Rechtsgrundlagen:
§ 26 KrO,
§ 53 KrO i.V.m. §§ 108 ff. GO
Sachdarstellung:
1. Überblick über die
Informationsrechte des Kreistags
Die Information des Kreistags über Angelegenheiten kreiseigener Beteiligungen wird durch verschiedene Rechte gewährleistet, die sich nach Anlass und Form der Informationsgewährung sowie nach der Person des Informationspflichtigen unterscheiden. So sind einerseits der Landrat und die Mitglieder von Gesellschaftsorganen unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, dem Kreistag Bericht zu erstatten (Unterrichtungspflichten), während dieser auch aus eigener Initiative heraus bestimmte Auskünfte verlangen (Auskunftsrechte) oder Unterlagen einsehen kann (Akteneinsichtsrechte).
2. rechtliche Rahmenbedingungen
Voraussetzungen und Umfang dieser Rechte werden – wie das Recht der kommunalen Beteiligungen insgesamt – von den gesellschaftsrechtlichen Regelungen des Bundes (GmbHG, AktG) und von den kommunalrechtlichen Vorschriften des Landes (KrO, GO) bestimmt. Während sich das Gesellschaftsrecht auf unternehmerische Belange konzentriert und vor allem dem Schutz der Gesellschaft, ihrer Gläubiger sowie des Geschäftsverkehrs dient, soll das Kommunalrecht die Interessen der Gebietskörperschaften und die Mitwirkung ihrer Gremien sichern. Aufgrund der lückenhaften gesetzlichen Verzahnung und der tendenziell gegenläufigen Zweckrichtungen bilden diese beiden Rechtsgebiete eine komplexe Gemengelage, innerhalb derer sachgerechte Lösungen nur einzelfallbezogen und im Wege einer umfassenden Interessenabwägung gefunden werden können.
Dieser Umstand schlägt sich auch in der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Informationsrechte des Kreistags nieder. Sie stehen in einem Spannungsverhältnis mit den Interessen des Unternehmens an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und seiner Pflicht zum Schutz vertraulicher Daten von Geschäftspartnern und Mitarbeitern.
3.
Unterrichtungspflichten gegenüber dem Kreistag
a. die Unterrichtungspflicht des Landrats
Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 KrO hat der Landrat den Kreistag über alle wichtigen Angelegenheiten der Kreisverwaltung zu unterrichten. Wichtig ist eine Angelegenheit grundsätzlich dann, wenn sie einen Beschluss des Kreistags aus Rechtsgründen – insbesondere gemäß § 26 Abs. 1 KrO, der Hauptsatzung des Kreises oder der Geschäftsordnung des Kreistags – erfordert oder wenn eine Befassung des Kreistags wegen ihrer politischen, öffentlichen oder wirtschaftlichen Bedeutung geboten erscheint. Im Einzelfall entscheidet hierüber – ebenso wie über die Frage, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung vorliegt (§ 15 der Hauptsatzung des Kreises Borken) – der Landrat nach pflichtgemäßem Ermessen.
Auch über Art und Umfang der Unterrichtung entscheidet der Landrat nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei hat er das Wohl der Gesellschaft mit dem Informationsbedürfnis des Kreistags abzuwägen und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen sowie personenbezogenen Daten Dritter zu beachten. Bei Verstößen kann er sich schadensersatzpflichtig und gemäß § 203 StGB auch strafbar machen.
b. die Unterrichtungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder
Die vom Kreis in Aufsichtsräte entsandten Mitglieder sind kommunalrechtlich gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 KrO i.V.m. § 113 Abs. 5 Satz 1 GO verpflichtet, den Kreistag über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 GO besteht diese Pflicht aber nur insoweit, als durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine abweichende gesetzliche Regelung stellt § 52 GmbHG i.V.m. §§ 116, 93 Satz 3 AktG dar, wonach die Mitglieder eines GmbH-Aufsichtsrates verpflichtet sind, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu wahren. Für die vom Kreistag entsandten Aufsichtsratsmitglieder ist die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 394 AktG aber insoweit eingeschränkt, als eine Weitergabe von vertraulichen Informationen für die Berichterstattung gegenüber dem Kreis notwendig ist.
Die Notwendigkeit definiert sich vor allem über den Zweck der Unterrichtungspflicht, die darin besteht, den Kreistag rechtzeitig in die Lage zu versetzen, sachgerecht über die Beteiligungsfragen entscheiden zu können. Dazu gehört insbesondere auch die Entscheidung darüber, den Aufsichtsratsmitgliedern Weisungen zu erteilen, wozu jedenfalls dann die Befugnis besteht, wenn dies in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen ist (vgl. §§ 26 Abs. 4, 5 KrO sowie § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass eine Weisung nur dann in Betracht kommt, wenn gesellschaftsintern die Zuständigkeit des Aufsichtsrates (kein Eingriff in die Kompetenzen der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlung) und kreisintern die Zuständigkeit des Kreistags (keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung) begründet ist.
Die Unterrichtungspflicht darf zudem, wie auch § 395 AktG zeigt, nicht zu einer faktischen Veröffentlichung von Unternehmensinterna führen. Außerdem müssen auch vertrauliche Daten Dritter, insbesondere fremde Unternehmensgeheimnisse und personenbezogene Daten von Geschäftspatnern und Arbeitnehmern, geschützt werden.
Grundsätzlich müssen die Aufsichtsratsmitglieder in eigener Verantwortung darüber entscheiden, ob sie wegen ihrer Verschwiegenheitspflicht an einer Unterrichtung des Kreistags gehindert sind. Dabei haben sie zu berücksichtigen, dass Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht für sie persönlich straf- und haftungsrechtliche Folgen haben können.
Ein sachgerechter Ausgleich wird dadurch ermöglicht, dass die Unterrichtungspflicht bei besonders schutzwürdigen Informationen nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich des Adressaten beschränkt ist. Dementsprechend besteht die Unterrichtungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder bei besonders schutzwürdigen Informationen entgegen § 113 Abs. 5 Satz 1 GO primär nicht gegenüber dem Kreistag, sondern gegenüber dem Landrat, welcher seinerseits gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 KrO die Pflicht hat, den Kreistag über alle wichtigen Angelegenheiten der Verwaltung zu unterrichten (s.o., 3.a.).
c. die Unterrichtungspflicht der Mitglieder der Gesellschafterversammlung
Entsprechend der Rechtslage für Aufsichtsratsmitglieder stellt sich auch die Unterrichtungspflicht der vom Kreis in die Gesellschafterversammlungen entsandten Vertreter dar. Auch sie besteht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 GO nur insoweit, als durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Zwar ordnet das Gesellschaftsrecht eine Verschwiegenheitspflicht nicht ausdrücklich an, die Bindung der Gesellschafter an das Gesellschaftswohl steht einer unbeschränkten Veröffentlichung von Unternehmensinterna gleichwohl entgegen.
Auch die vom Kreis in die Gesellschafterversammlungen entsandten Vertreter haben grundsätzlich das Informationsbedürfnis der Gremien des Kreises und das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft eigenverantwortlich gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die Unterrichtungspflicht auf die unternehmensinterne Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, also auf Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, beschränkt. Zudem richtet sich die Frage, welchem Gremium des Kreises welche Informationen zu übermitteln sind, nach der Kompetenzverteilung innerhalb des Kreises, so dass der Kreistag nur insoweit einen Auskunftsanspruch besitzt, als in der Angelegenheit eine Beschlussfassung in Betracht kommt.
4.
Auskunftsanspruch des Kreistags
a. Auskunftsanspruch gegen den Landrat
Seit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung hat nicht nur der Kreistag als ganzes, sondern auch jedes einzelne Kreistagsmitglied einen Auskunftsanspruch gegen den Landrat (§ 26 Abs. 4 Satz 1 KrO), der aber nur im Rahmen von Kreistagssitzungen geltend gemacht werden kann. Außerdem ist das Recht laut Gesetzesbegründung an die Unterrichtungspflichten des Landrats geknüpft, so dass es inhaltlich vergleichbar ausgestaltet ist (s.o., 3.a.). Insbesondere ist es ebenfalls durch den Schutz von Unternehmensinteressen und Daten Dritter begrenzt.
b. Auskunftsanspruch gegen die Mitglieder von Organen kreiseigener Gesellschaften
Ein Auskunftsanspruch des Kreistags oder einzelner Kreistagsmitglieder gegenüber Organmitgliedern ist im Gesetz nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit der Unterrichtungspflicht der Organmitglieder (s.o., 3.b. und 3.c.) steht allerdings dem Kreistag als Ganzes ein entsprechender Auskunftsanspruch zu. Dieser geht aber nicht weiter als die Unterrichtungspflicht und ist daher erschöpft, wenn der Kreistag durch den Landrat oder das Mitglied selbst ordnungsgemäß unterrichtet wurde.
c. Auskunftsanspruch gegen die Geschäftsführung
Ein Auskunftsanspruch des Kreistags gegenüber der Geschäftsführung ist weder kommunal- noch gesellschaftsrechtlich vorgesehen. Der Kreis als Gesellschafter kann aber gemäß § 51a GmbHG von der Geschäftsführung Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen. Dieser Anspruch ist umfassend, entfällt aber insofern, als der mit einer Auskunftserteilung verbundene Aufwand oder Schaden unverhältnismäßig wäre oder zu besorgen ist, dass die Informationen zu gesellschaftsfremden (also z.B. zu politischen) Zwecken verwendet werden sollen.
Da § 51a GmbHG keine Aussage darüber trifft, welches Organ des Kreises auskunftsberechtigt ist, kommt es auf die kommunalrechtliche Zuständigkeitsverteilung an. In der Regel wird diese beim Landrat, in besonders wichtigen Angelegenheiten auch bei Ausschüssen oder dem Kreistag liegen. Auf Seiten der Gesellschaft bedarf die Ablehnung eines Auskunftsersuchens zwingend eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung.
5.
Akteneinsichtsrechte des Kreistags
a. Akteneinsichtsrechte gegenüber der Verwaltung
Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 KrO kann der Kreistag beschließen, dass einem bestimmten Ausschuss oder einem bestimmten Kreistagsmitglied Einsicht in die Verwaltungsakten zu gewähren ist. In Einzelfällen steht dieses Recht auch einer Minderheit von 20 Prozent oder – seit der Kommunalrechtsreform – einer Fraktion zu. Ausgehend vom Zweck der Akteneinsicht – Kontrolle der Verwaltung – bezieht sich der Anspruch inhaltlich grundsätzlich auf alle Angelegenheiten der Verwaltung, nicht aber auf Unterlagen der Gesellschaft. Zudem ist er gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 KrO insoweit beschränkt, als dies aus Geheimhaltungs- oder Datenschutzgründen erforderlich ist.
Seit der Reform der Kreisordnung steht das Recht auf Akteneinsicht auch einzelnen Kreistagsmitgliedern zu, erfährt aber insoweit eine zusätzliche Einschränkung, als es sich nur auf Akten erstreckt, die im Zusammenhang mit einem vom Kreistag bereits gefassten Beschluss oder einem entscheidungsreifen künftigen Beschluss stehen.
b. das Akteneinsichtsrecht gegenüber der Gesellschaft
Unter denselben Voraussetzungen, die für den Auskunftsanspruch vorliegen müssen (s.o., 4.c.), hat der Kreis als Gesellschafter gemäß § 51a GmbHG einen Anspruch auf Einsicht in die „Bücher und Schriften“, also grundsätzlich sämtliche Akten der Gesellschaft mit Ausnahme der Unterlagen des Aufsichtsrates. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist aber in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Informationsbedürfnis des Kreises nicht durch eine Auskunft befriedigt werden kann.
Auch dieses Recht steht nicht dem Kreistag, sondern dem Kreis insgesamt zu. In erster Linie wird das Akteneinsichtsrecht daher durch das Beteiligungscontrolling der Verwaltung auszuüben sein, während eine Einsicht durch einzelne Kreistagsmitglieder nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen dürfte.
c. Jedermannsrechte der Kreistagsmitglieder
Wie alle Bürgerinnen und Bürger können sich die Kreistagsmitglieder auch auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG NRW) berufen, welches grundsätzlich einen Anspruch auf umfassenden Informationszugang gewährt. Aber auch in diesem Rahmen sind gemäß §§ 8, 9 IFG solche Informationen zu verweigern oder unkenntlich zu machen, die Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten Dritter betreffen.
6.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die verschiedenen Informationsrechte des Kreistags zwar hinsichtlich ihrer gesetzlichen Grundlage und ihrer Stoßrichtung unterscheiden, inhaltlich aber stets durch die Geheimhaltungsbedürfnisse der Gesellschaft und Dritter eingeschränkt werden. In jedem Fall ist bei der Abwägung des Einzelfalles ferner zu berücksichtigen, dass die Auskunfts- und Unterrichtungsrechte ihrem Zweck nach nur insoweit greifen, als die Zuständigkeit des Kreistags und die Zuständigkeit des potentiellen Informanten begründet ist. Vor diesem Hintergrund hat jedes Organmitglied in eigener Verantwortung über das Bestehen und die Reichweite einer Auskunfts- oder Unterrichtungspflicht zu entscheiden.
Auch über die Informationspflichten hinaus verlangen die gesetzlichen Vorschriften den Vertretern des Kreises in Organen von Beteiligungsgesellschaften ein hohes Maß an Verantwortlichkeit ab. Die anliegende Handreichung bietet ihnen wichtige Basisinformationen und einen Leitfaden für die rechtssichere Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten.