Sehr geehrter Herr Landrat,
zur Vorbereitung der Sondersitzung des Kreistages vom 21.08.2008 überreiche ich namens der FDP-Fraktion folgende Anfragen samt Sachverhaltsdarstellungen wie folgt:
Sachverhalt
In der Kreistagssitzung vom 26.06.2008 stellte ich im Rahmen der Beratung zum oben genannten Gegenstand für die FDP-Fraktion den Antrag, eine Sondersitzung des Kreistages anzusetzen. Begründet wurde dieser Antrag von mir namens der FDP-Fraktion damit, dass nach den umfangreichen Darstellungen seitens der Wirtschaftsprüfer und der Rechtsvertreter eine sofortige Entscheidung nicht erfolgen sollte.
Wörtlich:
„Man sollte die Sache noch einmal überschlafen“.
Dieser Antrag der FDP-Fraktion wurde
Ihrerseits zur Abstimmung im Kreistag gestellt. Der Antrag wurde mehrheitlich
abgelehnt.
Anfrage:
1. Teilen Sie die Rechtsauffassung der FDP-Fraktion, dass dieser Beschluss des Kreis-tags rechwidrig ist im Hinblick auf § 32 Abs. 1 der Kreisordnung?
Diese Vorschrift legt fest, dass auf Antrag einer Fraktion eine Sondersitzung einzuberufen ist. Darüber, dass darüber eine Abstimmung stattfinden muss, besagt das Gesetz nichts. Von daher war ohne Abstimmung diesem Antrag zu folgen
2. Beabsichtigt der Landrat, gemäß § 39 Abs. 2 der Kreisordnung den Beschluss insoweit zu beanstanden? Wann wird das erfolgen?
Sachverhaltsdarstellung:
Auf Antrag der Fraktionen der FDP, der Grünen und der UWG sollte eine geheime Abstimmung über den vorgelegten Beschlussvorschlag erfolgen. Über diesen Antrag der drei genannten Fraktionen wurde abgestimmt. Der Antrag erhielt 11 positive Stimmen. An der Abstimmung teilgenommen haben insgesamt 55 Kreistagsmitglieder.
Nachdem zunächst festgestellt wurde, dass 11 Personen dem Antrag entsprochen hatten, wurde dann durch Zählung versucht, festzuhalten, wie viele Kreistagsmitglieder tatsächlich an der Abstimmung teilgenommen haben. Festgestellt wurde dann, dass sich 56 Kreistagsmitglieder an der Abstimmung beteiligt haben sollen. Dieses ist ein Irrtum. Teilgenommen haben 55 anwesende Kreistagsmitglieder im Rahmen der Abstimmung. Denn im Zeitpunkt der Abstimmung befand sich ein Kreistagsmitglied der CDU-Fraktion nicht im Sitzungssaal. Bei der Nachzählung der Gesamtzahl war dieses CDU-Fraktions-Mitglied aber in den Saal zurückgekehrt. Es wurde dann die tatsächliche Anzahl von 56 anwesenden Kreistagsmitgliedern festgestellt.
Anfrage:
1. Teilt der Landrat die Rechtsauffassung der FDP-Fraktion, dass geheim hätte abge-stimmt werden müssen, weil das Quorum gemäß § 35 Abs. 1 Satz 4 Kreisordnung i. V. m. § 22 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Kreistages erreicht wurde?
2. Wird der Landrat im Hinblick auf § 39 der Kreisordnung den entsprechenden Kreis-tagsbeschluss beanstanden?
Befangenheit
von Kreistagsmitgliedern
Sachverhaltsdarstellung:
An der nicht öffentlichen Sitzung zum oben genannten Tagesordnungspunkt nahmen auch die Kreistagsmitglieder, die im Aufsichtsrat der EGW GmbH tätig sind, teil. Die Auf-sichtsratsmitglieder haben anschließend dann auch an der Abstimmung teilgenommen, wonach der Commerzbank ein Vergleichsangebot unterbreitet werden sollte, dass die EGW GmbH höchstens 65 % des entstandenen Schadens selbst tragen sollte.
Mit anderen Worten: Im Rahmen des Vergleichsabschlusses sollte die Commerzbank mindestens 35 % des entstandenen Schadens mittragen.
Die FDP-Fraktion vertritt insoweit die Ansicht, dass die Aufsichtsratsmitglieder der EGW GmbH, soweit sie gleichzeitig Kreistagsmitglieder sind, an der Beratung und Beschluss-fassung des Kreistages in nicht öffentlicher Sitzung nicht hätten teilnehmen dürfen. Sie hätten nach Auffassung der FDP-Fraktion den Sitzungssaal verlassen müssen.
Nach Auffassung der FDP-Kreistagsfraktion sind hier § 7 Abs. 1 Geschäftsordnung des Kreistages i. V. m. § 28 Abs. 2 Kreisordnung, § 31 Abs. 1 Gemeindeordnung, verletzt.
Im Einzelnen:
Hinsichtlich der zu beantwortenden Fragen ist deutlich zu unterscheiden zwischen dem Umstand, ob ein befangenes Kreistagsmitglied / Aufsichtsratsmitglied an der Beratung teilgenommen hat. Davon abzugrenzen ist der Umstand, ob ein entsprechendes Kreistagsmitglied / Aufsichtsratsmitglied an der Beschlussfassung teilgenommen hat.
Die Teilnahme an der Beratung durch die Kreistagsmitglieder / Aufsichtsratsmitglieder war rechtswidrig. Zu diesem Zeitpunkt stand nämlich bereits fest, dass mindestens ein Schaden in Höhe von 4,4 Mio. Euro bei der EGW GmbH entstanden ist. Es konnte also nur noch darum gehen, diesen Schaden zu minimieren. Das aber stellt gleichzeitig einen unmittelbaren Vorteil im Sinne des § 31 Abs. 1 der Gemeindeordnung dar. Denn je weniger die EGW GmbH zahlen muss, desto geringer fällt natürlich auch ein eventueller Schadensersatzanspruch der EGW GmbH gegenüber ihren Aufsichtsratsmitgliedern aus.
Nach § 31 Abs. 1 Ziffer 1 GO darf ein Kreistagsmitglied weder beratend noch ent-scheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Unmittelbar ist der Vorteil oder Nachteil, wenn die Entscheidung eine natürliche Person direkt berührt.
Der Begriff „Vorteil“ oder „Nachteil“ ist weit auszulegen, damit auch nur der Anschein von Verquickungen in der Kommunalpolitik vermieden wird (OVGE Münster 8, S. 104). Nach der Rechtssprechung genügt für das Mitwirkungsverbot nach § 31 GO schon die bloße Möglichkeit, dass den genannten Personen ein Vorteil oder Nachteil entstehen kann. Eine Interessenkollision ist also keineswegs nur dann gegeben, wenn tatsächlich ein Wider-streit der Interessen vorliegt.
Die Möglichkeit, dass die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil mit sich bringen kann, unterstellt das Gesetz in § 31 Abs. 2 Ziffer 2 GO auch für Mitglieder des Aufsichtsrates.
Somit bestand also nicht nur eine Befangenheit im Rahmen der Beratung, sondern auch eine Befangenheit anschließend bei der Teilnahme an der Abstimmung.
Daran ändert auch § 31 Abs. 6 GO nichts. Denn § 31 Abs. 6 GO spricht nur aus, welche Rechtsfolgen es hat, wenn ein befangenes Kreistagsmitglied mitgewirkt hat. § 31 Abs. 6 GO setzt deshalb voraus, dass überhaupt ein befangenes Kreistagsmitglied erst einmal vorhanden ist.
Sodann unterscheidet § 31 Abs. 6 GO noch zwischen dem Umstand, ob jemand beratend tätig gewesen ist und / oder an der Abstimmung teilgenommen hat.
Bei der im Zuge der GO-Reform 1994 erlassenen Textfassung ist deutlich, dass ein wegen Befangenheit Betroffener auch dann nicht mitwirken darf, wenn eine Mitwirkung voraussichtlich keinerlei Auswirkungen hat (Held/Becker pp., Kommunalverfassungsrecht Nordhrein-Westfalen zu § 31 GO, S. 15 unten, Stand Dezember 2007).
Juristisch unterschiedlich wird die Frage beurteilt, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein wegen Befangenheit nach § 31 GO ausgeschlossenen Kreistagsmitglied bei einem sonstigen Beschluss im Rahmen der Abstimmung mitgewirkt hat. Gemäß Abs. 6 bleibt die Mitwirkung eines Befangenen faktisch bedeutungslos, wenn diese das Abstimmungser-gebnis nicht unmittelbar beeinflusst hat, es also letztlich nicht auf die abgegebene Stimme des Befangenen angekommen ist. In einem solchen Fall kann eine Beanstandung des Kreistagsbeschlusses nicht in Betracht kommen.
Im Rahmen der Abstimmung dürfte es deshalb hier so gewesen sein, dass selbst für den Fall, dass die Kreistagsmitglieder, die gleichzeitig auch Aufsichtsratsmitglieder der EGW GmbH sind und an der Abstimmung nicht teilgenommen hätten, das Abstimmungsergeb-nis nicht beeinflusst hätten. Nämlich in dem Sinne, wie der Kreistag sich in seiner Sitzung vom 26.06.2008 gemäß Sitzungsvorlage unter Ergänzung der Punkte durch die SPD-Fraktion entschieden hat.
Das ändert aber nichts daran, dass die entsprechenden Kreistagsmitglieder befangen waren.
Anfrage:
1. Teilt der Landrat die Rechtsauffassung der FDP-Kreistagsfraktion, dass die Aufsichts-ratsmitglieder der EGW GmbH, soweit sie gleichzeitig Kreistagsmitglieder sind, an der Beratung nicht hätten teilnehmen dürfen, weil sie befangen im Sinne des § 31 Abs. 1 GO waren?
2. Teilt der Landrat die Rechtsauffassung der FDP-Fraktion, dass die Aufsichtsratsmit-glieder der EGW GmbH, soweit sie auch Kreistagsmitglieder sind, an der Beschluss-fassung nicht hätten teilnehmen dürfen, weil sie befangen im Sinne des § 31 Abs. 1 Ziffer 1 GO waren?
3. Teilt der Landrat aufgrund des vorstehenden Sachverhalts die Rechtsauffassung der FDP-Kreistagsfraktion, dass gemäß § 28 Abs. 2 Kreisordnung die Aufsichtsratsmit-glieder dem Landrat hätten mitteilen, dass sie möglicherweise befangen sind; dass gemäß § 28 Abs. 2 der Kreisordnung über die Ausschließung der Aufsichtsratsmit-glieder der Landrat einen Beschluss des Kreistages hätte herbeiführen müssen und nunmehr durch Beschluss festgestellt werden muss, dass ein Verstoß gegen die Offenbarungspflicht vorliegt?
„Dringlichkeits“-Entscheidung
des Kreistages vom 26.06.2008
Sachverhaltsdarstellung:
Die Tagesordnung der Kreistagssitzung vom 26.06.2008 sah unter Tagesordnungspunkt 20 für den nicht öffentlichen Teil folgenden Beratungspunkt vor: „Finanzierungsverein-barung zum interkommunalen Bauhof in Nordvelen und Einredeverzicht des Kreises Borken“.
Die Einladung zum Kreistag datiert vom 11.06.2008.
Ebenfalls vom 11.06.2008 datiert die Einladung zum Kreisausschuss für Donnerstag, den 19.06.2008. Hier findet sich im nicht öffentlichen Teil zur Vorbereitung der Beschlüsse des Kreistages die Ziffer 21 „Finanzierungsvereinbarung zum interkommunalen Bauhof in Nordvelen und Einredeverzicht des Kreises Borken“.
Am 19.06.2008 fand direkt vor der Kreisausschusssitzung die Gesellschafterversammlung der EGW GmbH statt. Im Rahmen dieser Sitzung wurde die Gesellschafterversammlung vom Aufsichtsvorsitzenden / Landrat über die eingetretenen Verluste von mindestens 4,4 Mio. Euro bei der EGW GmbH vollumfänglich informiert.
Der Aufsichtsrat der EGW GmbH war spätestens seit Mitte Mai 2008 informiert.
In der Sitzung des Kreisausschusses vom 19.06.2008 wurde der Tagesordnungspunkt 21 auf Antrag der SPD-Fraktion abgesetzt, weil man angeblich noch Beratungsbedarf habe. Dem ist dann vom Kreisausschuss mit dieser Begründung auch zugestimmt worden.
Weder im öffentlichen Teil der Kreisausschusssitzung vom 19.06.2008 unter Ziffer 19 „Mitteilungen der Verwaltung“, noch im nicht öffentlichen Teil unter Ziffer 27 „Mitteilungen der Verwaltung“ wurde der Kreisausschuss darüber informiert, dass bei der EGW GmbH eine finanzielle Schieflage entstanden ist. In Erwartung der im Kreisausschuss noch abgesetzten Beratung zum dortigen Punkt 21 war deshalb die FDP-Kreistagsfraktion im Hinblick auf Ziffer 20 (nicht öffentlicher Teil) der Kreistagssitzung überrascht, dass der dortige Tagesordnungspunkt auf Vorschlag des Landrats nicht beraten werden sollte, sondern wegen besonderer Dringlichkeit per Tischvorlage aus dem Kreistag ein Beschluss gefasst werden sollte, wonach der Commerzbank für die eingetretenen Verluste bei der EGW GmbH ein Vergleichsangebot unterbreitet werden sollte.
Der Kreistag hat die Dringlichkeit bejaht, nachdem der Landrat darauf hingewiesen hat, dass es unbedingt an diesem Tage eines Beschlusses des Kreistages bedürfe, um unverzüglich einen Vergleich mit der Commerzbank abschließen zu können.
Bekanntlich wurde der Antrag der FDP-Fraktion insoweit auch auf eine Sondersitzung des Kreistages, um das Ganze in Ruhe beraten zu können, dann auf die eingeleitete Abstimmung des Landrats hin mehrheitlich vom Kreistag abgelehnt.
Die FDP-Kreistagsfraktion ist der Auffassung, dass die beschriebene Vorgehensweise rechtswidrig ist.
Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
1. Ein Fall der „Dringlichkeit“ hat nicht vorgelegen. Das betrifft zum einen die Frage, ob und inwieweit der Kreistag zu informieren war.
2. Ein Fall der „Dringlichkeit“ hat allerdings auch nicht vorgelegen im Hinblick auf die Beschlussfassung des Kreistages.
Die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und der Geschäftsordnung des Kreistages, insbesondere der Veröffentlichung und Ladungsfristen eine Dringlichkeit nicht angezeigt war und damit die Informationsrechte der Öffentlichkeit und das Recht der Kreistagsmitglieder auf rechtzeitige Information verletzt worden sind.
Im Einzelnen:
§ 33 Abs. 1 Satz 5 GO stellt fest:
„Die Tagesordnung kann in der Sitzung durch Beschluss des Kreistages erweitert werden, wenn es sich um Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden oder die von äußerster Dringlichkeit sind.“
Nach § 11 Abs. 1 der Geschäftordnung des Kreistages dürfen Angelegenheiten, die nicht auf der Tagesordnung stehen, nur dann beraten werden, wenn sie nicht aufgeschoben werden können. Über die Dringlichkeit entscheidet der Kreistag.
Gemäß § 11 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Kreistages dürfen Angelegenheiten, die nicht im Kreisausschuss beraten worden sind, vom Kreistag nur dann beraten werden, wenn sie nicht aufgeschoben werden können. Über die Dringlichkeit entscheidet der Kreistag.
Im vorliegenden Fall sind sowohl § 11 Abs. 1 als auch § 11 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Kreistages, jeweils i. V. m. § 33 Abs. 1 Kreisordnung verletzt worden.
Keinen Aufschub duldet eine Angelegenheit, wenn ihre Entscheidung unter Berück-sichtigung der einzuhaltenden Ladungsfrist nicht bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden kann, ohne dass Nachteile eintreten, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können (OVG Münster, OVGE 28, S. 235). Beispielhaft wird in der Kommentierung der drohende finanzielle Verlust genannt.
Der stand aber von vornherein überhaupt nicht im Raum. Zwar wurde zur Begründung eingebracht, dass unbedingt am 26.06.2008 der Kreistag einen Beschluss gemäß Tischvorlage zu fassen habe, weil ansonsten die Commerzbank zumindest zu Beginn der darauf folgenden Woche einem entsprechenden Vergleich nicht zustimmen könne. Auch sei das Interesse der Bank zu beachten, dass das Ganze nicht an die Öffentlichkeit gelange. Nur begründet das überhaupt keine „Dringlichkeit“ im Sinne des Gesetzes. Denn der Zeitdruck, der hier dargestellt wurde, existierte überhaupt nicht. Nicht einmal bis zur Sondersitzung des Kreistages am 15.07.2008 war der Vergleichsvertrag mit der Commerzbank durch die EGW GmbH, diese vertreten durch den Aufsichtsrat, unter-schrieben worden.
Eine „Dringlichkeit“ als „Ad-Hoc“-Entscheidung war aber auch deshalb nicht geboten, weil dem Aufsichtsvorsitzenden der EGW GmbH / Landrat spätestens seit Anfang Mai 2008 der Sachverhalt bekannt war.
Es hätten sich also folgenden Informationsmöglichkeiten ohne Zeitdruck ergeben:
1. Einberufung einer Sondersitzung durch den Landrat unter Angabe der Tagesordnung im Hinblick auf den Kreistag ab spätestens Mitte Mai 2008.
2. Gemäß § 50 Abs. 3 i. V. m. § 50 Abs. 1 der Kreisordnung hätte der Kreisausschuss beraten und beschließen können, wenn es denn „dringlich“ gewesen wäre, am 19.06.2008. Immerhin waren zu diesem Zeitpunkt sowohl der Aufsichtsrat in seiner Gänze, als auch die Gesellschafterversammlung der EGW GmbH informiert, nicht jedoch die mindestens ebenso wichtigen Gremien wie „Kreisausschuss“ und „Kreistag“.
Auch insoweit hätte unter Beachtung der Ladungsfristen eine Beratung stattfinden können.
3. Zumindest wäre es im Rahmen der (nicht) öffentlichen Sitzung des Kreisausschusses am 19.06.2008 möglich gewesen, den Kreisausschuss als stellvertretendes Organ für den Kreistag zu informieren. Auch das ist nicht geschehen. Allerdings ist insoweit der Kreis-ausschuss unter Beachtung von § 50 Abs. 1 der Kreisordnung nicht schlechter zu stellen als der Kreistag, der gemäß § 26 Abs. 2 der Kreisordnung über alle wichtigen Angelegen-heiten der Kreisverwaltung durch den Landrat zu informieren ist.
Zu den „Angelegenheiten der Kreisverwaltung“ im Sinne des § 26 Abs. 2 der Kreisord-nung gehören auch die juristisch ausgegliederten Gesellschaften des Kreises, derer er sich zur Erledigung seiner Aufgaben bedient.
4. Und schließlich wäre es möglich gewesen, noch nach der Kreisausschusssitzung unter Beachtung der Geschäftsordnung des Kreistages und der abgekürzten Ladungsfrist von bis zu drei Werktagen (§ 1 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistages) die Tages-ordnung entsprechend zu ergänzen.
Sämtliche dargestellten Möglichkeiten wurden nicht genutzt. Das war auch nicht gewollt. Es ging darum, den Vorgang geheim zu halten. Das Recht der Öffentlichkeit auf umfassende Information, aber auch das Recht aller Kreistagsmitglieder, rechtzeitig und vollständig über „wichtige“ Angelegenheiten informiert zu werden, wurde nach hiesiger Auffassung missachtet.
In keinem Fall lässt sich daraus allerdings eine „Dringlichkeit“ im Sinne des Gesetzes herleiten. Denn bei wochenlanger Vorkenntnis lässt sich kaum noch mit einer „Dringlich-keit“ argumentieren. Aus dem Umstand, dass die Commerzbank auch drei Wochen nach dem Kreistagsbeschluss vom 26.06.2008 immer noch keinem Vergleichsabschluss zugestimmt hat, lässt sich herleiten, dass der Beschluss am 26.06.2008 im zeitlichen Sinne nicht „dringlich“ war. Ohne weiteres wäre nach der Information in der Kreistags-sitzung vom 26.06.2008 es möglich gewesen, zwei oder drei Tage später eine Sondersitzung des Kreistages zur Beschlussfassung anzuberaumen. Denn auf Seiten der Commerzbank bestand bzw. besteht zurzeit immer noch keine zeitliche Bedrängnis zur dortigen Entschließung.
Insoweit ist auch § 11 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Kreistages verletzt worden. Der Kreisausschuss hätte beraten können. Er durfte nicht übergangen werden. Denn die Fakten waren bekannt. Hätte sich der Sachverhalt erst zwischen dem 19.06.2008 und dem 26.06.2008 aufgetan, hätte möglicherweise eine Dringlichkeit für eine Entscheidung des Kreistages vorgelegen. Nicht aber so, wonach alle schon informiert waren, nur ein Großteil der Kreistagsmitglieder bzw. Kreisausschussangehörigen nicht.
Da der Kreisausschuss hätte beraten und beschließen können, kann insoweit der Kreistag dann auch keine „Dringlichkeit“ mehr feststellen und für sich in Anspruch nehmen.
Auch unter diesem Gesichtpunkt ist daher die Entscheidung über die Dringlichkeit, die der Kreistag getroffen hat, rechtswidrig.
Anfrage:
1. Teilt der Landrat die Rechtauffassung der FDP-Kreistagsfraktion, dass eine „Dringlich-keit“ im Sinne des § 11 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistages i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 5 Kreisordnung im Rahmen der Kreistagssitzung vom 26.06.2008 nicht bzw. nicht mehr vorgelegen hat?
2. Teilt der Landrat die Rechtsauffassung der FDP-Kreistagsfraktion, dass unter Beach-tung von § 11 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Kreistages i. V. m. § 33 Abs. 1 Kreis-ordnung, § 50 Abs. 3 und § 50 Abs. 1 Kreisordnung die Rechte des Kreisausschusses missachtet wurde?
3. Teilt der Landrat die Rechtsauffassung der FDP-Kreistagsfraktion, dass angesichts des Umstandes, dass der Kreisausschuss hätte vorberaten können, damit automa-tisch eine „Dringlichkeit“ im Rahmen der Kreistagssitzung vom 26.06.2008 nicht mehr gegeben war?
4. Beabsichtigt der Landrat, den entsprechenden Dringlichkeitsbeschluss des Kreistages im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Kreisordnung zu beanstanden? Es wird insoweit auch auf § 39 Abs. 4 im Hinblick auf den Kreisausschuss verwiesen.
Namens der FDP-Kreistagsfraktion bitte ich höflichst um schriftliche Beantwortung dieser Anfrage bis zum 13. August 2008, um möglichst im Hinblick auf die anberaumte Sondersitzung des Kreises am 21.08.2008 noch rechtzeitig erforderliche Nachfragen stellen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Schöning
Fraktionsvorsitzender