Der Fachausschuss nimmt die Sachdarstellung der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.
Rechtsgrundlage:
-
Sachdarstellung:
Für
die Diskussion des SPD-Antrages ist es hilfreich, vorab einige allgemeine
Informationen zur Bleiberechtsthematik zu geben. Zunächst werden die
rechtlichen Grundlagen und die konkrete Situation im Kreis Borken behandelt,
anschließend wird auf die einzelnen Punkte des SPD-Antrages eingegangen.
Rechtliche Grundlagen :
Zum 01.01.2005 trat das neue
Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es handelt sich dabei um ein Artikelgesetz, mit
welchem das deutsche Ausländerrecht grundlegend reformiert wurde. Wichtige Änderungen erfuhren durch das
Zuwanderungsgesetz auch das Asylverfahrensgesetz, das
Staatsangehörigkeitsgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz.
Das Zuwanderungsgesetz verfolgt folgende
Ziele:
§ Integration
der auf Dauer rechtmäßig bei uns lebenden Zuwanderer als politische
Schlüsselaufgabe, sowohl für den Staat auf allen Ebenen in Bund, Ländern und
Kommunen als auch als zivilgesellschaftlicher Auftrag, und Integration vor
allem auch als eigene Anstrengung der Zuwanderer nach dem Prinzip des
"Förderns und Forderns";
§ Berücksichtigung
der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse Deutschlands durch eine
differenzierte, bedarfsorientierte Steuerung und Begrenzung zukünftiger
Zuwanderung;
§ Erfüllung
der humanitären Verpflichtungen, die sich aus dem Grundgesetz und aus einer
Vielzahl international bindender Verträge und Pakte ergeben;
§ Garantie
des Schutzes und der Sicherheit Deutschlands und der Menschen, die in
Deutschland leben;
§ Aktive
Einbringung der deutschen Grundpositionen auf der Ebene der Europäischen Union,
im Europarat und in den UN-Gremien.
Zahlreiche Änderungen, zuletzt vom 30.07.2009 verdeutlichen,
dass das Gesetz in seiner Ursprungfassung nicht sämtlichen Vorstellungen
entsprach und sich stets Optimierungsbedarf einstellte.
Eines der wichtigsten Themen, das im Zuwanderungsgesetz nur
unzureichend behandelt wurde, war die Thematik der langjährig geduldeten
Ausländer und hier insbesondere das Problem der Angehörigen der 2. Generation.
Zu diesem Themenkomplex hat es 3 wichtige Veränderungen gegeben.
a)
Mit seinem Erlass vom 11.12.2006 hat
der Innenminister des Landes NRW eine Bleiberechtsanordnung zur Erteilung von
Aufenthaltserlaubnissen an ausreisepflichtige Ausländer, die faktisch
wirtschaftlich und sozial integriert sind, nach § 23 Abs. 1 AufenthG getroffen.
Mit weiterem Erlass vom 22.03.2007 gab der Innenminister weitere konkrete
Hinweise zur Anwendung seiner Bleiberechtsanordnung.
Diese enthielt im
Wesentlichen folgende Voraussetzungen:
·
Besitz einer Duldung
·
8jähriger Aufenthalt bzw. 6jähriger Aufenthalt bei
Familien mit einem oder mehreren minderjährigen, ledigen Kindern in häuslicher
Gemeinschaft, die den Kindergarten oder die Schule besuchen
·
legales, dauerhaftes,
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und Sicherstellung des
Lebensunterhalts ohne öffentliche Mittel, verbindliches Arbeitsplatzangebot
reicht aus (Erfüllung bis 30.09.2007 möglich)
·
Ausreichender Wohnraum
·
Mündliche Deutschkenntnisse Stufe A2, bei schweren
Erkrankungen sind Ausnahmen möglich
·
Regelmäßiger Schulbesuch bei Kindern im
schulpflichtigen Alter
·
Keine vorsätzliche Täuschung über die Identität
oder Behinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen
·
Keine Bezüge zu terroristischen Organisationen
·
Keine Verurteilungen, Bagatellgrenze 50 Tagessätze,
bei Verstößen gegen das Ausländerrecht 90 Tagessätze
·
Keine Verurteilung eines in häuslicher Gemeinschaft
lebenden Familienmitglieds (50 bzw. 90
TS) - auch wenn minderjährige Kinder Straftaten begangen haben.
b)
Am 28.08.2007 ist das Gesetz zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union in Kraft
getreten. Es beinhaltet in §§ 104a und
104b AufenthG gesetzliche Bleiberechtsregelungen, zu denen das Innenministerium
mit Erlass vom 16.10.2007 den Ausländerbehörden Anwendungshinweise gab. Mit
nachfolgenden Erlassen, zuletzt vom 30.09.2009,
gab das Innenministerium jeweils weitere Vorgaben für die
Ausländerbehörden. Diese gesetzliche Bleiberechtsregelung ist im Wesentlichen
deckungsgleich mit der Erlassregelung aus dem Jahr 2006 hat aber einen
wichtigen Unterschied: der Bezug von öffentlichen Leistungen führt nicht
zwingend zu einer Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis.
c)
Auf ihrer Ständigen Konferenz am 03./04.12.2009
kamen die Innenminister und –senatoren der Länder überein, dass in Bezug auf
die zum Jahresende 2009 auslaufenden Aufenthaltserlaubnisse „auf Probe“ gem. §
104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Anschlussregelungen getroffen werden sollten. In Umsetzung dieses Beschlusses gab das
Innenministerium NRW den Ausländerbehörden mit Erlassen vom 17. 12. und
21.12.2009 nähere Anweisung. Danach wurden die Voraussetzungen für die
Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, insbesondere im Rahmen der
wirtschaftlichen Integration, deutlich entschärft.
Situation im Kreis Borken:
Bevor die gesetzlichen Neuregelungen zur
Probeaufenthaltserlaubnis bzw. des
Innenministererlasses in Kraft getreten sind, wohnten im Kreis Borken
(ohne Bocholt) rd. 1.600 abgelehnte Asylbewerber. Hiervon haben 1089 Personen
einen Antrag auf Probeerlaubnis oder eine Erlaubnis nach dem Erlass des IM NRW
vom Dezember 2006 gestellt.
Insgesamt konnte 110 ehemals geduldeten Ausländern auf Basis der Erlassregelung des IM NRW eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.
Bis zum 31.12.2009 wurden für 455
Personen Aufenthaltserlaubnisse aufgrund der
Bleiberechtsregelung nach § 104a AufenthG erteilt, wobei der
überwiegende Teil nicht in der Lage war / ist, den Lebensunterhalt vollständig
eigenständig sichern zu können. Gem. § 104a Abs. 5 AufenthG wurde diese
Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit bis zum 31.12.2009 erteilt.
Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die beiden letzten
Bleiberechtsregelungen für insgesamt 565 Personen zu einer Aufenthaltserlaubnis
geführt haben.
Von
den 1089 gestellten Anträgen mussten zunächst 527 negativ beschieden
werden. Die Anträge waren hauptsächlich
abzulehnen da
a) die Straftätereigenschaft bejaht werden musste
b) eine Integrationsbemühung (z.B. Schulbesuch der Kinder)
fehlte oder
c) eine fehlende Mitwirkung bei der Identitätsaufklärung
gegeben war.
Festgehalten
werden kann auch, dass ca. 500 Personen keinen Antrag auf der Grundlage der
beiden oben skizzierten Bleiberechtsregelungen gestellt haben.
Zurzeit
gehen die Anträge auf Verlängerung der Probeaufenthaltserlaubnis ein. Nach
überschlägiger Betrachtung haben alle Erlaubnisinhaber einen dementsprechenden
Antrag gestellt. Bis zur Entscheidung entfaltet der Antrag eine
Fiktionswirkung, d.h. die Antragsteller leben weiterhin mit einer
Aufenthaltserlaubnis und fallen nicht in den Duldungsstatus zurück.
Zu Punkt 1
Mit der
gesetzlichen Altfallregelung des § 104 a AufenthG in enger Anlehnung an den
Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006 wird dem
Bedürfnis der seit Jahren geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer
dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen. Begünstigt werden
sollen die Ausländer, die sozial und wirtschaftlich im Bundesgebiert integriert
sind und sich rechtstreu verhalten haben (vgl. BT-Drs. 16/5965, S. 377). Durch
die Beschränkung auf den Stichtag 01.07.2007, an dem man sich seit mind.
acht/sechs Jahren in Deutschland aufgehalten haben muss, ist die Regelung
beschränkt auf die aktuelle Situation der sich derzeit in Deutschland
aufhaltenden Ausländer. Für zukünftige Fäll eines langjährigen faktischen
Aufenthaltes im Bundesgebiet kann daraus keine Präzedenzwirkung abgleitet werden.
Die Regelung des § 104 a AufenthG ist –
ebenso wie der IMK-Beschluss über eine Bleiberechtsregelung – auf den
Grundgedanken gestützt, Bleiberechte für die in Deutschland seit längerer Zeit
geduldeten Ausländer nur dann zu gewähren, wenn dadurch nicht Verstöße gegen
die geltende Rechtsordnung privilegiert werden. Die Regelung differenziert
daher zwischen verschiedenen Kategorien von geduldeten Ausländern. Eine
Aufenthaltslegalisierung von Personen, die seit Jahren die Rechtsordnung
bewusst missachtet haben, ist ausgeschlossen, da sie eine nicht zu
rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Ausländern darstellen
würde, die ihrer Ausreisepflicht nachgekommen sind. Prämiiert wird daher
rechtstreues Verhalten.
Eine generelle vorbehaltslose Altfallregelung ist nicht zielführend. Wie oben ausgeführt, war
von den gestellten Anträgen auf Probe nahezu 50 Prozent abzulehnen, weil
Ausschlusskriterien bejaht werden mussten. Als Hauptausschlusskriterien sind
hier die Straftätereigenschaft, die fehlende soziale Integration und die
fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung der Identität zu nennen. Bei einer
nahezu bedingungslosen Altfallregelung (Generalamnestie) würde auch dieser
Personenkreis – bislang politisch nicht gewollt - profitieren. Zudem würde eine derartig
gestaltete Altfallregelung die falschen politischen Signale für die Zukunft
setzten. Diejenigen Ausländer, die die deutsche Rechtsordnung akzeptieren,
verlassen die Bundesrepublik freiwillig oder können rückgeführt werden, während
diejenigen, die beharrlich gegen das Rechtssystem verstoßen (z.B. fehlende
Mitwirkung bei der Aufklärung der Identität und damit Unmöglichkeit der
Rückführung) für ihr Fehlverhalten „belohnt“ würden.
Zu den Rahmenbedingungen im Kosovo ist zu bemerken, dass diese durch
Lageberichte des Auswärtigen Amtes und durch das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge beurteilt werden. Ob durch die besondere Lage im Heimatland
zielstaatsbezogene Ausreisehindernisse vorliegen, wird somit von diesen beiden
Behörden bestimmt. Diese Beurteilung ist für die Ausländerbehörde bindend. Über
dieses Urteil darf sie sich nicht hinwegsetzen. Der aktuelle Lagebericht
datiert aus Herbst 2009.
Der
Verwaltung vertritt daher die Auffassung, ein dauerhaftes Bleiberecht nur dem
Personenkreis zukommen zu lassen, der eben unter den Tatbestand des Gesetzes
fällt. Eine Generalamnestie ist weder für alle noch für eine bestimmte
ethnische Gruppe (hier Roma) vertretbar.
Zu Punkt 2
Auf ihrer Ständigen Konferenz am
03./04.12.2009 haben die Innenminister und –senatoren der Länder
Anschlussregelungen in Bezug auf die zum Jahresende 2009 auslaufenden
Aufenthaltserlaubnisse „auf Probe“ gem. § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG
getroffen. In Umsetzung dieses Beschlusses gab das Innenministerium NRW den
Ausländerbehörden mit Erlassen vom 17. 12. und 21.12.2009 nähere Anweisung.
Danach wurden die Voraussetzungen für die Verlängerung einer
Aufenthaltserlaubnis, insbesondere im Rahmen der wirtschaftlichen Integration,
deutlich entschärft. So reicht es für denjenigen Personenkreis, der Inhaber
einer Probeaufenthaltserlaubnis ist, bei
der Prüfung des Kriteriums „Sicherung des Lebensunterhaltes“ aus, nachzuweisen,
dass ein ernsthaftes Bemühen zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit vorgelegen
hat.
Mit
diesen gravierenden Erleichterungen ist insbesondere der schwierigen
wirtschaftlichen Gesamtsituation Rechnung getragen worden.
Trotz
dieser großzügigen Regelung führen die Anpassungen allerdings zu dem bewusst gewollten
Ergebnis, dass bei weitem nicht alle geduldeten Ausländer von der
Bleiberechtsregelung profitieren können (s.o rechtl. Rahmenbedingungen).
Zu Punkt 3
Die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis setzt nach § 5 AufenthG in der Regel voraus, dass
der Lebensunterhalt gesichert ist. Das gilt nicht nur für Roma oder hier
langjährig lebende Ausländer, sondern generell für jeden ausländischen
Staatsangehörigen, der sich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten will.
Nach herrschender Meinung (vgl. Hailbronner, AuslR., zu § 5 Abs. 1 Nr. 1
Ziff.18 AufenthG) hat das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts als
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels überragende
rechtspolitische Bedeutung. Das Ziel, die Inanspruchnahme der öffentlichen Haushalte
durch Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern, erfordert, dass ein
Aufenthaltstitel trotz Sozialhilfebedürftigkeit nur erteilt wird, wenn
besondere Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen (OVG Berlin v. 3.3.05-8 S
8.05).
Der Gesetzgeber hat in zahlreichen Fällen
Ausnahmen vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung u.a. aus
verfassungsrechtlichen und humanitären Gründen zugelassen. Danach kann u.a. dem
Personenkreis ausländischer Staatsangehöriger ein Aufenthaltstitel aus
humanitären Gründen erteilt werden, wenn er seinen Lebensunterhalt zumindest überwiegend eigenständig –
auch für die Zukunft – sichert. In seinen Erlassen zur Bleiberechtsreglung
trägt der Innenminister diesen Gedanken Rechnung und gab insofern den
Ausländerbehörden einen entsprechenden Handlungsrahmen. Darüber hinausgehend
können Ausnahmen nur dann gerechtfertigt werden, wenn aus
verfassungsrechtlichen Gründen die Erteilung eines Aufenthaltstitels dringend
geboten erscheint (vgl. BVerwG, NVerwZ - RR 1997, 567). Als Richtlinie für den
Vorrang besonderer humanitärer Gründe ist davon auszugehen, dass
Schwierigkeiten, eine Beschäftigung zu finden und sonstige typische Risiken
noch nicht ausreichen, um eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende
Beurteilung zu rechtfertigen (so für Schwierigkeiten, aus Altersgründen oder
wegen dauerhafter Erkrankung eine Beschäftigung zu finden (OVG Berlin a.a.O)).
Entscheidungsalternative(n):
Ja |
|
Nein |
Wenn ja, welche ?