Betreff
380 kV-Hochspannungsleitung Wesel/ Niederrhein -Diele
Vorlage
0115/2009
Art
Beschlussvorlage öffentlich

Der Sachstandsbericht der Verwaltung zum Planungsvorhaben der RWE Transport GmbH „Ersatzneubau der 380 kV-Leitung Wesel/ Niederrhein – Diele“ wird zur Kenntnis genommen.



Sachdarstellung:

Planungsanlaß:

Um den Strom aus Windenergieanlagen zu den Verbrauchern zu transportieren, aber auch zum Anschluss neuer, hocheffizienter konventioneller Kraftwerke und des zunehmenden EU-weiten Stromhandels sind gemäß der dena-Netzstudie 2005 Ausbaumaßnahmen zur Verstärkung der Übertragungsleistung Höchstspannungsbereich bis 2015 dringend erforderlich. Vor diesem Hintergrund planen die RWE Transportnetz Strom GmbH und E.ON-Netz eine 380-kV-Leitungstrasse Diele (Niedersachsen) – Niederrhein (Wesel) mit einer Gesamttrassenlänge von ca. 200 km. Für den südlichen Teil der Freileitung von Meppen bis Wesel ist die RWE Transportnetz Strom-GmbH zuständig (Länge ca. 130 km). Im Bereich des Kreises Borken ist die 380 kV –Hochspannungsfreileitung in Teilen als Ersatzbau der bestehenden 220 kV- Freileitung Niederrhein-Ibbenbüren, Bl 2304, in 380 kV sowie als gebündelte 110/380 kV-Freileitung geplant (teilw. Ersatzneubau und Demontage).

Das Planungsvorhaben der RWE wurde bereits in den Sitzungen der politischen Gremien des Kreises Borken am 10.03.2008 (Umweltausschuss, Anfrage der SPD-Fraktion), 17.04.2008 (Kreisausschuss, Mitteilungen), 24.04.2008 (Kreistag, Mitteilungen), 26.06.2008 (Kreistag, Anfrage der FDP-Fraktion), 20.11.2008 (Kreistag, Anfrage der FDP-Fraktion), 26.03.2009 (Kreisausschuss, Antrag SPD-Fraktion) und 02.04.2009 (Kreistag, Antrag SPD-Fraktion) thematisiert. Mit Datum vom 22.02.2009 beantragte die SPD-Fraktion die Verabschiedung einer „Resolution zur Erdverkabelung der geplanten 380 kV- Stromtrasse Wesel – Diele“. Diese wurde am 02.04.2009 in den nun anstehenden Umweltausschuss verwiesen. Mit Datum vom 13.05.2009 hat die CDU-Fraktion einen weiteren Antrag zur „Erdverkabelung im Kreis Borken“ vorgelegt.

Folgende Aspekte werden in der Region kontrovers diskutiert:

  • Bau der Leitungstrasse als Freileitung oder Erdverkabelung
  • Raumbedeutsamkeit und Überörtlichkeit des Vorhabens
  • Beeinflussung der räumlichen Entwicklung durch nachteilige Auswirkungen auf die Siedlungsentwicklung, das Landschaftsbild und den Naturhaushalt
  • Nähe zu Wohngebäuden mit möglichen gesundheitlichen Risiken durch die Auswirkungen von Elektrosmog und elektromagnetischer Strahlungen
  • Beeinträchtigungen der landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Schutzstreifen, Bodenerwärmung und Höhen der Leiterseile
  • Bestehende Techniken im Bereich der Erdverkabelung als Alternative zur Freileitung
  • Entstehung der Mehrkosten einer Erdverkabelung von Hoch- und Höchstspannungs­leitungen und Umlage dieser auf die Verbraucher
  • Vorgesehene Verkürzung des verwaltungsgerichtlichen Klageweges

Hierzu einige zusammenfassende Informationen über die grundsätzlichen Möglichkeiten der Erdverkabelung

Argumente/ Technik

GIL = gasisolierte Leitung

VPE = Kabel mit vernetzter Polyethylen-Isolierung

HVCD Light = Hochspannungsgleichstromübertragung

Stand der Technik

kein akuter Forschungsbedarf, theoretisch überall einsetzbar

kein akuter Forschungsbedarf, theoretisch überall einsetzbar

noch Forschungsbedarf, noch kein Stand der Technik

Nutzungsdauer

mind. 50 Jahre, keine Langzeiterfahrung

40 Jahre, Prognose

30-40 Jahre, Prognose

Übertragungsver-luste im Vergleich zur Freileitung

- 65 %

- 50 %

Verluste höher aufgrund Leitungsverluste + Stromumrichterverluste

Verfügbarkeit und Preis

Fa. Siemens max. 20 km pro Jahr, 8,8 Mio. Euro/km

ist vom Rohstoffpreis am Weltmarkt abhängig, sonst keine Einschränkung

ist vom Rohstoffpreis am Weltmarkt abhängig, sonst keine Einschränkung

elektrisches Feld

Nur zwischen Innenleiter und Mantelrohr

zwischen Leiter und Schirm

durch Gleichstrom praktisch kein elektromagnetisches Feld

magnetisches Feld

praktisch keine Gefährdung durch elektromagnetische Felder

am Boden höher als bei Freileitungen, verliert sich schnell (2 m Entfernung = unter 1 Mikrotelsa)

durch Gleichstrom praktisch kein elektromagnetisches Feld

Trassenbreite (ohne Bautrase)

10 m + alle 1200m ein ebenerdiges Schachtbauwerk

20 m, eventuell Baustrasse notwendig

12 m + Umrichterstationen

Betriebskosten im Vergleich zur Freileitung

geringer, da Übertragungsverluste geringer, wenn defekt, dann höhere Wartungskosten

Betriebskosten – 50 %, Verluste geringer, Wartungskosten wenn, dann höher

Verlustkosten aufgrund Stromrichterverluste höher, Wartungskosten aber geringer

Quelle: eigene Zusammenstellung und Recherche nach www.netzausbau-niedersachsen.de

Ausführlicheres Material ist im Internet bereitgestellt unter:

www.bundesnetzagentur.de

www.netzausbau-niedersachsen.de

www.forwind.de/oswald-studie


Planungsstand:

Die Bezirksregierung Münster hat mit Schreiben vom 10.04.2008 der RWE mitgeteilt, dass auf die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens verzichtet wird. Zwar ist das Vorhaben der 380-kV-Hochspannungsfreileitung raumbedeutsam und überörtlich, aber es entspricht in besonderem Maße den Zielen der Raumordnung, da es sich größtenteils um einen Ersatzneubau bzw. eine Leitungsverstärkung innerhalb des vorhandenen Trassenkorridors der 110 bzw. 220 kV-Leitung handelt. Nur auf einer Länge von 3,5 km im Bereich Borken weicht der Trassenverlauf von dem der heutigen Leitung ab. Dies entspricht 5 % der Gesamtlänge. Der benötigte Schutzstreifen wird in Zukunft 66 m breit sein (heute: 32 m). Dem Bündelungsgebot als Ziel der Raumordnung wurde hier durch die Bezirksregierung eine vorrangige Bedeutung eingeräumt, dabei ist es zunächst unerheblich in welcher Bauweise die Leitung ausgestaltet wird.

Rechtliche Grundlagen:

In NRW ist im Landesentwicklungsplan bislang nur festgelegt, dass eine Verkabelung bei technischer und wirtschaftlicher Machbarkeit in Betracht gezogen werden soll. Damit fehlte bislang in NRW die Rechtsgrundlage, Erdverkabelung auf der Höchstspannungsebene in sensiblen Bereichen umzusetzen.

Im Landesentwicklungsprogramm des Landes NRW (LEPro) in § 28b LEPro heißt es: „Leitungen sollen bebaute oder zur Bebauung vorgesehene Gebiete sowie den Naturhaushalt und das Landschaftsbild möglichst wenig beeinträchtigen und im Interesse einer geringen Inanspruchnahme von Freiraum möglichst räumlich gebündelt werden. [...] Bei elektrischer Energieversorgung ist, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, eine Verkabelung in Betracht zu ziehen. [...].“ Der § 28b LEPro löst jedoch keine strikte Beachtenspflicht i.S.d. § 4 I ROG aus.

Das Land Niedersachsen hat demgegenüber mit dem Niedersächsischen Erdkabelgesetz die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen und mit der Änderung des Landesraumordnungs­programms die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Erdverkabelung von Hoch­spannungsfreileitungen im Dezember 2007 geschaffen.

Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG)

Der Bundestag hat nun aktuell am 07.05.2009 das Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze beschlossen. Kernstück ist das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), dass nun bundesweit nach Bekanntmachung diese Regelungslücke schließt.

Mit dem Gesetz werden die Planungs- und Genehmigungsverfahren für 24 vordringliche Leitungsbauvorhaben im Höchstspannungs-Übertragungsnetz (380 kV) beschleunigt. Die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der vordringlichen Leitungsbauvorhaben ist folglich für alle Genehmigungsbehörden verbindlich festgestellt.

Dabei wird auch gem. § 2 Abs. 1 EnLAG im Rahmen von vier Pilotprojekten, zu denen auch die den Kreis Borken betreffende Trasse Diele – Niederrhein gehört, die Erdverkabelung von 380kV-Leitungen getestet. Im Rahmen von Neubauvorhaben soll der Einsatz von Erdkabeln unter bestimmten Kriterien ermöglicht werden, d. h. wenn bestimmte Abstände zu Wohnbebauungen nicht eingehalten werden können, soll eine Erdverkabelung vorgenommen werden. Die Verkabelung ist jedoch nur auf Teilabschnitten zulässig, auf denen sie technisch und wirtschaftlich effizient ist. Als technisch und wirtschaftlich effizienter Teilabschnitt wird in der Begründung des Gesetzes die Voraussetzung genannt, dass der Abschnitt eine minimale Länge von 3 km aufweisen muss, um einen ständigen Wechsel von Freileitung und Erdkabel zu vermeiden.

Ferner werden Regelungen zur Verstärkung und Optimierung bestehender Leitungen sowie zum Einsatz neuer Technologien wie der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGU) im Netz getroffen.

 

In § 2 Abs. 3 EnLAG wird die verfahrensrechtliche Möglichkeit eröffnet, für vier Pilotprojekte auch unabhängig von einem Neubau einen Antrag auf Planfeststellung für die Errichtung, Änderung oder den Betrieb eines Erdkabels auf der Höchstspannungsebene zu stellen. Der Absatz verweist auf § 43 EnWG. Bislang wurde im Energiewirtschaftsgesetz nur die Planfeststellung für Freileitungen auf der Spannungsebene von 380 kV geregelt. Hierbei müssen jedoch keine Mindestabstände zur Wohnbebauung gem. § 2 Abs. 1 EnLAG zu Grunde gelegt werden. Die Bundesnetzagentur als zuständige Genehmigungsbehörde wird auch hier die technische und wirtschaftliche Effizienz und die Vermeidung von Mehrkosten überprüfen müssen.

Beteiligungsmöglichkeiten des Kreises Borken als Träger öffentlicher Belange

Bereits im Rahmen der Vorprüfung zum Raumordnungsverfahren sind alle betroffenen Kreise und Gemeinden zur Stellungnahme aufgefordert worden. Von fast allen wurde eine Erdverkabelung oder mindestens die Einhaltung der in Niedersachsen vorgeschriebenen Schutzabstände zu Wohnbebauung (im Siedlungszusammenhang – 400 m; im Außenbereich – 200 m) gefordert. Das EnLAG greift für Neubauabschnitte der Pilotvorhaben diese Abstände im Bereich der Wohnbebauung auf. Im Bereich des Landschaftsschutzes werden keine Festlegungen getroffen.

Durch den Verzicht auf ein Raumordnungsverfahren Anfang 2008 werden alle weiteren Entscheidungen für die Leitungstrasse Wesel – Niederrein auf der Ebene des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens getroffen. 

Im Planfeststellungsverfahren zum Ersatzneubau der 380-kV-Leitung wird der Kreis Borken als Behörde, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben betroffen ist, ebenfalls zur Stellungnahme aufgefordert werden (s. § 73 II Verwaltungsverfahrensgesetz NRW i.V.m. §§ 43 ff. Energiewirtschaftsgesetz). Gleiches gilt für die betroffenen Städte und Gemeinden, auch sie können ihre Einwände gegen das Vorhaben des Ersatzneubaus geltend machen. Antragssteller wird voraussichtlich die RWE Transportnetz Strom GmbH sein. Genehmigungsbehörde bzw. Planfeststellungsbehörde wird für den Leitungsabschnitt im Kreis Borken die Bezirksregierung Münster, Dez. 25 sein.

Weitere informelle Gespräche wurden zwischen dem Kreis Borken sowie den Städten und Gemeinden und der RWE geführt. Am 06.06.2008 fand hierzu unter der Einladung und Moderation des Landrats ein umfangreicher Informationsaustausch statt. Die RWE Transportnetz Strom GmbH hat hierbei sowie bei weiteren Terminen zugesichert, bei den weiteren Schritten mit allen Gemeinden in engem Kontakt zu bleiben und die Gemeinden frühzeitig in die konkrete Planung einzubeziehen und den Forschungs- und Pilotcharakter des EnLAG auch ernst nehmen zu wollen.

Die Verwaltung strebt zusammenfassend folgendes weitere Vorgehen an:

·         Der Kreis wird darauf hinwirken, die Möglichkeiten und Chancen des EnLAG im Bereich der Erdverkabelung für die Pilotstrecke Diele – Niederrhein nachdrücklich zu nutzen, um Nutzungskonkurrenzen zu minimieren und eine raumverträgliche Ausgestaltung des Trassenausbaus zu erreichen.

·         Bereits im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens werden die Gespräche mit RWE Transport GmbH gemeinsam mit den Städten und Gemeinden auf der Basis der veränderten Rechtsgrundlage wieder intensiviert. Ziel ist es, frühzeitig und umfassend planungsrechtliche Alternativen in besonders schutzwürdigen, sensiblen Landschafts- oder Siedlungsbereichen mit der RWE Transport GmbH zu diskutieren und umsetzen. Hierbei gilt es die unterschiedlichen Betroffenheiten im Bereich Siedlungsentwicklung, Natur und Landschaft sowie Landwirtschaft und Erholungsnutzung differenziert und kleinräumig zu beleuchten. Hierauf aufbauend ist eine raumverträgliche Funktionsteilung zwischen Freileitung und Erdverkabelung zu ermitteln, die die Flächeninanspruchnahme für Leitungstrassen und notwendige Umspannanlagen minimiert und eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Kommunen und ihrer Flächennutzungen im Kreis Borken ermöglicht.