Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit nimmt den Bericht der Verwaltung über die aktuellen Entwicklungen im SGB II-Bereich zur Kenntnis.
Rechtsgrundlage:
SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende
SGB III - Arbeitsförderungsreformgesetz-AFRG
Sachdarstellung:
I. Neuorganisation
des SGB II
1. Beschluss
der Arbeits- und Sozialministerkonferenz:
Die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben auf einer Sonderkonferenz am 14.07.2008 zur Neuorganisation des SGB II folgendes beschlossen:
§ Verfassungsrechtliche Absicherung einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen
§ bei gleichzeitiger Absicherung des Optionsmodells.
Der Beschluss ist einstimmig und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ergangen. Die im Vorfeld diskutierten Alternativen „Kooperatives Jobcenter“ sowie „Bundesauftragsverwaltung“ kommen daher als Organisationsform nicht mehr in Betracht.
2. Nachfolgeorganisation
der ARGEn:
Die Nachfolgeorganisation der ARGEn soll einen einheitlichen Personalkörper erhalten. Zugleich soll eine verbindliche Kooperation zwischen BA, Ländern und Kommunen bei der Erarbeitung der arbeitsmarktpolitischen Programme und der konzeptionellen Ausgestaltung der regionalen Arbeitsmarktpolitik gewährleistet werden.
In der Umsetzung ist allerdings noch eine Vielzahl von Einzelfragen zu klären. Offen geblieben ist z.B. bislang, wo die neue Körperschaft für die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung angesiedelt sein soll – beim Bund oder als kommunale Körperschaft bei den Ländern – und wie die Aufsicht geregelt werden soll.
3. Option:
Der Fortbestand der bestehenden 69 Optionskommunen ist nun dauerhaft gesichert. Nicht ganz so eindeutig ist der Beschluss hinsichtlich einer Erweiterung der kommunalen Trägerschaft über die o.g. 69 Optionskommunen hinaus.
Lt. Auffassung des Deutschen Landkreistages umfasse der Beschluss auch die einfachgesetzliche Erweiterbarkeit der Option, Bund und Länder seien sich jedoch darüber einig, in dieser Legislaturperiode von einer Ausweitung abzusehen.
4. Weiteres
Vorgehen:
Die Länder haben das BMAS gebeten, bis Ende August 2008 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes sowie des SGB II vorzulegen. Dieser Gesetzesentwurf, für den wegen der Grundgesetzänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat nötig ist, soll die Arbeits- und Sozialministerkonferenz passieren, ehe er im Bundeskabinett beschlossen wird.
II. Reform
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB II und SGB III
Das BMAS hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vorgelegt, mit dem sowohl im SGB III als auch im SGB II Änderungen vorgenommen werden sollen.
1. Geplante
Änderungen im SGB II:
Neben einigen leistungsrechtlichen und redaktionellen Änderungen beziehen sich die wesentlichen Änderungen auf die Eingliederungsinstrumente. Folgender Leistungskatalog soll hier künftig zur Verfügung stehen:
§ §16: Verweis auf SGB III-Leistungen
§ §16a: Kommunale Eingliederungsleistungen
(z.B. Schuldner- u.
Suchtberatung, psychosoz. Betreuung)
§ §16b: Einstiegsgeld
§ §16c: Begleitende Hilfen für Selbständige
§ §16d: Arbeitsgelegenheiten („Zusatzjobs“)
§ §16e: JobPerspektive – Leistungen zur Beschäftigungsförderung
§ §16f: Freie Förderung
(Umfang von 2% des
Eingliederungsbudgets)
Die sog. „weiteren Leistungen“ als flexible Rechtsgrundlage sollen künftig wegfallen. Vorrangig sind demnach auch im SGB II künftig die SGB III-Instrumente zu nutzen. Der Bereich der „Freien Förderung“ bezieht sich lediglich auf Projekte, die nicht vom Regelinstrumentarium gedeckt sind. Außerdem ist die Nutzung der Freien Förderung auf 2% des jeweiligen Eingliederungsbudgets des SGB II-Trägers begrenzt.
2. Geplante
Änderungen im SGB III:
Im SGB III sind vielfältige leistungsrechtliche und inhaltliche Änderungen vorgesehen. Für die SGB II-Träger sind insbesondere nachfolgende Regelungen relevant:
§ §45: Förderung aus dem Vermittlungsbudget
(individ. Leistungen, z.B.
bisherige Mobilitätshilfen, Bewerbungskosten, Kosten f. Führerschein, u.ä.)
§ §46: Maßnahmen zur Aktivierung und berufliche Eingliederung
(Vermittlung
durch Dritte, Trainingsmaßnahmen, Eignungsfeststellungen, Aktivierungshilfen,
u.ä.)
In § 45 sind diverse bisherige individuelle Förderleistungen zusammengefasst, § 46 beinhaltet die meisten maßnahmebezogenen Förderungen. Die Regelungen zur Arbeitgeberförderung, sowie zur Förderung der Berufsausbildung und zur Förderung beruflicher Weiterbildung haben sich im wesentlichen nicht geändert.
Neu hinzugekommen ist die Aufnahme von Vorschriften zur Anwendung des Vergaberechtes für alle Förderinstrumente in den Gesetzestext. Damit wird auch für den Kreis Borken als SGB II-Träger die Anwendung des Vergaberechtes gesetzlich vorgegeben, sofern die entsprechenden SGB III-Instrumente genutzt werden.
3. Bewertung
Der Landkreistag NRW hat auf der Basis der Ergebnisse eines Workshops mit VertreterInnen der ARGE-Kreise sowie der Optionskommunen eine Stellungnahme zum Referentenentwurf erstellt und diesen insgesamt kritisch bewertet.
Lt. Mitteilung des LKT habe sich neben wenigen positiven Rückmeldungen die überwiegende Zahl der Kreise und Optionskommunen kritisch zum Referentenentwurf positioniert. Als besonders problematisch werde die geplante „Verschmelzung“ der beiden Rechtskreise des SGB II und des SGB III gesehen, die zum einen den Bedarfen der Zielgruppen im SGB II und den bisherigen Erfahrungen nicht ausreichend Rechnung trägt und zum anderen als Weg zu einer (wieder) stärker bundeszentral ausgerichteten Arbeitsförderung gesehen wird.
Aus dieser Kritik resultiere die Forderung nach einem eigenständigen Förderansatz im SGB II, der von den Vorschriften des SGB III losgelöst ist. Aus den vielen Rückmeldungen werde vor allem deutlich, dass sich die SGB II-Träger deutlich mehr Gestaltungsspielräume und Eigenverantwortlichkeit für ihre Arbeit wünschen und dass die vorgesehenen Veränderungen am Instrumentenkatalog diesen Vorstellungen nicht gerecht werden. Die Bedenken hinsichtlich einer starken Steuerung durch die BA bzw. das BMAS seien sehr groß.
4. Weiteres
Verfahren im Kreis Borken
Der Service-Punkt ARBEIT des Kreises Borken war ebenfalls an o.g. Workshop beteiligt und sieht die Entwicklung, die sich durch den Referentenentwurf abzeichnet, in vielen Bereich ähnlich kritisch.
Gleichwohl werden die Chancen, eine grundlegende Änderung der geplanten Neuausrichtung herbeizuführen, als wenig realistisch eingeschätzt. Bei den Planungen für das Jahr 2009 werden daher die Inhalte des Referentenentwurfes bereits berücksichtigt.