Betreff
Bericht zum Projekt „Beistandschaften 2020 – Frühe Hilfen Beistandschaft? – Zielorientierung und Praxisentwicklung in der Beistandschaft"
Vorlage
0062/2015
Art
Beschlussvorlage

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Projektbericht zur Kenntnis.            


Rechtsgrundlage:

§§ 1712 ff. BGB, 18, 52a, 55 f. SGB VIII

Sachdarstellung:

I.                   Rechtliche Grundlagen und Entwicklung

Die Beistandschaft des Jugendamtes (§§ 1712 ff. BGB, § 55 SGB VIII) ist mit der Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 als Dienstleistungsangebot des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe neu geschaffen worden. Bis dahin galt die gesetzliche Amtspflegschaft als hoheitliche Aufgabe. Die Beistandschaft ist ein freiwilliges Angebot für den Elternteil, der allein für ein Kind die „Obsorge“ innehat. Der Anspruch auf Einrichtung einer Beistandschaft besteht unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung als alleiniges oder gemeinsames Sorgerecht. Ziel der Reform war die Stärkung der Elternautonomie und die Unterstützung bei der gemeinsamen Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung. Die neue Angebotsstruktur umfasst im Einzelnen folgende Leistungen des Jugendamtes:

  • Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechtes (§ 18 SGB VIII) insbesondere zu Unterhaltsansprüchen
  • Beratung und Unterstützung bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 52a SGB VIII)
  • Formelle Beistandschaft als beschränkte gesetzliche Vertretung des Kindes durch das Jugendamt (§§ 55 f. SGB VIII, 1712 ff BGB) 

Dieses Angebot hat sich seitdem stetig in kleinen Schritten fachlich und strukturell weiterentwickelt.

Im Bundesgebiet gibt es derzeit ca. 615.500 Beistandschaften, davon in NRW allein ca. 145.600, die Tendenz bleibt weiterhin steigend. Diese Fallzahlen entsprechen jeweils ca. 5% an der Bevölkerungsgruppe der unter 18-jährigen. Die Fallzahlen im Jugendamtsbezirk des Kreises Borken belaufen sich auf rund 800 Fälle. Dies entspricht einem Anteil von rd. 2,5% der minderjährigen Kinder und Jugendlichen. Hinzu kommen ca. 200 Fälle, die Beratungs- und Unterstützungsangebote wahrnehmen.

II.                Projektrahmen

Im Herbst 2013 haben die beiden NRW-Landesjugendämter die Teilnahme an dem Projekt „Beistandschaften 2020 – Frühe Hilfen Beistandschaft? - Zielorientierung und Praxisentwicklung in der Beistandschaft“ unter den örtlichen Jugendämtern ausgeschrieben. Ziel des Projektes ist die Betrachtung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität des Fachdienstes Beistandschaft sowie die modellhafte Weiterentwicklung der Qualität im Sinne des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG). Das Kreisjugendamt Borken hat in einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren als eines von sechs Jugendämtern in NRW den Zuschlag zur Projektteilnahme erhalten. Für die Laufzeit des Praxisentwicklungsprojektes vom 01.03.2014 bis 28.02.2015 wurde eine Beistandschaftsstelle um einen 0,2-Stellenanteil aufgestockt und aus Projektmitteln vom Land refinanziert.

Neben dem Praxisentwicklungsprojekt untersucht ein wissenschaftliches Forschungsprojekt mit qualitativen und quantitativen Methoden die bisherige Praxis der Beistandschaft, um so Beiträge zur Fortentwicklung dieses Fachdienstes zu liefern.

Der Fachbereich Jugend und Familie des Kreises Borken hat sich in dem Projekt schwerpunktmäßig mit der Beratung junger Volljähriger gem. § 18 Abs. 4 SGB VIII befasst. Die Beistandschaft endet kraft Gesetz mit der Volljährigkeit des jungen Menschen. Der junge Mensch hat aber bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres den gesetzlich fixierten Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen.

III.             Bisherige Projektergebnisse und weiterer Ausblick

Im Jugendamtsbezirk des Kreises Borken steigt der Bedarf der Hilfen für junge Volljährige gem. § 41 SGB VIII seit einigen Jahren kontinuierlich an. Es ist daher notwendig, dieser Personengruppe besondere Aufmerksamkeit zu schenken und sie durch gezielte Beratung und Unterstützung vor einer wirtschaftlichen Notsituation zu bewahren.

Junge Volljährige haben nach § 18 Abs. 4 SGB VIII den Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen. Dieser Anspruch ist bei der Zielgruppe bislang wenig bekannt. Entscheidend für die Erreichbarkeit der Zielgruppe ist die Steigerung des Bekanntheitsgrades über Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkpartner.

Durch die Vernetzung des Fachdienstes Beistandschaft mit weiteren Institutionen, die sich überwiegend um die wirtschaftlichen Belange und Interessen junger Volljähriger kümmern, sollen diejenigen erreicht werden, die diese Dienstleistung bisher nicht kennen und keine andere Möglichkeit sehen, ihre Ansprüche zu ermitteln und geltend zu machen. Hierzu ist es dringend notwendig, die Bekanntheit des Fachdienstes Beistandschaft zu fördern und auszuweiten.

Zu diesem Zweck soll eine stärkere Vernetzung mit anderen Institutionen aufgenommen werden, die sich ebenfalls um die Belange junger Menschen kümmern. So wird u.a. künftig eine Zusammenarbeit mit der BAföG-Stelle des Kreises Borken erfolgen, so dass betroffene junge Menschen, die z.B. keinen Anspruch auf Leistungen der BAföG-Stelle haben, auf das Beratungsangebot der Beistandschaft hingewiesen werden.

Ferner werden u.a. die weiterführenden Schulen, Berufskollegs und Landwirtschaftsschulen als auch Berufs- und Erziehungsberatungsstellen auf das Beratungsangebot des Jugendamtes hingewiesen und über die genaue Leistung der Beistandschaft informiert.

Im Rahmen des Praxisentwicklungsprojektes hat der Fachbereich Jugend und Familie des Kreises Borken ein Konzept zur Beratung junger Volljähriger entwickelt, das als Arbeitshilfe die Öffentlichkeitsarbeit des Fachdienstes dokumentieren soll (Anlage 1).

In einem weiteren Schritt wird ein Konzept zur Geltendmachung von Mehr- und Sonderbedarfen in Unterhaltsfällen vorbereitet, da sowohl Sonder- als auch Mehrbedarf im Unterhaltsrecht grundsätzlich nicht allein vom betreuenden Elternteil, sondern auch vom barunterhaltspflichtigen Elternteil, anteilig nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen aufzubringen ist.