenhausabfällen
Vorlage
0257/2024/KREIS
Art
Beschlussvorlage

1.    Der Vertiefung und Verlängerung der interkommunalen Zusammenarbeit mit dem Kreis Recklinghausen in der dargestellten Form wird zugestimmt.

2.    Der Landrat wird beauftragt,

·         die öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die teilweise Delegation von Aufgaben aus dem Bereich der Abfallwirtschaft im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit zwischen dem Kreis Recklinghausen und dem Kreis Borken sowie

·         die Abstimmungsvereinbarung über die Entsorgung von Bioabfällen

des Kreises Recklinghausen und von Krankenhausabfällen des Kreises Borken abzuschließen.

3.    Die Verwaltung wird ermächtigt, redaktionelle Änderungen an der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vorzunehmen, die im Rahmen des kommunalaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens von der Kommunalaufsicht als erforderlich bezeichnet werden.

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Rechtsgrundlage:

§§ 23 ff. Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Nordrhein-Westfalen (GkG NRW)


Sachdarstellung:

 

1.    Ausgangslage

 

Status quo

Die Kreise Recklinghausen und Borken sind jeweils für ihr Gebiet die für die Entsorgung (Verwertung/Beseitigung) zuständigen öffentlich-rechtlichen Entscheidungsträger gem. den §§ 17, 20 KrWG NRW i. V. m. § 5 Abs. 1 LAbfG NRW und damit zuständig für die Entsorgung (Verwertung/Beseitigung) von Abfällen aus privaten Haushalten und Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen.

Bereits seit dem 01.01.2014 kooperieren der Kreis Recklinghausen und der Kreis Borken auf Basis einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vom 02.10.2013 im Bereich der Entsorgung und Bewirtschaftung von Bioabfällen miteinander (vgl. Beschlussvorlage 0126/2013 aus der Kreistagssitzung vom 18.07.2013). Auf Grundlage dieser Vereinbarung übernimmt der Kreis Borken für den Kreis Recklinghausen im Rahmen einer delegierten Aufgabenübertragung die Verwertung der Bioabfälle des Kreises Recklinghausen, die dann durch die Entsorgungsgesellschaft Westmünsterland mbH (EGW) als 100 %-ige Tochtergesellschaft des Kreises Borken am Standort Gescher/Velen hochwertig verarbeitet werden.

 

Intention / beabsichtigtes Vorhaben

Die Kreise beabsichtigen nun, ihre Zusammenarbeit in Form einer gegenseitigen Delegation von Aufgaben aus dem Bereich der Abfallwirtschaft zu verlängern und zu vertiefen, indem die Pflicht zur Entsorgung von Bioabfällen (weiterhin) vom Kreis Recklinghausen auf den Kreis Borken übertragen sowie die dem Kreis Borken obliegende Pflicht zur Entsorgung der in seinem Gebiet anfallenden Krankenhausabfälle vom Kreis Borken auf den Kreis Recklinghausen übertragen wird. Zu diesem Zweck soll eine neue öffentlich-rechtliche Vereinbarung für die Zeit ab dem 01.01.2025 abgeschlossen werden.

Durch diese Vertiefung der interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich der Abfallwirtschaft möchten die beiden Kreise sicherstellen, dass für das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen, schadlosen und hochwertigen Verwertung und an einer allgemeinwohlverträglichen Beseitigung sowie sonstigen Bewirtschaftung von Abfällen Sorge getragen wird. Sie treten hiermit für das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft durch Stärkung der Abfallvermeidung und des Recyclings von Abfällen ein.

 

 

2.    Geplante Ausgestaltung der zukünftigen Kooperation

 

Inhaltliche Ausgestaltung

Die bereits bestehende öffentlich-rechtliche Vereinbarung soll durch eine neue öffentlich-rechtliche Vereinbarung auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 GkG ersetzt werden, mit der im Rahmen der gemeinsamen Aufgabenerfüllung die jeweiligen Pflichten der beiden Kreise mit befreiender Wirkung (Delegation) jeweils auf den anderen Kooperationspartner übertragen werden.

Weiterhin soll der Kreis Borken im Rahmen dieser delegierten Aufgabenübertragung in eigener Zuständigkeit gegen Kostenerstattung die Verwertung Bioabfälle für den Kreis Recklinghausen übernehmen. Zusätzlich soll zukünftig die Pflicht zur Entsorgung von Krankenhausabfällen, die im Gebiet des Kreises Borken anfallen, vom Kreis Borken auf den Kreis Recklinghausen delegiert werden. Hierbei handelt es sich um nach früher gebräuchlicher Terminologie sogenannte „B-Abfälle“, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden (z. B. Wund- und Gipsverbände, Wäsche, Einwegkleidung, Windeln).

 

Operative Durchführung / Beauftragung

Zur näheren Ausgestaltung der Aufgabenübertragung soll wie bereits zuvor eine Abstimmungsvereinbarung zwischen dem Kreis Borken und dem Kreis Recklinghausen geschlossen werden, deren Laufzeit an die öffentlich-rechtliche Vereinbarung gekoppelt ist. Diese Abstimmungsvereinbarung regelt u. a. den Anlieferungsort der Abfälle, den Anlieferungsturnus, die Verwiegung der Abfälle und die zu zahlenden Entgelte.

Für den Kreis Borken soll operativ weiterhin die EGW tätig werden. Für den Kreis Recklinghausen wird operativ der EKOCity Abfallwirtschaftsverband mit Sitz in Herne (EKOCity) tätig. EKOCity übernimmt für seine Mitglieder u. a. die thermische Behandlung und die Beseitigung von überlassungspflichtigen/überlassenen Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen.

 

Laufzeit

Die Vereinbarung soll für den Zeitraum vom 01.01.2025 bis zum 31.12.2039 – mithin für eine Laufzeit von 15 Jahren – abgeschlossen werden und sich anschließend um jeweils fünf Jahre verlängern, wenn sie nicht mit einer Frist von 24 Monaten vor Laufzeitende gekündigt wird. Auf diese Weise kann für beide Parteien eine langfristige Planbarkeit, Investitionssicherheit und Entsorgungssicherheit in Bezug auf die jeweils überlassenen Abfälle erreicht werden.

 

3.    Vorteile der Interkommunalen Zusammenarbeit

Folgende Aspekte sprechen dafür, dass die geplante Kooperationsform sich in besonderem Maße dazu eignet, die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße, schadlose und hochwertige Verwertung bzw. Beseitigung der Bioabfälle respektive Krankenhausabfälle sicherzustellen:

 

3.1 Fortführung der erfolgreichen Bioabfallkooperation und Wirtschaftlichkeit

Der Kreis Recklinghausen und der Kreis Borken blicken auf eine bereits über zehnjährige erfolgreiche Kooperation im Bereich der Bioabfallverwertung zurück. Durch die Kooperation wurde eine nachhaltige abfallwirtschaftliche Vernetzung von Stoffströmen in den beiden Kreisgebieten erreicht. Transporte von Bioabfällen aus dem Kreis Recklinghausen zur EGW und von thermisch zu behandelnden Abfällen aus dem Kreis Borken zur Anlage der AGR in Herten konnten durch eine Voll-Voll-Logistik optimiert werden. Diese bereits etablierten logistischen und technischen Strukturen bieten eine solide Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit und sollen auch zukünftig weiterhin genutzt werden.

Durch Mengeneffekte und die resultierende Verteilung der Anlagenfixkosten kann für beide Kreise eine Kostensenkung in Bezug auf die Bioabfallbehandlungskosten erreicht werden. Diese wirtschaftlichen Synergien sowie die langfristige Anlagenauslastung ermöglichen zukunftsgerichtete Investitionen in moderne Anlagentechnik (sh. Punkt 3.2).

 

3.2 Hochwertige Bioabfallbehandlung durch Kaskadennutzung

Die klimapolitischen Ziele der Bundesrepublik haben die regenerative Energieerzeugung aus Bioabfällen zunehmend in den Fokus gerückt. Durch sogenannte Kaskadennutzung der Bioabfälle sollen Wertstoffpotentiale im Rahmen der Vergärung und Kompostierung der Bioabfälle optimal energetisch und stofflich genutzt werden.

Auch die Kreise Recklinghausen und Borken verfolgen das Ziel einer hochwertigen und klimaoptimalen Bioabfallbehandlung. Mit den Bioabfallmengen beider Kreise plant die durch den Kreis Borken beauftragte EGW als 100 %-ige Tochtergesellschaft des Kreises Borken den Bau einer modernen Bioabfall-Vollstrom-Vergärungsanlage. Neben der Erzeugung von hochwertigem Qualitätskompost soll durch die Vergärung der Bioabfälle Biomethan erzeugt werden, welches in das Erdgasnetz eingespeist wird. So werden der Anteil an klimafreundlichem Gas sowie die Versorgungssicherheit erhöht. Zudem besteht in dem Prozess das Potential einer CO-Abscheidung. Insgesamt tragen die Erzeugung von Biogas und die Aufbereitung zu Biomethan und dessen Einspeisung ins Erdgasnetz somit zur Energiewende und zur Reduzierung der CO-Emissionen bei.

Das Anlagenkonzept der Vollstromvergärung mit Einspeisung des Biomethans in das Erdgasnetz bietet mithin eine ausgezeichnete Grundlage für eine ökonomische sowie zugleich ökologisch nachhaltige und zukunftsorientierte Kooperation der Kreise Recklinghausen und Borken.

Neben der Energiegewinnung aus Biomasse ist auch die Dekarbonisierung der Transporte ein wichtiges Element der Kooperation. Für die Rundläufe zwischen dem Anlagenstandort der EGW in Gescher, des MHKW der AGR in Herten und der Bioabfall-Umladeanlage in Herten-Bertlich ist seit dem Frühjahr 2024 erfolgreich eine batterieelektronisch betriebene Sattelzugmaschine für den Transport der Bio- und Restabfälle im Einsatz, die mit eigenem Strom aus Windkraft- und Solaranlagen betrieben wird. Dieser Weg soll strategisch fortgesetzt werden, um die Transportlogistik perspektivisch komplett auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen.

 

3.3 Entsorgungssicherheit für Krankenhausabfälle

Bisher wurden die Krankenhausabfälle aus dem Kreis Borken über verschiedene Kontingente thermisch beseitigt. Da es sich um Abfälle zur Beseitigung handelt, für die weder eine Sortierung noch eine Entsorgung im Ausland zulässig sind, kann nun über die Kooperation mit dem Kreis Recklinghausen langfristig ein gesicherter und zuverlässiger Entsorgungsweg für die Krankenhausabfälle aus dem Kreis Borken gewährleistet werden. Für die Entsorgung stehen dem Kreis Recklinghausen mit den Anlagen des Abfallwirtschaftsverbandes EkoCity sich technisch auf dem aktuellen Stand befindende Anlagen mit ökologischen Spitzenwerten zur Verfügung. Auf diese Weise kann der Kreis Recklinghausen seine abfallwirtschaftliche Kernkompetenz im Bereich der thermischen Behandlung von Abfällen einbringen.

 

Fazit

Insgesamt dient die interkommunale Kooperation folglich in jeder Hinsicht der gemeinsamen Zielsetzung beider Kreise einer an den öffentlich-rechtlichen Zielen des KrWG orientierten, kostengünstigen, qualitativ – auch im Hinblick auf Umweltziele – hochwertigen Entsorgung. Sie gewährleistet eine langfristige Entsorgungssicherheit in Bezug auf die beiden Abfallströme und ist dem Ziel der Gebührenstabilität in den Gebieten der beteiligten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuträglich, wovon auch die Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen Kreisen profitieren.

 

4.    Weiteres Verfahren

Da es sich um eine vergaberechtsfreie interkommunale Zusammenarbeit im Sinne des § 108 Abs. 6 GWB handelt, besteht für die Leistungen keine Ausschreibungspflicht.

Die öffentlich-rechtliche Vereinbarung ist bereits mit der für beide Vertragspartner zuständigen Bezirksregierung Münster vorabgestimmt worden, die die nach dem GkG NRW erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigungsfähigkeit bereits signalisiert hat. Sie wird – positive Beschlüsse aus beiden Kreisgremien vorausgesetzt – der Bezirksregierung nach Unterzeichnung zur finalen Genehmigung vorgelegt.

Die Planung zum Bau der Vollstromvergärungsanlage wird von der EGW intensiv mit dem Ziel der Genehmigungsreife vorangetrieben, sodass die Inbetriebnahme der skizzierten Anlage im zweiten Halbjahr 2027 angestrebt wird.

 

 

Entscheidungsalternative(n):

Ja

 

Nein

 


Finanzielle Auswirkungen:

Direkte finanzielle Auswirkungen außerhalb der ansatzfähigen Kosten nach §§ 4 und 6 KAG bestehen nicht. Die Behandlungskosten der EGW im Bereich der Bioabfallverwertung können durch die langfristig weiterhin aus dem Gebiet des Kreises Recklinghausen generierten Mengen stabil gehalten werden.