Der Fachausschuss nimmt die Sachdarstellung der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.
Rechtsgrundlage:
-
Sachdarstellung:
Mit
Ablauf der gesetzlichen Altfallregelung zum 31.12.2009 ist die Diskussion um
ein Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer in jüngster Zeit neu
entfacht. Auch in den politischen Gremien des Kreises Borken ist der
Themenkomplex bereits mehrfach erörtert worden. So hat der Kreistag u.a. in
seiner Sitzung am 04.05.2006 eine Resolution zu einer nachhaltigen
Altfallregelung gefasst.
Rechtliche Grundlagen :
Zum 01.01.2005 trat das neue
Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es handelt sich dabei um ein Artikelgesetz, mit
welchem das deutsche Ausländerrecht grundlegend reformiert wurde. Wichtige Änderungen erfuhren durch das
Zuwanderungsgesetz auch das Asylverfahrensgesetz, das
Staatsangehörigkeitsgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz.
Das Zuwanderungsgesetz verfolgte folgende
Ziele:
§ Integration
der auf Dauer rechtmäßig bei uns lebenden Zuwanderer als politische
Schlüsselaufgabe, sowohl für den Staat auf allen Ebenen in Bund, Ländern und
Kommunen als auch als zivilgesellschaftlicher Auftrag, und Integration vor
allem auch als eigene Anstrengung der Zuwanderer nach dem Prinzip des
"Förderns und Forderns";
§ Berücksichtigung
der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse Deutschlands durch eine
differenzierte, bedarfsorientierte Steuerung und Begrenzung zukünftiger
Zuwanderung;
§ Erfüllung
der humanitären Verpflichtungen, die sich aus dem Grundgesetz und aus einer
Vielzahl international bindender Verträge und Pakte ergeben;
§ Garantie
des Schutzes und der Sicherheit Deutschlands und der Menschen, die in
Deutschland leben;
§ Aktive
Einbringung der deutschen Grundpositionen auf der Ebene der Europäischen Union,
im Europarat und in den UN-Gremien.
Zahlreiche Änderungen, zuletzt vom 30.07.2009 verdeutlichen,
dass das Gesetz in seiner Ursprungfassung nicht sämtlichen Vorstellungen
entsprach und sich stets Optimierungsbedarf einstellte.
Eines der wichtigsten Themen, das im Zuwanderungsgesetz nur
unzureichend behandelt wurde, war die Thematik der langjährig geduldeten
Ausländer und hier insbesondere das Problem der Angehörigen der 2. Generation.
Zu diesem Themenkomplex hat es 2 wichtige Veränderungen gegeben.
a)
Mit seinem Erlass vom 11.12.2006 hat
der Innenminister des Landes NRW eine Bleiberechtsandordnung zur Erteilung von
Aufenthaltserlaubnissen an ausreisepflichtige Ausländer, die faktisch
wirtschaftlich und sozial integriert sind, nach § 23 Abs. 1 AufenthG getroffen.
Mit weiterem Erlass vom 22.03.2007 gab der Innenminister weitere konkrete
Hinweise zur Anwendung seiner Bleiberechtsanordnung.
Diese enthielt im Wesentlichen folgende Voraussetzungen:
·
Besitz einer Duldung
·
8jähriger Aufenthalt bzw. 6jähriger Aufenthalt bei
Familien mit einem oder mehreren minderjährigen, ledigen Kindern in häuslicher
Gemeinschaft, die den Kindergarten oder die Schule besuchen
·
legales, dauerhaftes,
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und Sicherstellung des
Lebensunterhalts ohne öffentliche Mittel, verbindliches Arbeitsplatzangebot
reicht aus (Erfüllung bis 30.09.2007 möglich)
·
Ausreichender Wohnraum
·
Mündliche Deutschkenntnisse Stufe A2, bei schweren
Erkrankungen sind Ausnahmen möglich
·
Regelmäßiger Schulbesuch bei Kindern im
schulpflichtigen Alter
·
Keine vorsätzliche Täuschung über die Identität
oder Behinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen
·
Keine Bezüge zu terroristischen Organisationen
·
Keine Verurteilungen, Bagatellgrenze 50 Tagessätze,
bei Verstößen gegen das Ausländerrecht 90 Tagessätze
·
Keine Verurteilung eines in häuslicher Gemeinschaft
lebenden Familienmitglieds (50 bzw. 90
TS) - auch wenn minderjährige Kinder Straftaten begangen haben.
b)
Am 28.08.2007 ist das Gesetz zur
Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union
in Kraft getreten. Es beinhaltet in §§
104a und 104b AufenthG gesetzliche Bleiberechtsregelungen, zu denen das
Innenministerium mit Erlass vom 16.10.2007 den Ausländerbehörden
Anwendungshinweise gab. In seiner Einführung zu diesem Erlass weist das
Innenministerium auf den Gedanken der Meistbegünstigung als Leitfaden hin. In Einzelfällen lenkt das IM
NRW das den Ausländerbehörden zustehende Ermessen in diesem Sinne. Mit weiteren
Erlassen, zuletzt vom 30.09.2009, gab
das Innenministerium jeweils weitere Vorgaben für die Ausländerbehörden. Diese
gesetzliche Bleiberechtsregelung ist im Wesentlichen deckungsgleich mit der
Erlassregelung aus dem Jahr 2006 hat aber einen wichtigen Unterschied: der
Bezug von öffentlichen Leistungen ist unschädlich.
Situation im Kreis Borken:
Bevor die gesetzlichen Neuregelungen zur Probeaufenthaltserlaubnis bzw.
des Innenministererlasses in Kraft
getreten sind, wohnten im Kreis Borken (ohne Bocholt) rd. 1.600 abgelehnte
Asylbewerber. Hiervon haben 1089 Personen einen Antrag auf Probeerlaubnis oder
eine Erlaubnis nach dem Erlass des IM NRW vom Dezember 2006 gestellt.
Insgesamt konnte 110 ehemals
geduldeten Ausländern auf Basis der
Erlassregelung des IM NRW eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.
Bis zum 31.10.2009 wurden für 449 Personen Aufenthaltserlaubnisse
aufgrund der Bleiberechtsregelung nach §
104a AufenthaltG erteilt, wobei der überwiegende Teil nicht in der Lage war /
ist, den Lebensunterhalt vollständig eigenständig sichern zu können. Gem. §
104a Abs. 5 AufenthG wird diese Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit bis
zum 31.12.2009 erteilt.
Zusammenfassend
lässt sich somit feststellen, dass die beiden letzten Bleiberechtsregelungen
für insgesamt 559 Personen zu
einer Aufenthaltserlaubnis geführt
haben.
Von
den 1089 gestellten Anträgen mussten zunächst 527 negativ beschieden
werden. Die Anträge waren hauptsächlich
abzulehnen da
a) die Straftätereigenschaft bejaht werden musste
b) eine Integrationsbemühung (z.B. Schulbesuch der Kinder)
fehlte oder
c) eine fehlende Mitwirkung bei der Identitätsaufklärung
gegeben war.
Festgehalten
werden kann auch, dass ca. 500 Personen keinen Antrag auf der Grundlage der
beiden oben skizzierten Bleiberechtsregelungen gestellt haben.
Diejenigen Ausländer, die eine Probeaufenthaltserlaubnis erlangt haben,
müssen bis zum 31.12.2009 einen Verlängerungsantrag gestellt haben.
Weitere Entwicklung
Fest steht somit, dass sich die Ausländerbehörde Ende d.J. mit über 500
Verlängerungsanträgen wird auseinander setzen müssen. Diese
Verlängerungsanträge entfalten gem. § 104a Abs. 5 Satz 5 AufenthG keine sog.
Fiktionswirkung. D.h., ist bis zum 31.12.2009 noch nicht über die Verlängerung
entschieden, so fallen die Antragsteller zurück in den Status der Duldung.
Voraussetzung für eine Verlängerung ist, dass
-
(1. Alternative)
der Lebensunterhalt im maßgeblichen Zeitraum überwiegend, d.h. zu mehr als 50 Prozent eigenständig durch
Erwerbstätigkeit gesichert ist. Bei dieser Alternative können zugunsten des
Ausländers zwei Betrachtungsweisen angestellt werden. Zum einen kann der
zeitliche Aspekt in den Vordergrund gestellt werden (während des 30 monatigen
Zeitraumes mindestens 15 Monate und 1 Tag) oder zum anderen die materielle (im
gesamten Zeitraum mehr als 50 Prozent) zur Bewertung herangezogen werden.
oder
-
(2. Alternative)
der
Lebensunterhalt am 31.12.2009 mindestens seit dem 01.04.2009 ununterbrochen vollständig aus eigener
Erwerbstätigkeit gesichert war.
-
für die Zukunft in beiden vorgenannten Fällen
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Lebensunterhalt überwiegend sichergestellt sein wird.
Nach Einschätzung der Ausländerbehörde werden rund 80 Prozent der
Probeerlaubnisinhaber nicht in der Lage sein, diesen Nachweis zu erbringen.
Dies wird dazu führen, dass diese Verlängerungsanträge abgelehnt werden müssen.
Leider muss in diesem
Zusammenhang auch festgestellt werden, dass nicht nur die derzeitige
wirtschaftliche Situation dazu führt, dass der Lebensunterhalt nicht
überwiegend selbständig sichergestellt werden kann. Auch unzureichende bis hin
zu gänzlich fehlenden Bemühungen, in ein Beschäftigungsverhältnis zu gelangen,
sind Ursachen für die fehlende wirtschaftliche Integration. Zu erkennen ist,
dass ein großer Personenkreis dieser Verpflichtung trotz mehrfacher
persönlicher Aufforderung und schriftlicher Hinweise bewusst nicht nachgekommen
ist.
Diskutierte Lösungsansätze
Eine Verlängerung der gesetzlichen Bleiberechtsregelung löst
das grundlegende Problem nur unzureichend. Denn wenn nach zwischenzeitlicher
2-jähriger Option Ausländern kein Aufenthaltstitel gegeben werden konnte, wird
sich dies in den nächsten Monaten wohl nur in wenigen Fällen ändern lassen.
Zudem kann die jeweilige oberste Landesbehörde ohnehin nach § 60 a AufenthG eine
Bleiberechtsanordnung für lediglich 6 Monate erlassen. Auch in dieser kurzen
Zeit wird sich für die betroffenen Ausländer kein anderer Status ergeben
können.
Eine generelle vorbehaltslose Altfallregelung ist ebenfalls nicht
zielführend. Wie oben ausgeführt, war von den gestellten Anträgen auf Probe
nahezu 50 Prozent abzulehnen, weil Ausschlusskriterien bejaht werden mussten.
Als Hauptausschlusskriterien sind hier die Straftätereigenschaft, die fehlende
soziale Integration und die fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung der
Identität zu nennen. Bei einer nahezu bedingungslosen Altfallregelung
(Generalamnestie) würde auch dieser Personenkreis – bislang politisch nicht
gewollt - profitieren. Zudem würde eine
derartig gestaltete Altfallregelung die falschen politischen Signale für die
Zukunft setzten. Diejenigen Ausländer, die die deutsche Rechtsordnung
akzeptieren, verlassen die Bundesrepublik freiwillig oder können rückgeführt
werden, während diejenigen, die beharrlich gegen das Rechtssystem verstoßen
(z.B. fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung der Identität und damit
Unmöglichkeit der Rückführung) für ihr Fehlverhalten „belohnt“ würden.
Dringend notwendig ist es, die Ausländerbehörden bei ihrem Auftrag, die
rechtlichen Vorgaben des Ausländerrechts umzusetzen, auch zu unterstützen. U.a.
ist es erforderlich, dass seitens des Landes Anwendungshinweise zur Behandlung
besonderer Personengruppen gegeben oder modifiziert werden. Hierzu zählen z.B.
die Angehörigen der 2. Generation oder aber die älteren, kranken oder
erwerbsunfähigen Personen. Dazu gehört aber auch, dass für den Personenkreis,
der nicht von der Bleiberechtregelung profitieren kann und wird,
Rahmenbedingungen für eine konsequente Rückführung geschaffen werden.
Daraus wird deutlich, dass es schwierig bis unmöglich sein wird, eine
Lösung zu finden, die allen oben beschriebenen Kriterien gerecht wird. Aus dem
dargestellten Zahlenwerk wird ersichtlich, dass die Bleiberechtsregelungen im
Kreis Borken bisher noch nicht zu einer Problemlösung, wohl aber zu einer
Abfederung geführt haben. Für eine weitergehende Lösung ist eine poltische
Gratwanderung erforderlich, die auf der einen Seite die Rahmenbedingungen für
ein Bleiberecht lockert (z.B. bei der wirtschaftlichen Integration), auf der
anderen Seite aber eine konsequente
Rückführung des nicht profitierenden Personenkreises ermöglicht.
Handhabung im Kreis Borken
Die Ausländerbehörde Borken pflegt seit Jahren im Rahmen ihrer
Möglichkeiten eine humane Praxis der Rechtsanwendung und wird dies auch in
Zukunft beibehalten. Der Kreis Borken ist bestrebt, der Intention des
Bleiberechtsbeschlusses und der gesetzlichen Altfallregelung folgend, den
ausreisepflichtigen Ausländern, die faktisch und rechtlich integriert sind, ein
Aufenthaltsrecht zu gewähren. Hierbei gilt das besondere Augenmerk den
Angehörigen der 2. Generation, die im Bundesgebiet aufgewachsen bzw. hier
geboren sind.
Ausblick
Die Thematik ist sowohl von den Interessenverbänden als auch von den
Ausländerbehörden an die Innenministerien herangetragen worden. Auf ihrer
Konferenz am 2.-4. Dezember in Bremen werden die Innenminister der Länder das
Bleiberecht für langjährig Geduldete erörtern. Über die erzielten Ergebnisse
wird mündlich berichtet.
Entscheidungsalternative(n):
Ja |
|
Nein |
Wenn ja, welche ?