Betreff
Umsetzung der neuen Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder und Auswirkungen des Kompromisses zur SGB-II-Reform
Vorlage
0117/2011
Art
Beschlussvorlage öffentlich

Der Bericht über die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes und die Auswirkungen des Kompromisses zur SGB-II-Reform wird zur Kenntnis genommen.

 

Rechtsgrundlage:

SGB II, SGB XII


Sachdarstellung:

Der Gesetzgeber hat Leistungen zur Bildung und Teilhabe für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene neu ins SGB II/SGB XII aufgenommen, um diesen Personen bessere Zu­gangsmöglichkeiten zu vorhandenen Angeboten in der Schule und zur gesellschaftlichen Teilhabe zu eröffnen. Diese zusätzlichen Leistungen stehen auch Kindern zu, deren Eltern/Elternteile Wohngeld und/oder Kinderzuschlag beziehen.

 

Der Bedarf Bildung und Teilhabe umfasst Leistungen für:

 

1.    Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten für Schülerinnen und Schüler und für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen,

2.    Schulbedarf für Schülerinnen und Schüler,

3.    Schülerbeförderungskosten für Schülerinnen und Schüler,

4.    Lernförderung für Schülerinnen und Schüler,

5.    Zuschuss zum Mittagessen für Schülerinnen und Schüler und für Kinder, die eine Kin­dertageseinrichtung besuchen,

6.    Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.

 

Alle Bildungs- und Teilhabeleistungen (Ausnahme Schulpaket) müssen gesondert bean­tragt und bewilligt werden.

 

 

1.    Eintägige Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten:

Aufwendungen für mehrtägige Klassenfahrten (im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmun­gen) und Schulausflüge werden in tatsächlicher Höhe übernommen. Dies gilt auch für Kin­der, die eine Kindertageseinrichtung besuchen.

 

2.    Schulbedarf:

Schülerinnen und Schüler erhalten für die Schulausstattung jeweils zum 1. August 70 Euro und zum 1. Februar 30 Euro. Anschaffungen wie Schulranzen, Sportzeug und Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z. B. Füller, Malstifte, Taschenrechner, Hefte) sollen da­durch erleichtert werden.

 

3.    Schülerbeförderungskosten:

Die Übernahme von Schülerbeförderungskosten ist in NRW in der Schülerfahrtkostenverord­nung und dem Schulgesetz geregelt. Damit werden die erforderlichen Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule grundsätzlich vom jeweiligen Schulträger übernommen. Wird auf eigenen Wunsch nicht die nächstgelegene Schule besucht, sind die entstehenden Kosten auch im Rahmen der Leistungen des SGB II / SGB XII nicht übernahmefähig. Allerdings sind Einzelfälle denkbar, wenn z.B. der Höchstbetrag von 100 € nach der Schülerfahrtkostenver­ordnung überschritten wird, in denen eine Übernahme der Kosten erfolgen kann.

 

4.    Lernförderung:

Nach der Gesetzesbegründung kann eine erforderliche Lernförderung nur im Einzelfall erfor­derlich sein, wenn die Erreichung des Klassenzieles (Versetzung) gefährdet ist. Dies umfasst den klassischen kurzzeitigen außerschulischen Nachhilfeunterricht im Einzelfall, um konkrete Lernschwächen zu beheben. Nur wenn schulische Angebote nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen, kann eine ergänzende angemessene Lernförderung erfolgen.


 

5.    Zuschuss zum Mittagessen:

Die Anerkennung dieses Bedarfes setzt voraus, dass das Mittagessen in schulischer Ver­antwortung oder in Verantwortung eines Kindergartens oder Hortes angeboten sowie ge­meinschaftlich ausgegeben und eingenommen wird. Belegte Brötchen und kleinere Mahl­zeiten, die an Kiosken auf dem Schulgelände verkauft werden, erfüllen diese Voraussetzun­gen nicht.

 

Der Leistungsempfänger hat einen Eigenanteil von 1 € (häusliche Ersparnis) selbst zu er­bringen.

 

6.    Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben:

Mit dieser Leistung soll es Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden, sich in Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und insbesondere Kontakt zu Gleichaltrigen aufzu­bauen. Um dies zu ermöglichen, können zusätzliche Leistungen im Wert von 10 € monatlich erbracht werden.

 

Die Leistung kann individuell eingesetzt werden z. B. für:

·         Mitgliedsbeiträge aus den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit (z. B. Fußball­verein),

·         Unterricht in künstlerischen Fächern (z. B. Musikunterricht),

·         Angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung (z. B. Museumsbesuche),

·         die Teilnahme an Freizeiten (z. B. Pfadfinder, Theaterfreizeit) einmalig 120 €.

Der Leistungsempfänger kann selbst entscheiden, welche Leistungen er in Anspruch neh­men will.

 

 

In der gemeinsamen Besprechung mit den Städten und Gemeinden am 10.03.2011 ist die praktische Umsetzung durch die örtlichen Jobcenter und Sozialämter mit folgendem Ergebnis besprochen worden:

 

Zu 1.    Eintägige Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten:

Kosten für mehrtägige Klassenfahrten waren bereits nach der bisherigen Gesetzeslage in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Es ist lediglich der Leistungsumfang auf eintägige Schulausflüge und für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, erweitert worden. Aus den bisherigen Erfahrungen heraus bestand Einvernehmen, dass die Umsetzung vor Ort keine Probleme bereiten sollte.

 

Zu 2.    Schulbedarf:

Diese Leistung war bereits nach der bisherigen Gesetzeslage zu zahlen. Der Ge­samtbetrag von 100,00 € ist lediglich auf zwei Teilbeträge von 70,00 € (zum 01.08.) und 30,00 € (zum 01.02.) aufgeteilt worden. Als gemeinsame Einschätzung wurde festgestellt, dass die Umsetzung problemlos über das EDV-Verfahren erfolgen kann.

 

Zu 3. Schülerbeförderungskosten:

Nach gemeinsamer Einschätzung kann es sich hierbei nur um Einzelfälle – in der Regel bei weiterführenden Schulen – handeln, wenn z.B. der Höchstbetrag von 100 € nach der Schülerfahrtkostenverordnung überschritten wird. Probleme bei der Umsetzung wurden nicht gesehen.


 

Zu 4.    Lernförderung:

Die Mitwirkung der Schule bei der Feststellung des Bedarfes und der Umsetzung des Nachhilfeunterrichtes wird in jedem Fall für erforderlich erachtet. Insbesondere weil eine Beurteilung, ob das Erreichen des Klassenzieles gefährdet ist und dem durch Nachhilfeunterricht begegnet werden sollte, am besten durch die Schule erfolgen kann. Das Schulministerium NRW hat zwischenzeitlich die Mitwirkung der Schulen zugesichert.

 

Zu 5.    Zuschuss zum Mittagessen:

Die Angebotsstruktur bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung ist in den einzel­nen Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. Diese Vielfältigkeit wird die Um­setzung des Zuschusses zur Mittagsverpflegung erheblich erschweren.

Es bestand Einvernehmen, dass eine Bewilligung des Zuschusses mit anschließen­der Spitzabrechnung nach jetzigem Kenntnisstand die praktikabelste Lösung darstel­len könnte. Aber auch andere Umsetzungsformen sind denkbar.

 

Soweit Leistungsberechtigte an dem Landesprogramm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ teilnehmen, ist die Mittagsverpflegung hierdurch bereits sichergestellt. Es handelt sich um eine vorrangige Bedarfsdeckung, die eine Übernahme aus SGB II/SGB XII – Mit­teln ausschließt. Da das Landesprogramm bis zum Ende des Schuljahres bewilligt ist, wird vielfach nur mit einer geringen Anzahl von Anträgen gerechnet. Dies könnte die Probleme bei der praktischen Umsetzung vor Ort zunächst ein wenig entspannen.

 

Zu 6.    Teilhabeleistungen am sozialen und kulturellen Leben:

Die Umsetzung dieser Leistungen wurde als besonders problematisch bewertet, weil über die vielen Möglichkeiten unter Umständen mehrere Teilhabeleistungen neben einander bewilligt und abgerechnet werden müssen. Insbesondere bei der Über­nahme von Beiträgen für Sportvereine dürfe keine Überforderung der ehrenamtlich Tätigen mit Umsetzungsaufwand eintreten. Für Teilhabeleistungen wurde eine Bewil­ligung mit anschließender Spitzabrechnung als am ehesten umsetzbar angesehen, wobei eine Abrechnung pro Halbjahr angestrebt werden sollte. Die örtlichen Ge­gebenheiten müssen besonders berücksichtigt werden. Wie hoch der Verwaltungsaufwand in der Praxis tatsächlich sein wird, hängt maßgeblich davon ab, wie viele Leistungsberechtigte wie viele unterschiedliche Leistungen in Anspruch nehmen.

 

Zu der Frage, wie die im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes vom Bund zugesagte Förderung von Schulsozialarbeit in der Praxis umgesetzt werden soll, liegen bisher keine verbindlichen Erkenntnisse vor. Nach Aussagen von Vertretern des Schulministeriums NRW sowie des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW sind mit den vorgesehenen Mitteln allgemeine Aufgaben der Schulsozialarbeit nicht finanzierbar. Vielmehr müssten diese Aufgaben einen direkten Bezug zum SGB II haben.

 

Die weitere Frage, wer, wie und ab wann die Leistungen für Wohngeld- und Kinderzu­schlagsempfänger umsetzten soll, konnte nicht beantwortet werden, da hierzu noch landesrechtliche Umsetzungsregelungen getroffen werden müssen. Die Anträge für diesen Per­sonenkreis werden zunächst jedoch durch die örtlichen Jobcenter und Sozialämter entgegen genommen.

 


Finanzierung:

 

Das Bildungs- und Teilhabepaket wurde als kommunale Aufgabe bei den Kommunen angesiedelt. Anders als in den Medien vereinzelt dargestellt ist der finanzielle Aufwand entsprechend zunächst aus kommunalen Mitteln zu tragen.

 

Durch den Bund wird keine Erstattung der „spitzen“ tatsächlichen Kosten für die Leistungen des Bildungs- u. Teilhabepaketes erfolgen. Vielmehr erfolgt als Ausgleich eine pauschale Kompensation der finanziellen Belastungen durch eine Anhebung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft. Dabei wurde der notwendige Kompensationsbetrag lediglich auf Bun­desebene ermittelt. Dies bedeutet, dass bei einzelnen Kommunen der finanzielle Aufwand für die neuen Leistungen von dem pauschalen Kompensationsbetrag beim Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft mehr oder weniger abweichen kann.

 

Durch die Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft von 24,5% auf 35,8% für das Jahr 2011 sollen die zusätzlich entstehenden Kosten für die Warmwasserbereitung, Verwaltungskosten für das Bildungspaket, Mittagessen für Schüler, Hort- und Kindergartenkinder, Schulsozialarbeiter, monatliche Bildungsgutscheine, Schulbeihilfe, Schülerbeförde­rung, Lernförderung, Schulausflüge und Klassenfahrten etc. ausgeglichen werden.

Der ermittelte Kompensationsbetrag wurde durch den Bund wie folgt errechnet:

 

 

Anhebung Bundesanteil KdU

entspricht für Kreis Borken voraussichtl.

Leistungen für Bildung u. Teilhabe

Personenkreis SGB II

Personenkreis Kinderzuschlag (KiZ)

Personenkreis Wohngeld

 

 

5,4 %

 

 

1.778 T €

Schulsozialarbeiter/Hortkinder (befristet bis 2013)

2,8 %

922 T €

Verwaltungskosten Bildung u. Teilhabe

1,2 %

395 T €

Erhöhung KdU (Warmwasseranteil)

1,9 %

625 T €

 

Für den Kreis Borken entspricht die Erhöhung der Bundesbeteiligung um 11,3 % einem Be­trag von rd. 3,7 Mio. €. Dem gegenüber steht der derzeit noch nicht kalkulierbare finanzielle Aufwand für die neuen Leistungen und eine Verschlechterung bei den Verwaltungskosten SGB II durch eine Veränderung des kommunalen Finanzierungsanteils von bisher 12,6 % auf 15,2 % gleich 0,35 Mio. € sowie dem erhöhten Aufwand für die Kosten der Unterkunft durch zusätzliche Übernahme der Warmwasseranteile.

 

Insbesondere der Aufwand für die Leistungen der Bildung und Teilhabe von Kindern kann zur Zeit nicht beziffert werden. Bisher wurden erst in sehr geringem Umfang überhaupt Anträge gestellt. Diese Situation stellt sich auch bei anderen Trägern ähnlich dar. Eine Einschätzung, wie viele der potenziell anspruchsberechtigten über 8.000 Kinder und Jugendlichen im Kreis Borken, die Leistungen zukünftig in Anspruch nehmen werden, ist kaum möglich. Zur Zeit kann daher hilfsweise nur unterstellt werden, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel die tatsächlichen zukünftigen Bedarfe abdecken werden. Für das Jahr 2011 wird unterstellt, dass aufgrund der bereits fortgeschrittenen Phase im Jahr vielleicht nur 70 % der Leistungen für Bildung und Teilhabe anfallen. Es wird daher weiter unterstellt, dass von den hierfür bereitgestellten Mitteln in Höhe von 1.778 T € ggf. 500 T € nicht in Anspruch genommen werden.

 

Auf Grundlage der tatsächlichen Ausgaben 2012 werden die Quoten ab 2013 überprüft und auf Bundesebene angepasst. Bei den Mitteln für Schulsozialarbeit, die für die Zeit von 2011 bis 2013 befristet sind, ist darauf hinzuweisen, dass nach derzeitigen Überlegungen des Landes enge Maßstäbe bei der Freigabe der Mittel angesetzt werden und keinesfalls eine Finanzierung allgemeiner Aufgaben der Schulsozialarbeit, z. B. für bereits vorhandene Stellen, realisierbar sei. Vielmehr muss ein enger Bezug zu den Aufgaben des SGB II bestehen.

 

Vom Bund werden die Mittel an die Bundesländer fließen. Nach ersten Aussagen des Mi­nisteriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW war noch nicht geklärt, ob die Pauschalen vom Land beim Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft unmittelbar an die Kommunen weitergegeben werden, oder ob sich das Land eine andere Verteilung für diese Mittel vorbehält. Denkbar ist, dass durch das Land intern eine Umverteilung auf Grundlage der tatsächlichen Kosten für die Bildungs- u. Teilhabeleistungen oder nach Schlüsseln wie der Zahl der bedürftigen Kinder erfolgen wird. Nach letztem Stand geht das Landesministerium davon aus, dass die oben beschriebenen Anteile an den Kosten der Unterkunft direkt an die kommunalen Träger weitergegeben werden.

 

Darüber hinaus hat man sich im Vermittlungsausschuss auf eine vollständige Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund in drei Stufen ab 2012 bis 2014 verständigt.

 

Die finanziellen Auswirkungen für den Kreis Borken stellen sich wie folgt dar:

 

2011

2012

2013

ab 2014

Bundesanteil
bisherige Regelung

15%

16%

16%

16%

1,85 Mio. €

2,14 Mio. €

2,37 Mio. €

2,43 Mio. €

Bundesanteil neue Regelung

15%

45%

75%

100%

1,85 Mio. €

6,03 Mio. €

11,09 Mio. €

15,19 Mio. €

Verbesserung Kreis

 

3,89 Mio. €

8,72 Mio. €

12,76 Mio. €

 

Entscheidungsalternative(n):

Ja

 

Nein

Wenn ja, welche ?