Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Projektbericht zur Kenntnis.
Rechtsgrundlage:
§§ 1712 ff. BGB, 18, 52a, 55 f. SGB VIII
Sachdarstellung:
I.
Rechtliche
Grundlagen und Entwicklung
Die Beistandschaft
des Jugendamtes (§§ 1712 ff. BGB, § 55 SGB VIII) ist mit der
Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 als Dienstleistungsangebot des öffentlichen
Trägers der Jugendhilfe neu geschaffen worden. Bis dahin galt die gesetzliche
Amtspflegschaft als hoheitliche Aufgabe. Die Beistandschaft ist ein
freiwilliges Angebot für den Elternteil, der allein für ein Kind die „Obsorge“
innehat. Der Anspruch auf Einrichtung einer Beistandschaft besteht unabhängig
von der rechtlichen Ausgestaltung als alleiniges oder gemeinsames Sorgerecht.
Ziel der Reform war die Stärkung der Elternautonomie und die Unterstützung bei
der gemeinsamen Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung. Die neue
Angebotsstruktur umfasst im Einzelnen folgende Leistungen des Jugendamtes:
- Beratung und Unterstützung bei der
Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechtes (§ 18 SGB VIII)
insbesondere zu Unterhaltsansprüchen
- Beratung und Unterstützung bei
Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§
52a SGB VIII)
- Formelle Beistandschaft als beschränkte
gesetzliche Vertretung des Kindes durch das Jugendamt (§§ 55 f. SGB VIII,
1712 ff BGB)
Dieses Angebot hat
sich seitdem stetig in kleinen Schritten fachlich und strukturell
weiterentwickelt.
Im Bundesgebiet
gibt es derzeit ca. 615.500 Beistandschaften, davon in NRW allein ca. 145.600,
die Tendenz bleibt weiterhin steigend. Diese Fallzahlen entsprechen jeweils ca.
5% an der Bevölkerungsgruppe der unter 18-jährigen. Die Fallzahlen im
Jugendamtsbezirk des Kreises Borken belaufen sich auf rund 800 Fälle. Dies
entspricht einem Anteil von rd. 2,5% der minderjährigen Kinder und
Jugendlichen. Hinzu kommen ca. 200 Fälle, die Beratungs- und
Unterstützungsangebote wahrnehmen.
II.
Projektrahmen
Im Herbst 2013
haben die beiden NRW-Landesjugendämter die Teilnahme an dem Projekt
„Beistandschaften 2020 – Frühe Hilfen Beistandschaft? - Zielorientierung und
Praxisentwicklung in der Beistandschaft“ unter den örtlichen Jugendämtern
ausgeschrieben. Ziel des Projektes ist die Betrachtung der Struktur-, Prozess-
und Ergebnisqualität des Fachdienstes Beistandschaft sowie die modellhafte
Weiterentwicklung der Qualität im Sinne des Bundeskinderschutzgesetzes
(BKiSchG). Das Kreisjugendamt Borken hat in einem vorgeschalteten
Bewerbungsverfahren als eines von sechs Jugendämtern in NRW den Zuschlag zur
Projektteilnahme erhalten. Für die Laufzeit des Praxisentwicklungsprojektes vom
01.03.2014 bis 28.02.2015 wurde eine Beistandschaftsstelle um einen
0,2-Stellenanteil aufgestockt und aus Projektmitteln vom Land refinanziert.
Neben dem
Praxisentwicklungsprojekt untersucht ein wissenschaftliches Forschungsprojekt
mit qualitativen und quantitativen Methoden die bisherige Praxis der
Beistandschaft, um so Beiträge zur Fortentwicklung dieses Fachdienstes zu
liefern.
Der Fachbereich
Jugend und Familie des Kreises Borken hat sich in dem Projekt schwerpunktmäßig
mit der Beratung junger Volljähriger gem. § 18 Abs. 4 SGB VIII befasst. Die
Beistandschaft endet kraft Gesetz mit der Volljährigkeit des jungen Menschen.
Der junge Mensch hat aber bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres den gesetzlich
fixierten Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Geltendmachung von
Unterhaltsansprüchen.
III.
Bisherige
Projektergebnisse und weiterer Ausblick
Im
Jugendamtsbezirk des Kreises Borken steigt der Bedarf der Hilfen für junge
Volljährige gem. § 41 SGB VIII seit einigen Jahren kontinuierlich an. Es ist
daher notwendig, dieser Personengruppe besondere Aufmerksamkeit zu schenken und
sie durch gezielte Beratung und Unterstützung vor einer wirtschaftlichen
Notsituation zu bewahren.
Junge Volljährige
haben nach § 18 Abs. 4 SGB VIII den Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei
der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen. Dieser
Anspruch ist bei der Zielgruppe bislang wenig bekannt. Entscheidend für die
Erreichbarkeit der Zielgruppe ist die Steigerung des Bekanntheitsgrades über
Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkpartner.
Durch die
Vernetzung des Fachdienstes Beistandschaft mit weiteren Institutionen, die sich
überwiegend um die wirtschaftlichen Belange und Interessen junger Volljähriger
kümmern, sollen diejenigen erreicht werden, die diese Dienstleistung bisher
nicht kennen und keine andere Möglichkeit sehen, ihre Ansprüche zu ermitteln
und geltend zu machen. Hierzu ist es dringend notwendig, die Bekanntheit des
Fachdienstes Beistandschaft zu fördern und auszuweiten.
Zu diesem Zweck
soll eine stärkere Vernetzung mit anderen Institutionen aufgenommen werden, die
sich ebenfalls um die Belange junger Menschen kümmern. So wird u.a. künftig
eine Zusammenarbeit mit der BAföG-Stelle des Kreises Borken erfolgen, so dass
betroffene junge Menschen, die z.B. keinen Anspruch auf Leistungen der
BAföG-Stelle haben, auf das Beratungsangebot der Beistandschaft hingewiesen
werden.
Ferner werden u.a.
die weiterführenden Schulen, Berufskollegs und Landwirtschaftsschulen als auch
Berufs- und Erziehungsberatungsstellen auf das Beratungsangebot des Jugendamtes
hingewiesen und über die genaue Leistung der Beistandschaft informiert.
Im Rahmen des
Praxisentwicklungsprojektes hat der Fachbereich Jugend und Familie des Kreises
Borken ein Konzept zur Beratung junger Volljähriger entwickelt, das als
Arbeitshilfe die Öffentlichkeitsarbeit des Fachdienstes dokumentieren soll
(Anlage 1).
In einem weiteren
Schritt wird ein Konzept zur Geltendmachung von Mehr- und Sonderbedarfen in
Unterhaltsfällen vorbereitet, da sowohl Sonder- als auch Mehrbedarf im
Unterhaltsrecht grundsätzlich nicht allein vom betreuenden Elternteil, sondern
auch vom barunterhaltspflichtigen Elternteil, anteilig nach seinen
wirtschaftlichen Verhältnissen aufzubringen ist.