Betreff
Resolution zum Bleiberecht von langjährig geduldeten Flüchtlingen sowie zur Abschiebung von Roma in das Kosovo - Antrag der SPD-Fraktion - - Sachdarstellung der Verwaltung -
Vorlage
0039/2010
Art
Beschlussvorlage öffentlich

Der Fachausschuss nimmt die Sachdarstellung der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.


Rechtsgrundlage:

-


Sachdarstellung:

 

Für die Diskussion des SPD-Antrages ist es hilfreich, vorab einige allgemeine Informationen zur Bleiberechtsthematik zu geben. Zunächst werden die rechtlichen Grundlagen und die konkrete Situation im Kreis Borken behandelt, anschließend wird auf die einzelnen Punkte des SPD-Antrages eingegangen.

 

Rechtliche Grundlagen :

 

Zum 01.01.2005 trat das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es handelt sich dabei um ein Artikelgesetz, mit welchem das deutsche Ausländerrecht grundlegend reformiert wurde.  Wichtige Änderungen erfuhren durch das Zuwanderungsgesetz auch das Asylverfahrensgesetz, das Staatsangehörigkeitsgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz.

 

Das Zuwanderungsgesetz verfolgt folgende Ziele:

§  Integration der auf Dauer rechtmäßig bei uns lebenden Zuwanderer als politische Schlüsselaufgabe, sowohl für den Staat auf allen Ebenen in Bund, Ländern und Kommunen als auch als zivilgesellschaftlicher Auftrag, und Integration vor allem auch als eigene Anstrengung der Zuwanderer nach dem Prinzip des "Förderns und Forderns";

§  Berücksichtigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse Deutschlands durch eine differenzierte, bedarfsorientierte Steuerung und Begrenzung zukünftiger Zuwanderung;

§  Erfüllung der humanitären Verpflichtungen, die sich aus dem Grundgesetz und aus einer Vielzahl international bindender Verträge und Pakte ergeben;

§  Garantie des Schutzes und der Sicherheit Deutschlands und der Menschen, die in Deutschland leben;

§  Aktive Einbringung der deutschen Grundpositionen auf der Ebene der Europäischen Union, im Europarat und in den UN-Gremien.

Zahlreiche Änderungen, zuletzt vom 30.07.2009 verdeutlichen, dass das Gesetz in seiner Ursprungfassung nicht sämtlichen Vorstellungen entsprach und sich stets Optimierungsbedarf einstellte.

Eines der wichtigsten Themen, das im Zuwanderungsgesetz nur unzureichend behandelt wurde, war die Thematik der langjährig geduldeten Ausländer und hier insbesondere das Problem der Angehörigen der 2. Generation. Zu diesem Themenkomplex hat es 3 wichtige Veränderungen gegeben.

a)    Mit seinem Erlass vom 11.12.2006 hat der Innenminister des Landes NRW eine Bleiberechtsanordnung zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an ausreisepflichtige Ausländer, die faktisch wirtschaftlich und sozial integriert sind, nach § 23 Abs. 1 AufenthG getroffen. Mit weiterem Erlass vom 22.03.2007 gab der Innenminister weitere konkrete Hinweise zur Anwendung seiner Bleiberechtsanordnung.

Diese enthielt im Wesentlichen folgende Voraussetzungen:

·         Besitz einer Duldung

·         8jähriger Aufenthalt bzw. 6jähriger Aufenthalt bei Familien mit einem oder mehreren minderjährigen, ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft, die den Kindergarten oder die Schule besuchen

·         legales, dauerhaftes, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und Sicherstellung des Lebensunterhalts ohne öffentliche Mittel, verbindliches Arbeitsplatzangebot reicht aus (Erfüllung bis 30.09.2007 möglich)

·         Ausreichender Wohnraum

·         Mündliche Deutschkenntnisse Stufe A2, bei schweren Erkrankungen sind Ausnahmen möglich

·         Regelmäßiger Schulbesuch bei Kindern im schulpflichtigen Alter

·         Keine vorsätzliche Täuschung über die Identität oder Behinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen

·         Keine Bezüge zu terroristischen Organisationen

·         Keine Verurteilungen, Bagatellgrenze 50 Tagessätze, bei Verstößen gegen das Ausländerrecht 90 Tagessätze

·         Keine Verurteilung eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienmitglieds  (50 bzw. 90 TS) - auch wenn minderjährige Kinder Straftaten begangen haben.

 

b)    Am 28.08.2007 ist das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union in Kraft getreten.  Es beinhaltet in §§ 104a und 104b AufenthG gesetzliche Bleiberechtsregelungen, zu denen das Innenministerium mit Erlass vom 16.10.2007 den Ausländerbehörden Anwendungshinweise gab. Mit nachfolgenden Erlassen, zuletzt vom 30.09.2009,  gab das Innenministerium jeweils weitere Vorgaben für die Ausländerbehörden. Diese gesetzliche Bleiberechtsregelung ist im Wesentlichen deckungsgleich mit der Erlassregelung aus dem Jahr 2006 hat aber einen wichtigen Unterschied: der Bezug von öffentlichen Leistungen führt nicht zwingend zu einer Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

 

c)    Auf ihrer Ständigen Konferenz am 03./04.12.2009 kamen die Innenminister und –senatoren der Länder überein, dass in Bezug auf die zum Jahresende 2009 auslaufenden Aufenthaltserlaubnisse „auf Probe“ gem. § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Anschlussregelungen getroffen werden sollten.  In Umsetzung dieses Beschlusses gab das Innenministerium NRW den Ausländerbehörden mit Erlassen vom 17. 12. und 21.12.2009 nähere Anweisung. Danach wurden die Voraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, insbesondere im Rahmen der wirtschaftlichen Integration, deutlich entschärft.

Situation im Kreis Borken:

Bevor die gesetzlichen Neuregelungen zur Probeaufenthaltserlaubnis bzw. des  Innenministererlasses in Kraft getreten sind, wohnten im Kreis Borken (ohne Bocholt) rd. 1.600 abgelehnte Asylbewerber. Hiervon haben 1089 Personen einen Antrag auf Probeerlaubnis oder eine Erlaubnis nach dem Erlass des IM NRW vom Dezember 2006 gestellt.

 

Insgesamt konnte 110 ehemals geduldeten Ausländern auf Basis der  Erlassregelung des IM NRW eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

 

Bis zum 31.12.2009 wurden für  455 Personen Aufenthaltserlaubnisse aufgrund der  Bleiberechtsregelung nach § 104a AufenthG erteilt, wobei der überwiegende Teil nicht in der Lage war / ist, den Lebensunterhalt vollständig eigenständig sichern zu können. Gem. § 104a Abs. 5 AufenthG wurde diese Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit bis zum 31.12.2009 erteilt.

 

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die beiden letzten Bleiberechtsregelungen für insgesamt 565 Personen zu einer Aufenthaltserlaubnis geführt haben.

 

Von den 1089 gestellten Anträgen mussten zunächst 527 negativ beschieden werden.  Die Anträge waren hauptsächlich abzulehnen da

a) die Straftätereigenschaft bejaht werden musste

b) eine Integrationsbemühung (z.B. Schulbesuch der Kinder) fehlte oder

c) eine fehlende Mitwirkung bei der Identitätsaufklärung gegeben war.

 

Festgehalten werden kann auch, dass ca. 500 Personen keinen Antrag auf der Grundlage der beiden oben skizzierten Bleiberechtsregelungen gestellt haben.

 

Zurzeit gehen die Anträge auf Verlängerung der Probeaufenthaltserlaubnis ein. Nach überschlägiger Betrachtung haben alle Erlaubnisinhaber einen dementsprechenden Antrag gestellt. Bis zur Entscheidung entfaltet der Antrag eine Fiktionswirkung, d.h. die Antragsteller leben weiterhin mit einer Aufenthaltserlaubnis und fallen nicht in den Duldungsstatus zurück. 

 

Resolution der SPD-Fraktion

 

Zu Punkt 1

Mit der gesetzlichen Altfallregelung des § 104 a AufenthG in enger Anlehnung an den Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006 wird dem Bedürfnis der seit Jahren geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen. Begünstigt werden sollen die Ausländer, die sozial und wirtschaftlich im Bundesgebiert integriert sind und sich rechtstreu verhalten haben (vgl. BT-Drs. 16/5965, S. 377). Durch die Beschränkung auf den Stichtag 01.07.2007, an dem man sich seit mind. acht/sechs Jahren in Deutschland aufgehalten haben muss, ist die Regelung beschränkt auf die aktuelle Situation der sich derzeit in Deutschland aufhaltenden Ausländer. Für zukünftige Fäll eines langjährigen faktischen Aufenthaltes im Bundesgebiet kann daraus keine Präzedenzwirkung abgleitet werden.

Die Regelung des § 104 a AufenthG ist – ebenso wie der IMK-Beschluss über eine Bleiberechtsregelung – auf den Grundgedanken gestützt, Bleiberechte für die in Deutschland seit längerer Zeit geduldeten Ausländer nur dann zu gewähren, wenn dadurch nicht Verstöße gegen die geltende Rechtsordnung privilegiert werden. Die Regelung differenziert daher zwischen verschiedenen Kategorien von geduldeten Ausländern. Eine Aufenthaltslegalisierung von Personen, die seit Jahren die Rechtsordnung bewusst missachtet haben, ist ausgeschlossen, da sie eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Ausländern darstellen würde, die ihrer Ausreisepflicht nachgekommen sind. Prämiiert wird daher rechtstreues Verhalten.

 

Eine generelle vorbehaltslose Altfallregelung ist  nicht zielführend. Wie oben ausgeführt, war von den gestellten Anträgen auf Probe nahezu 50 Prozent abzulehnen, weil Ausschlusskriterien bejaht werden mussten. Als Hauptausschlusskriterien sind hier die Straftätereigenschaft, die fehlende soziale Integration und die fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung der Identität zu nennen. Bei einer nahezu bedingungslosen Altfallregelung (Generalamnestie) würde auch dieser Personenkreis – bislang politisch nicht gewollt -  profitieren. Zudem würde eine derartig gestaltete Altfallregelung die falschen politischen Signale für die Zukunft setzten. Diejenigen Ausländer, die die deutsche Rechtsordnung akzeptieren, verlassen die Bundesrepublik freiwillig oder können rückgeführt werden, während diejenigen, die beharrlich gegen das Rechtssystem verstoßen (z.B. fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung der Identität und damit Unmöglichkeit der Rückführung) für ihr Fehlverhalten „belohnt“ würden.

 

Zu den Rahmenbedingungen im Kosovo ist zu bemerken, dass diese durch Lageberichte des Auswärtigen Amtes und durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beurteilt werden. Ob durch die besondere Lage im Heimatland zielstaatsbezogene Ausreisehindernisse vorliegen, wird somit von diesen beiden Behörden bestimmt. Diese Beurteilung ist für die Ausländerbehörde bindend. Über dieses Urteil darf sie sich nicht hinwegsetzen. Der aktuelle Lagebericht datiert aus Herbst 2009.

 

Der Verwaltung vertritt daher die Auffassung, ein dauerhaftes Bleiberecht nur dem Personenkreis zukommen zu lassen, der eben unter den Tatbestand des Gesetzes fällt. Eine Generalamnestie ist weder für alle noch für eine bestimmte ethnische Gruppe (hier Roma) vertretbar.

 

Zu Punkt 2

Auf ihrer Ständigen Konferenz am 03./04.12.2009 haben die Innenminister und –senatoren der Länder Anschlussregelungen in Bezug auf die zum Jahresende 2009 auslaufenden Aufenthaltserlaubnisse „auf Probe“ gem. § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffen. In Umsetzung dieses Beschlusses gab das Innenministerium NRW den Ausländerbehörden mit Erlassen vom 17. 12. und 21.12.2009 nähere Anweisung. Danach wurden die Voraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, insbesondere im Rahmen der wirtschaftlichen Integration, deutlich entschärft. So reicht es für denjenigen Personenkreis, der Inhaber einer Probeaufenthaltserlaubnis ist,  bei der Prüfung des Kriteriums „Sicherung des Lebensunterhaltes“ aus, nachzuweisen, dass ein ernsthaftes Bemühen zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit vorgelegen hat. 

 

Mit diesen gravierenden Erleichterungen ist insbesondere der schwierigen wirtschaftlichen Gesamtsituation Rechnung getragen worden.

 

Trotz dieser großzügigen Regelung führen die Anpassungen allerdings zu dem bewusst gewollten Ergebnis, dass bei weitem nicht alle geduldeten Ausländer von der Bleiberechtsregelung profitieren können (s.o rechtl. Rahmenbedingungen).

 

Zu Punkt 3

 

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt nach § 5 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Das gilt nicht nur für Roma oder hier langjährig lebende Ausländer, sondern generell für jeden ausländischen Staatsangehörigen, der sich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten will. Nach herrschender Meinung (vgl. Hailbronner, AuslR., zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 Ziff.18 AufenthG) hat das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels überragende rechtspolitische Bedeutung. Das Ziel, die Inanspruchnahme der öffentlichen Haushalte durch Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern, erfordert, dass ein Aufenthaltstitel trotz Sozialhilfebedürftigkeit nur erteilt wird, wenn besondere Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen (OVG Berlin v. 3.3.05-8 S 8.05).

Der Gesetzgeber hat in zahlreichen Fällen Ausnahmen vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung u.a. aus verfassungsrechtlichen und humanitären Gründen zugelassen. Danach kann u.a. dem Personenkreis ausländischer Staatsangehöriger ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt werden, wenn er seinen Lebensunterhalt  zumindest überwiegend eigenständig – auch für die Zukunft – sichert. In seinen Erlassen zur Bleiberechtsreglung trägt der Innenminister diesen Gedanken Rechnung und gab insofern den Ausländerbehörden einen entsprechenden Handlungsrahmen. Darüber hinausgehend können Ausnahmen nur dann gerechtfertigt werden, wenn aus verfassungsrechtlichen Gründen die Erteilung eines Aufenthaltstitels dringend geboten erscheint (vgl. BVerwG, NVerwZ - RR 1997, 567). Als Richtlinie für den Vorrang besonderer humanitärer Gründe ist davon auszugehen, dass Schwierigkeiten, eine Beschäftigung zu finden und sonstige typische Risiken noch nicht ausreichen, um eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende Beurteilung zu rechtfertigen (so für Schwierigkeiten, aus Altersgründen oder wegen dauerhafter Erkrankung eine Beschäftigung zu finden (OVG Berlin a.a.O)).

 

 

 

 

Entscheidungsalternative(n):

Ja

 

Nein

Wenn ja, welche ?