Antrag der Fraktion B90/Die Grünen v. 18.06.2012
Der Kreistag Borken bittet die
Bundesregierung, auf die Einführung eines Betreuungsgeldes zu verzichten und
die dafür vorgesehenen Mittel in Höhe von bis zu 2,2 Milliarden Euro jährlich
in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren.
Sachdarstellung:
die
Bundesregierung plant auf Drängen der CSU die Einführung eines
Betreuungsgeldes, das ab 2013 ausgezahlt werden soll. Eltern, die sich
entscheiden, ihre Kinder bis zum Alter von 3 Jahren ausschließlich zu Hause zu
betreuen und nicht in eine KiTa zu schicken, sollen dann eine staatliche
monatliche Zuwendung ab Januar 2013 für Kinder im zweiten Lebensjahr in Höhe
von 100 bzw. ab 2014 150 Euro monatlich, dann auch für Kinder im dritten
Lebensjahr, erhalten.
Der Kreistag Borken wird gebeten,
folgenden Beschluss zu fassen:
Der
Kreistag Borken bittet die Bundesregierung, auf die Einführung eines
Betreuungsgeldes zu verzichten und die dafür vorgesehenen Mittel in Höhe von
bis zu 2,2 Milliarden Euro jährlich in den Ausbau der Kinderbetreuung zu
investieren.
Begründung:
-
Schweden (2008), Norwegen (1998) und Finnland (1985) haben langjährige
Erfahrungen mit einem Betreuungsgeld gesammelt. Mindestens 320 Euro werden dort
Eltern ausgezahlt, die auf eine staatliche Kinderbetreuung verzichten. Eine
Studie befasst sich mit den Auswirkungen: „In der Praxis bewahrheiten sich die
Befürchtungen der Betreuungsgeld-Gegner. Es wirkt sich nachteilig auf die
Geschlechtergerechtigkeit aus, es behindert die Erwerbstätigkeit von Müttern
und bremst den Ausbau der Betreuungsangebote - und es hält vor allem
Zuwandererfamilien davon ab, ihre Kinder in eine KiTa zu schicken.“
(Süddeutsche Zeitung, 20.04.2012)
Grundsätzlich
halten wir es für nicht sinnvoll, für eine staatliche Leistung zu zahlen, die
NICHT in Anspruch genommen wird. Die Kosten für das Betreuungsgeld werden auf
1,2 Milliarden Euro geschätzt, also fast ein Drittel der 4 Milliarden Euro für
den gesamten Krippenausbau. Das Geld sollte besser in ein flächendeckendes und
gutes Betreuungsangebot für Kleinkinder investiert werden, um damit endlich
eine echte Wahlfreiheit für Familien – insbesondere für Mütter – herzustellen.
Ab
dem 1. August 2013 besteht bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen
Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, in NRW fehlen noch 27.000
Plätze. Das Betreuungsgeld wird dringend für den KiTa-Ausbau gebraucht!
Gerade
Kindern aus sozial schwächeren Familien muss früh der Zugang zu öffentlichen
Bildungsstätten ermöglicht werden, um ihre Bildungschancen deutlich zu
verbessern. Der geplante Ausschluss von Hartz IV-BezieherInnen vom
Betreuungsgeld macht deutlich, weshalb diese Initiative aus Bayern initiiert
werden soll: hier geht es nicht um die gesellschaftliche Honorierung von
Erziehungsleistung, sondern darum, bereits privilegierte Familien zu bedienen.
Diese Mitnahmeeffekte für Besserverdienende sind kontraproduktiv.
Als
eine Konsequenz des Betreuungsgeldes ist zu befürchten, dass viele Mütter
länger zu Hause bleiben. Dies gilt angesichts der Höhe von KiTa-Gebühren auch
für „NormalverdienerInnen“-Haushalte. Ihr Wiedereinstieg in den Beruf wird so
deutlich erschwert. Das können wir uns nicht leisten, denn schon jetzt gibt es
in Deutschland einen erheblichen Fachkräftemangel. Wenn jetzt zusätzlich
Anreize geschaffen werden, die diese Entwicklung noch verschärfen, ist das
volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.
Alles
in allem ist das Betreuungsgeld kaum etwas anderes als eine
"Zurück-an-den-Herd" - Prämie für junge Frauen zu Lasten des Ausbaus
von Kinderbetreuung.
Mit
freundlichen Grüßen
Gertrud Welper
Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen