1. SSA ist notwendig und soll weitergeführt werden.
2. Die SSA nach dem Isselburger Modell hat sich bewährt. Sie soll unter Beteiligung aller Akteure weiter entwickelt werden.
3. Ab 01.07.2009 übernehmen die Kommunen als Schulträger im Zuständigkeitsbereich des Fachbereiches Jugend und Familie des Kreises Borken die organisatorische, finanzielle und rechtliche Verantwortung für Schulsozialarbeit.
4. Zum 30.06.2009 laufen die bis dahin befristeten Dienstverträge zwischen dem Kreis Borken und den Fachkräften in den Hauptschulen, die nach dem Isselburger Modell arbeiten, also in Isselburg, Raesfeld, Südlohn, Heiden, Legden und Vreden, aus. Der JHA erwartet, dass die genannten Kommunen unverzüglich die Übernahme der Fachkräfte zum 01.07.2009 angehen.
5. Zur Sicherstellung der Interessen der Jugendhilfe, insbesondere der fachlichen Standards, schließt der Kreis mit den Städten und Gemeinden Vereinbarungen, die die Zusammenarbeit regeln. Bestandteile sind zwingend: Standards hinsichtlich von Fortbildung, von regelmäßig stattfindendem Austausch über Programme und Projekte, von kollegialer Beratung in Einzelfällen und Kontakten mit den Schulleitungen, der Schulaufsicht und dem Schulträger sowie Regelungen über die Zusammenarbeit zwischen freien Trägern und dem Kreis.
6. Für die Kooperation mit den Kommunen wird ab 01.07.2009 im Fachbereich Jugend und Familie die Fachabteilung 51.3, Jugendförderung, zuständig sein. Damit werden weitere Jugendhilfebereiche noch konkreter als bisher mit Schule zusammenarbeiten.
7. Der JHA wird regelmäßig, mindestens jährlich, umfassend über die Tätigkeit der SSA unterrichtet.
Rechtsgrundlage:
Beschlüsse des JHA vom 09.02.2005, 13.09.2005 und 19.12.2007
Sachdarstellung:
1. Ausgangslage
Der Fachbereich Jugend und Familie hat im Rahmen seiner Jugendhilfeplanung im Juni 1998 ein umfangreiches Konzept zum Einsatz von Schulsozialarbeit (SSA) an Hauptschulen vorgelegt. Am 15.12.1999 beschloss der JHA ein dreijähriges Modellprojekt an der Hauptschule in Isselburg (sog. „Isselburger Modell“).
Das Ziel dieser Form von SSA bestand darin, über die „Lebenswelt Schule“ frühzeitig Zugang zu Problemlagen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu bekommen, damit den präventiven Aspekt von Jugendhilfe zu stärken und so nach Möglichkeit kostenträchtige ambulante und/oder stationäre Hilfen zu vermeiden. Dies bedingte die Anbindung der SSA an den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Fachbereiches.
Nach erfolgreichem Verlauf des Projektes wurde vom JHA am 28.06.2005 die Ausweitung der SSA auf weitere Hauptschulen, befristet bis zum Schuljahresende 2009, beschlossen. Diese Form der SSA wurde den Schulträgern als Angebot der Jugendhilfe unterbreitet. Da in Gescher und Stadtlohn Schulsozialarbeiter/innen, die vom Land NRW besoldet werden, tätig sind, stellten diese Kommunen keinen Antrag. Ebenfalls nahm die Gemeinde Schöppingen dieses Angebot nicht wahr. In Reken und Rhede übernahm das DRK die SSA mit dem Ziel, das Isselburger Konzept umzusetzen. In Heek war ursprünglich SSA nach dem Isselburger Modell eingerichtet, musste aber aufgrund divergierender Vorstellungen mit der Schulleitung abgebrochen werden.
Danach sind an den Hauptschulen in Isselburg, Raesfeld, Heiden, Velen-Ramsdorf, Südlohn, Legden und Vreden ( an zwei Hauptschulen) Schulsozialarbeiter/innen tätig, die beim Kreis mit halber Stelle angestellt sind. Die Kosten werden hälftig über das Budget 02 und von den jeweiligen Schulträgern übernommen. Da die Hauptschule in Velen-Ramsdorf seit 2008 als Ganztagsschule geführt wird, übernahm die Gemeinde die Anstellung und stockte die Stelle auf eine Vollzeitstelle auf. Der Kreis trägt jedoch nach wie vor den gleichen Kostenanteil wie bei den übrigen Stellen (50 % einer 0,5-Stelle).
2. Veränderung der Akzeptanz von SSA
Mit der Einführung von SSA leistete der Kreis Pionierarbeit. Die anfängliche Situation war durch Zustimmung, aber auch durch Skepsis, geprägt. Im Laufe des Projektes wurde jedoch immer offensichtlicher, dass Schulen ohne professionelle SSA ihren Auftrag nicht mehr in dem von ihnen gewünschten Umfang nachkommen können. Ebenso erkannten die Schulträger, dass SSA auch auf politischer Ebene eine immer größere Zustimmung fand. Mittlerweile geht es nicht mehr um die Frage des „Ob“, sondern um die Frage des „Wie“. Andere Schulformen, wie die Förderschulen und Berufskollegs, fordern seit einiger Zeit massiv SSA ein. Im Stellenplan 2009 sind 2 Stellen hierfür eingerichtet. Deren konzeptionelle Ausgestaltung liegt noch nicht vor.
3. Probleme und Fragestellungen in der Praxis
Es ist nicht verwunderlich, dass ein solch neues und umfangreiches Projekt, an dem zwei unterschiedlich strukturierte Systeme beteiligt sind, zu Problemen und Fragestellungen geführt hat. Im wesentlichen geht es um zwei Problembereiche:
- Die meisten Schulsozialarbeiter/innen sind beim Kreis angestellt, aber an der Schule tätig. Die Dienst- und Fachaufsicht liegt beim Kreis, die Schule verweist aber auf ihre Zuständigkeit für alle Personen, die an ihr tätig sind.
- Die Schulsozialarbeiter/innen des Kreises sind Mitglied im ASD-Team. Sie nehmen an den regelmäßigen Teambesprechungen teil. Während dieser Zeit sind sie zwar für die Schule tätig, aber dort nicht anwesend und verfügbar.
4. Standortbestimmung/Evaluation
Rechtzeitig vor Ende des laufenden Schuljahres muss eine politische Entscheidung über die Zukunft der SSA getroffen werden. Um in dieser Situation die Diskussion zu öffnen, die Blickwinkel zu erweitern und eine unabhängige Position einzuholen, wurde Frau Prof. Dr. Ursula Tölle, Kath. Fachhochschule Münster, beauftragt, eine Evaluation (hiermit ist keine Evaluation im streng wissenschaftlichen Sinne gemeint, sondern eher als Arbeitstitel) der SSA im Kreis Borken (damit ist der Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes gemeint) vorzunehmen. Frau Dr. Tölle bearbeitet an der Fachhochschule den Studienschwerpunkt „Jugendhilfe und Schule“. Im Januar 2009 hat sie einen Bericht unter dem Titel „Standortbestimmung Schulsozialarbeit Kreis Borken“ vorgelegt. Hervorzuheben ist, dass nicht nur das Isselburger Modell, sondern alle Ansätze von SSA, die im Zuständigkeitsbereich des Fachbereiches angesiedelt sind (Isselburger Modell, Landesschulsozialarbeit, SSA durch freie Träger), in die Evaluierung einbezogen wurden.
Die Evaluation wurde mittels Fragebögen an die Schulsozialarbeiter/innen, Schulleiter/innen, und Vertrauenslehrer/innen sowie durch strukturierte Gruppengespräche durchgeführt. Die wesentlichen Ergebnisse der Studie können so zusammengefasst werden:
- Der Kreis Borken hat die Notwendigkeit schulbezogener Sozialer Arbeit sehr früh erkannt, damit die Zeichen der Zeit aufgegriffen und in sein Aufgabenspektrum aufgenommen. Dieser Ansatz ist heute allgemein anerkannt und bedarf keiner Begründung mehr.
- SSA hat sich etabliert. Sie ist zu einem festen Bestandteil und unverzichtbaren Teil des Prozesses von Bildung und Erziehung in der Schule geworden.
- Alle Beteiligten empfehlen dringend die Fortsetzung und nach Möglichkeit den Ausbau von SSA.
- Die konzeptionellen Grundlagen des Isselburger Modells sind als erfolgreich zu bewerten. Die beabsichtigten Wirkungen für die Jugendhilfe sind eingetreten. Das Konzept ist geeignet, aktuelle Entwicklungen aufzunehmen und Fortschreibungen zu ermöglichen.
- Insbesondere wird empfohlen, folgende grundlegende zwei Aspekte weiterzuentwickeln: - eine von den beteiligten Professionen und Personen gemeinsam verantwortete konzeptionelle Arbeit mit dem Ziel des Ausbaus der gewachsenen Annäherung von Schule und Jugendhilfe, - eine neue Justierung der Balance von einzelfallbezogener Beratungstätigkeit zu eher sozialpädagogisch ausgerichteter Arbeit mit Gruppen und in Projekten.
- Angeregt wird, diese Weiterentwicklung des Konzeptes zu verzahnen mit den aktuellen Vorhaben zur Gestaltung der Regionalen Bildungslandschaft und der Errichtung eines Bildungsbüros.
- Hinsichtlich der Diskussion um eine veränderte Trägerkonstruktion wird darauf hingewiesen, dass die Evaluation für jede Konstruktion Vor- und Nachteile aufzeigt.
5. Derzeitiger Diskussionsstand
Der Diskussionsstand stellt sich aktuell wie folgt dar:
a. In der Sitzung der Planungsbegleitgruppe am 18.02.2009 einigten sich die Mitglieder nach intensiver Diskussion, folgende Punkte dem JHA zur Beschlussfassung zu empfehlen:
aa. Ab 01.08.2009 sollte eine Aufstockung der Stellen auf Vollzeitstellen (1,0) erfolgen.
bb. An jeder Hauptschule sollte eine Vollzeitstelle für eine/n Schulsozialarbeiter/in vorgehalten werden.
cc. Die organisatorische Anbindung sollte so weitergeführt werden wie bisher.
dd. Die Finanzierung der Stellen sollte zu gleichen Teilen durch den Kreis (50%) und die Kommune (50%) erfolgen.
ee. Es sollte eine Begleitgruppe eingerichtet werden, die den Auftrag hat, das Konzept und die Kooperationsstrukturen weiterzuentwickeln.
ff. Es besteht Konsens, dass die Ausgestaltung des Angebotes Schulsozialarbeit immer auf die örtlichen sozialräumlichen Bedingungen abzustellen ist. Die Einbeziehung lokaler Akteure sollte dabei besonders beachtet werden.
b. Die organisatorische Anbindung der Schulsozialarbeiter soll nach Auffassung der freien Träger, die die Arbeitsgemeinschaften in der Planungsbegleitgruppe vertreten, bei ihnen angebunden sein. Für die freien Träger der AG III „Hilfen für Familien“ wurde erklärt, dass sich ihre Haltung bezüglich der Anbindung insoweit nicht geändert habe. Eine Trägerschaft durch die Kommunen lehnt die Arbeitsgemeinschaft III ab, da hier die notwendige sozialpädagogische Begleitung fehle.
Die gleiche fachliche Position vertritt die AG II „Jugendarbeit“.
c. Am 25.02.2009 befassten sich die Bürgermeister der Kommunen aus dem Zuständigkeitsbereich des Fachbereiches ebenfalls mit der Schulsozialarbeit. Hier wurde folgende Position vertreten:
aa. SSA ist notwendig und soll weitergeführt werden.
bb. SSA muss an die Jugendhilfe angebunden sein. Die Sicherstellung der Interessen der Jugendhilfe erfolgt in vertraglichen Vereinbarungen mit dem Schulträger und der Schule.
cc. SSA soll verstärkt auf Schule hin weiterentwickelt werden.
dd. Die finanzielle Verantwortung trägt zu 100 % der Schulträger.
ee. Die Stellen für Schulsozialarbeiter/innen sollen nach überwiegender Auffassung bei den Kommunen eingerichtet werden. Es soll dadurch die Situation der einzelnen Kommune stärker berücksichtigt werden, z.B. hinsichtlich der Größe der einzelnen Schule, einer möglicherweise bestehenden Ganztags- oder Übermittagbetreuung, einer bevorstehenden Kooperation mit anderen Kommunen im Schulbereich, einer Erweiterung auf andere Schultypen oder der Einbeziehung auf andere Strukturen, vor allem der Jugendwerke.
ff. Der Stellenumfang soll nicht pauschal je Hauptschule festgelegt werden, sondern im Einzelfall je Schule vereinbart werden.
6. Stellungnahme der Verwaltung
Die dargestellten Diskussionen haben verschiedene Interessen und Sichtweisen deutlich gemacht. Sie sind nicht ohne weiteres miteinander kompatibel, sondern weichen in einigen Fragestellungen voneinander ab.
Ein starker Konsens besteht in der Bewertung der Bedeutung von SSA und der Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung. Weiterhin besteht Übereinstimmung darin, dass durch einen flexiblen Ansatz die Erfordernisse der jeweiligen Schule und des jeweiligen Sozialraumes berücksichtigt werden müssen. Auch die Notwendigkeit der Anbindung von SSA an die Jugendhilfe wird allgemein für erforderlich gehalten.
Dissenz besteht bei der Frage der Anbindung der Stellen der Fachkräfte für die SSA.
Die Verwaltung geht bei ihren Vorstellungen hinsichtlich der Weiterführung der SSA von folgenden Überlegungen aus:
- SSA im bisher verstandenen Sinn ist eine freiwillige Leistung der Jugendhilfe. Da sie weit über den originären Leistungsbereich der Jugendhilfe hinausgeht und deshalb vielfältige Kooperationspartner benötigt, kann SSA nur gelingen, wenn sie im Konsens aller Akteure wahrgenommen wird. Die Kommunen haben hier klar Position bezogen. Sie wollen zukünftig mehr Verantwortung in ihrer Rolle als Schulträger übernehmen. Das ist zu begrüssen, da hierdurch deutlich wird, dass durch das Isselburger Modell SSA im Laufe der Jahre an Akzeptanz gewonnen hat und nunmehr auf breiterer Basis weiterentwickelt werden kann. Diese Entwicklung ist nur aufgrund des Erfolges des Isselburger Modells, vor allem des Engagements der Fachkräfte an den Schulen und der Fachkräfte in den Nebenstellen, möglich geworden.
- Das bereits im Isselburger Modell angelegte Prinzip der sozialräumlichen Orientierung, dass nämlich jeweils ortsspezifisch die einzelnen Bedarfe festgelegt werden müssen, kann durch eine Anbindung an die Kommunen konkretisiert werden.
- Diese auf die einzelne Schule und den dazugehörigen Sozialraum ausgerichtete Flexibilität bei Einsatz, Umfang und Ausrichtung der SSA lässt eine – notgedrungen pauschalisierende – Finanzierung über die Jugendamtsumlage nicht zu.
- Durch die in den letzten Jahren erfolgten Veränderungen in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in den Familienstrukturen, aber auch in der Schule selbst, ist SSA zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Arbeit in Schule und Jugendhilfe geworden. Die Veränderungen bedingen eine Weiterentwicklung der SSA hin zu einer umfassenderen Sichtweise ihrer Aufgaben. Die Studie von Frau Prof. Tölle hat gezeigt, dass eine Entwicklung hin zu mehr sozialpädagogischen Elementen notwendig ist.
- Deshalb soll demnächst die Jugendförderung/Jugendarbeit im Fachbereich (51.3) die für die Kooperation zuständige Stelle sein. Die Jugendarbeit, als klassische Präventionsinstanz, ist bereits vielfach an Schulen präsent. Durch ihre Arbeit mit Vereinen und Verbänden, den Jugendhäusern, verschiedenen Schultypen und den Bereichen Jugendsozialarbeit und erzieherischer Kinder- und Jugendschutz ist die Fachabteilung 51.3 für die Kooperation gut gerüstet. Darüberhinaus wird die Einbeziehung in das Bildungsbüro gewährleistet, da von hier aus Fachinhalte in das Bildungsnetzwerk einfließen.
- Der Einfluss und die Bedeutung der Jugendhilfe für SSA sowie die Sicherstellung der Effekte der SSA für die Jugendhilfe werden durch Vereinbarungen sichergestellt, die Standards enthalten müssen, die für alle Schulen verbindlich sind, aber auf die jeweilige Schulsituation heruntergebrochen werden sollten.
- Darüberhinaus wird eine Berichtspflicht an den JHA verbindlich vorgesehen, um kontinuierlich die weitere Entwicklung verfolgen zu können.
Entscheidungsalternative(n):
Ja |
Nein |
Wenn ja, welche ?
Anlagen:
Schulsozialarbeit im Kreis Borken – Statistik (01.03.2006 – 31.12.2008)