Aktualisierung der Regelungen zur Betreuung in Großtagespflegestellen
Der Jugendhilfeausschuss beschließt die in der Sitzungsvorlage dargestellte Ergänzung der Richtlinien zur Förderung von Kindern in Tagespflege für die Betreuung in Großtagespflegestellen.
Rechtsgrundlage:
§§ 23, 24, 43 SGB VIII
§§ 4, 17, 22 KiBiz
Sachdarstellung:
Die geltenden Richtlinien zur Förderung von Kindern in Tagespflege wurden im Jugendhilfeausschuss am 20.06.2013 beraten und traten zum 01.08.2013 in Kraft.
Im Juni 2013 nahm zeitgleich die erste Großtagespflegestelle im Kreisjugendamtsbezirk ihren Betreib in Vreden-Lünten auf. In den seinerzeit beschlossenen Regelungen finden sich deshalb im Abschnitt VI nur erste grundsätzliche Regelungen über Großtagespflegestellen. Außerdem beschloss der Jugendhilfeausschuss die Gewährung eines monatlichen Mietzuschusses von 436 € bei Großtagespflegestellen.
Heute gibt es im Kreisjugendamtsbezirk Borken fünf Großtagespflegestellen,
- von denen drei von selbständig tätigen Tagespflegepersonen geführt werden (eine in Vreden-Lünten und zwei in Stadtlohn),
- eine befindet sich in der Trägerschaft des DRK als freiem Jugendhilfeträger (in Rhede) und
- eine ist eine betrieblich orientierte Großtagespflege (in Vreden).
Dies verdeutlicht, dass wir in den vergangenen Jahren Erfahrungen sammeln konnten, die wir nunmehr ausgewertet haben und die die folgenden Vorschläge zur Aktualisierung und Ergänzung der bestehenden Regelungen begründen.
Zunächst noch einige einführende Hinweise:
Die Großtagespflegstellen (GTP) betreuen Kinder im Alter von wenigen Wochen bis zum dritten Lebensjahr in einer kleinen Gruppe (max. 9 Kinder). Die in den GTP geschaffene Atmosphäre ist familienähnlich und bietet den dort betreuten Kindern viel Sicherheit und Geborgenheit. Jede der Tagespflegepersonen betreut ihre durch eine Betreuungsvereinbarung mit den Eltern namentlich fest zugeordneten Kinder. So wird ein verlässliches Bezugspersonensystem für Kinder und Eltern gewahrt.
Eine Tagespflegeperson darf nach § 4 KiBiz bis zu 5 Kinder betreuen. In der GTP dürfen bis zu 9 Kinder betreut werden. Zwei verschiedene Modelle der Zusammenarbeit der bis zu drei Tagespflegepersonen sind in einer GTP demnach denkbar und in der Realität anzutreffen:
- Modell „5 plus 4“: Eine Tagespflegeperson betreut 5, die andere 4 Kinder. Beide werden unterstützt durch eine dritte Ersatztagespflegeperson.
- Modell „ 3-3-3“: Alle 3 Tagespflegepersonen betreuen 3 Kinder.
Die pädagogische Arbeit in GTP orientiert sich unabhängig von dem jeweiligen Modell an den Vorgaben des KiBiz und aktuellen Entwicklungen im frühpädagogischen Arbeitsfeld. Die Kindertagespflege entwickelt sich stetig weiter und ist ein gleichrangiges Angebot zur Betreuung in einer Kindertagesstätte. Die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern steht im Fokus der täglichen Arbeit und vollzieht sich auf einem hohen, pädagogischen Qualitätsniveau. Hinzu kommen die Erziehungspartnerschaft mit Eltern, die Zusammenarbeit in einem Team und die Kooperation im Sozialraum mit Netzwerkpartnern (Schulen, Kitas/Familienzentren, Erziehungsberatungsstellen, Ärzten und Therapeuten usw.) und der Fachberatung Kindertagespflege im Familienbüro des Fachbereichs bzw. beim Sozialdienst katholischer Frauen.
Alle GTP verfügen über qualifizierte und gut ausgebildete Fachkräfte, ein aktuelles, pädagogisches Konzept, liebevoll eingerichtete und altersentsprechend ausgestattete Räumlichkeiten und eine gute Anbindung im Sozialraum. Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Fachberatungen vollzieht sich transparent und effektiv, ebenso die Zusammenarbeit der Tagespflegepersonen untereinander.
Welche Änderungsvorschläge gibt es?
1. Um den qualitativen Standard in GTP auch zukünftig halten und weiterentwickeln zu können, wurde in den letzten Jahren deutlich, dass dies nur gelingen kann, wenn die Vertretungssituation in den GTP verlässlich geregelt werden kann. Darüber hinaus ist das Jugendamt rechtlich verpflichtet, in Ausfallzeiten einer Tagespflegeperson rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit sicherzustellen (§ 23 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII).
Für viele Eltern junger Kinder ist die GTP eine bewusst gewählte Alternative zur Kindertagesstätte, da dort die Familiennähe und die Betreuung in einer kleinen Gruppe im Mittelpunkt stehen. In Krankheitsfällen und/oder zu Urlaubszeiten, gestaltete sich die Vertretung in GTP oftmals schwierig und unter Einbezug der Familie des Kindes. Solche früher realisierbaren Unterstützungsmöglichkeiten etwa durch Großeltern oder Nachbarn sind immer seltener gegeben. Um eine kontinuierliche Betreuung gewährleisten zu können, ist es deshalb notwendig, dass eine feste, dritte Tagespflegeperson in der GTP tätig ist, die im Vertretungsfall die Bezugstagespflegeperson vertritt. Bisher war diese Tagespflegeperson regelmäßig an zwei Tagen in der Woche für 2 Stunden in den GTP tätig, um eine Beziehung zu den Kindern aufbauen und den Alltag und die Routinen der Kinder kennen lernen zu können. Aus pädagogischer Sicht ist dieses Zeitfenster zu eng bemessen. Um einen sicheren Beziehungs- und Bindungsaufbau gestalten zu können, muss die Ersatztagespflegeperson häufiger anwesend sein. Im Vertretungsfall soll sie die Kinder, Eltern und den Alltag in der GTP gut kennen und ein ebenso verlässlicher Partner für alle Beteiligten sein. Dazu hat die Ersatztagespflegeperson eine Pflegerlaubnis für max. 8 Kinder, jedoch nicht mehr als 5 Kinder gleichzeitig (vgl. § 4 Abs. 1 KiBiz). Im Vertretungsfall wird eine separate Vereinbarung mit den Kindeseltern getroffen.
Kommt es zum Vertretungsfall, so ist eine Ersatztagespflegeperson bisher durchschnittlich ca. 25 Stunden in der Woche in der GTP tätig gewesen. Dies haben wir für einen repräsentativen Zeitraum ermittelt. Sie übernimmt Kinder und Betreuungszeiten ihrer Kollegin für den Zeitraum der Abwesenheit.
Um eine verlässliche Personalplanung für Kinder, deren Eltern und die Tagespflegeperson gestalten zu können, empfiehlt es sich daher, die Ersatztagespflegeperson dauerhaft zu beschäftigen und – auch aus abrechnungstechnischen Gründen – pauschal zu vergüten.
Ein Stundenbudget von 100 Stunden im Monat für die Ersatztagespflegeperson (im Modell „5 plus4“) soll flexibel eingesetzt werden können, d.h. kommt es zum Krankheits-/Urlaubs- Vertretungsfall dient das Budget zur Sicherstellung der Betreuung des Kindes/der Kinder. Außerhalb von unmittelbaren Vertretungen dient das Stundenbudget dem regelmäßigen Bindungsaufbau zu Kindern, Eltern und Kolleginnen. Eine gesonderte Abrechnung der konkreten Vertretungssituationen über Stundenzettel, wie sie bisher regelmäßig praktiziert wurde, findet damit zukünftig nur noch ausnahmsweise statt.
Das Stundenbudget wird im Vertretungsfall von den Tagespflegepersonen so gestaffelt, dass vorhersehbare Vertretungsfälle damit abgedeckt werden können (siehe Beispiel unten). In unvorhersehbaren Krankheitsfällen können mögliche Differenzen in den Betreuungsstunden per Stundenzettel, die in jedem Fall von der Fachberatung abzuzeichnen sind, ausnahmsweise abgerechnet werden.
Beispiel: 100 Std. / Monat stehen als Stundenbudget zur Verfügung
Woche 1 |
20 Std. Betreuung ohne Vertretung |
Woche 2 |
20 Std. Betreuung ohne Vertretung |
Woche 3 |
Vertretungsfall – 30 Std. |
Woche 4 |
Vertretungsfall – 35 Std. |
Gesamt |
105 Std. / Monat 100 Std. pauschal 5 Std. Stundenzettel |
Zudem ist es notwendig, dass die drei Tagespflegepersonen in Teamsitzungen den Alltag planen, ggf. Vertretungen regeln, sich beraten und ihre Arbeit reflektieren. Die Fachberatung wird regelmäßig an den Teamsitzungen teilnehmen, um die Arbeit zu unterstützen.
Im Modell „3-3-3“ soll die monatliche Pauschale von 100 Stunden auf alle 3 Tagespflegepersonen gleichmäßig mit je 33,33 Stunden aufgeteilt werden.
Insgesamt bedeutet diese Regelung mehr Verlässlichkeit für die Beteiligten, d.h. für die Tagespflegepersonen und die Eltern, und damit einen Qualitätsgewinn.
2. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre ergaben sich notwendige ergänzende Regelungen zur räumlichen Ausstattung von GTP und zur persönlichen Eignung der Tagespflegepersonen (s. Anlage, zu Ziffer IV, rechte Spalte).
3. Die geltenden Richtlinien differenzieren hinsichtlich der Höhe des Stundensatzes je Betreuungsstunde und Kind zwischen einer Betreuung im Haushalt der Tagespflegeperson und einer Betreuung im Haushalt der Eltern. Die unterschiedliche Höhe der Stundensätze resultiert aus den unterschiedlich hohen Erstattungen der Sachkosten (vgl. § 23 Abs. 2 Nr.1 SGB VIII).
Es zeigte sich, dass zur Klarstellung eine gesonderte Regelung für die Betreuung der Kinder in der Großtagespflegestelle erforderlich ist. Eine Überprüfung der Höhe der in den Großtagespflegestellen notwendigen Sachkosten ergab, dass diese trotz des monatlichen Mietzuschusses von 436 € durchschnittliche Sachaufwendungen von 1,80 €/ Stunde und Kind haben und damit in derselben Höhe wie im Haushalt der Tagespflegeperson betreute Kinder vergütet werden sollen.
Zwar sind insgesamt die Richtlinien zur Förderung von Kindern in Tagespflege zwischen den Jugendämtern im Kreis Borken einheitlich abgestimmt, für den Bereich der Großtagespflegestellen gibt es allerdings jeweils örtliche Besonderheiten, die interkommunal beraten werden. Deshalb gibt es für die Großtagespflegestellen kommunale Unterschiede.
Die ergänzenden Regelungen sollen zum 01.06.2016 in Kraft treten.
Entscheidungsalternativen:
Wesentlich ist die vorgesehene Monatspauschale für die Sicherstellung der Vertretung in Ausfallzeiten der eigentlichen Bezugstagespflegeperson. Die gesetzlich dem Jugendamt übertragene Sicherstellungsaufgabe könnte nicht in der hier vorgeschlagenen Qualität gewährleistet werden, wenn die Regelung nicht wie vorgeschlagen umgesetzt wird.
Finanzielle Auswirkungen:
Keine wesentlichen Auswirkungen, da die Stunden der Vertretung bisher über Stundenzettel vergütet wurden.